10. und 12. Juni 2016 in Lingen (Emsland/Niedersachsen): Der Neonazi Moritz H. schießt mit einem Luftgewehr aus dem Fenster seiner Wohnung auf Geflüchtete. Die Schüsse verletzen drei Personen, darunter ein fünfjähriges Kind. Am 11. Januar steht der Angreifer in Lingen vor Gericht. Der Prozess verläuft katastrophal: Die Geschädigten nehmen aus Angst vor dem Angeklagten nicht an der Verhandlung teil. Ihre Anwält*innen verhalten sich überwiegend passiv. Das rassistische Motiv und die Perspektive der Betroffenen werden kaum thematisiert, viel Raum nimmt dagegen die „kombinierte Persönlichkeitsstörung“ des Angeklagten ein. Dieser stellt sich selbst als unpolitisch dar. Sein angebliches Tatmotiv: Frust über seine Arbeitslosigkeit. Besonders skandalös ist die Urteilsbegründung. Dem Richter zufolge sind die Kontakte des Angeklagten zur NPD und in die rechte Szene kein Beleg für dessen politische Überzeugungen. Ihm sei es lediglich um „Kameradschaft“ und gemeinsame Freizeitunternehmungen gegangen. Außerdem bedient der Richter selbst rassistische Diskurse: der Angeklagte stehe mit seiner Ablehnung gegenüber „Wirtschaftsflüchtlingen“ nicht alleine da. Allerdings sei es nicht seine Aufgabe, eine Unterscheidung zwischen Kriegsflüchtlingen und „Schmarotzern“ – so der Richter wörtlich – selbst durchzusetzen. Auch habe der Angeklagte mit den Schüssen gerade die Falschen getroffen: nämlich Kriegsflüchtlinge und keinen Anis Amri [mutmaßlicher Attentäter in Berlin] oder Sexualstraftäter. Weiterlesen
Schlagwort-Archive: Prozesse
§129b-Prozess in Berlin: Zwei Parlamentarier sagen aus
Seit dem 11. Oktober steht Ali H. Doǧan wegen des Vorwurfs der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer „terroristischen Vereinigung im Ausland“ (§129a/b StGB) in Berlin vor Gericht. Er soll im Zeitraum Juli 2014 bis September 2015 – in der Phase des Friedensprozesses zwischen kurdischer Bewegung und türkischem Staat – die PKK-Gebiete Berlin bzw. Bremen verantwortlich geleitet haben und für die Organisierung von Treffen, Veranstaltungen, Demonstrationen oder Geldsammlungen zuständig gewesen sein. In der Verhandlung am 13. Dezember werden der kurdische Abgeordnete der „Demokratischen Partei der Völker“ (HDP), Faysal Sariyildiz und Jan van Aken, Abgeordneter der Bundestagsfraktion DIE LINKE als Zeugen der Verteidigung aussagen: Faysal Sariyildiz befindet sich seit Erdoǧans Gegenputsch in der Bundesrepublik. In die Türkei kann er derzeit nicht zurückkehren angesichts der Gefahr, bei einer Einreise festgenommen zu werden. Beide Parlamentarier werden über die Entwicklungen des Ende 2012 begonnenen Prozesses der politischen Lösungsfindung im türkisch-kurdischen Konflikt, die von Erdoǧan aufgekündigten Verhandlungsgespräche im Juli 2015 und über die aktuelle Situation in der Türkei bzw. in den kurdischen Gebieten im Südosten des Landes berichten.
Die Verhandlung am 13. Dezember beginnt um 9.00 Uhr in Raum 701, Kammergericht Berlin-Moabit, Haupteingang Turmstraße 91.
Diese Pressemitteilung haben wir von freiheit.blackblogs.org übernommen.