Rassistische Türpolitiken – 06.12.2017

Amtsgericht Tiergarten
1. Verhandlungstag 06.12.2017 09:00 Uhr

Anwesende:

  • Richterin (weiß)
  • Staatsanwalt (weiß)
  • Angeklagter (PoC)
  • Verteidiger (weiß)
  • Protokollantin (weiß)
  • 1. Zeuge „Türsteher“ (weiß)
  • 2. Zeuge, „R.“ Polizist (weiß)
  • 3. Zeuge, „B.“ Polizist (weiß)
  • 4. Zeuge, „M.“ Polizist (weiß)
  • 5. Zeuge, „W.“ Polizist (weiß)
  • 6. Zeuge, „E.“ (PoC)
  • Dolmetscherin für Arabisch (PoC)
  • 3-4 Zuschauer_innen von Justiz_Watch (weiß)

Prozessverlauf:

Der Prozess beginnt ein wenig unruhig: zunächst gibt es eine kurze Diskussion zwischen Richterin und Verteidigung, wo die Dolmetscherin am besten sitzen sollte. Dann werden alle Zeugen in den Saal gerufen und stehend belehrt. Ein Zeuge ist nicht erschienen, einer noch nicht da. Die Richterin erlässt Ordnungsgeld gegen ersteren Zeugen. Die Richterin stellt fest, dass Öffentlichkeit da ist und belehrt, dass mitschreiben erlaubt sei, nicht jedoch Video- oder Audio-Aufnahmen.

Nachdem die Zeugen den Saal wieder verlassen haben, stellt die Richterin die Personalien des Angeklagten fest (dieser wurde 1983 geboren und hat die libysche Staatsangehörigkeit).

Der Staatsanwalt verliest den Strafbefehl: Der Angeklagte habe den Türsteher vor dem besagten Club mit einem gefährlichen Werkzeug verletzt. Er habe ihn mit Steinen beworfen. Der Türsteher habe eine Prellung des Brustkorbs erlitten.

Gegen den Strafbefehl wurde Einspruch eingelegt.

Die Richterin belehrt nun den Angeklagten. Dieser möchte, dass der Verteidiger eine Erklärung für ihn verliest.

Erklärung des Angeklagten:

Im besagten Club habe ein Bekannter von ihm gearbeitet. Er und ein Freund hätten diesen ab und zu unter der Woche bei seiner Arbeit besucht und dort zusammen Zeit verbracht. An den Wochenenden jedoch, wenn schon viele weiße Kund_innen im Club gewesen seien, habe der Türsteher ihnen ausrichten lassen, dass sie nicht zum Klientel passen würden. Dies sei auch an besagtem Abend der Fall gewesen. Der Angeklagte und sein Begleiter seien deshalb sauer gewesen und hätten sich beschwert. Daraufhin habe der Türstehen ihn ins Gesicht geschlagen.

[…]

Die Behauptung, er habe Steine geworfen, sei eine Lüge. Der Türsteher habe mit seiner Body-Cam Aufnahmen von dem Geschehen gemacht. Er – der Angeklagte – habe gefordert, dass diese als Beweismittel ins Verfahren eingeführt werden. Die Tatsache, dass dies nicht passiert sei [Anm.: vergleiche dazu das Protokoll von der Verhandlung am 08.07.2016], würde den Türsteher als Lügner überführen.

Die Richterin hat zu dem Zeitpunkt keine Fragen, sagt aber, sie wisse auch gar nicht, ob der Angeklagte diese beantworten würde. Der Staatsanwalt hätte Fragen, der Verteidiger lässt jedoch mitteilen, dass sein Mandant zu dem Zeitpunkt keine Fragen beantworten wolle.

Die Richterin merkt an, dass das Video-Material inzwischen vorliege. Die vorgeworfene Straftat sei darauf nicht zu sehen.

Der Verteidiger beantragt seine Beiordnung, da sein Mandant Analphabet sei und sich in dieser Aussage gegen Aussage-Situation nicht selbst verteidigen könne. Die Richterin reagiert genervt auf den Antrag, stellt fest, dies hätte auch schon vor Prozesseröffnung passieren können. Der Staatsanwalt plädiert dafür, den Antrag abzulehnen, seiner Ansicht nach reiche Analphabetentum nicht aus um auszuschließen, dass sich der Angeklagte auch selbst verteidigen könne. Die Richterin beschließt sodann die Beiordnung.

Befragung des ersten Zeugen [im folgenden „Türsteher“ genannt]

Der erste Zeuge wird aufgerufen und mit ihm auch der Zeuge, der zu Beginn noch nicht da war [Zeuge 4]. Letzterer reagiert nicht auf den Aufruf. Daraufhin geht die Richterin – sichtlich genervt – aus dem Saal um diesem persönlich zu holen. Die Zeugen werden (erneut) belehrt. Der Türsteher-Zeuge bleibt für die Befragung im Saal, der andere verlässt ihn wieder.

Der Türsteher fragt, ob die „Damen“ auf den Zuschauer_innen-Bänken von der Presse seien. Die Richterin klärt ihn über das Prinzip von Öffentlichkeit auf. Der Türsteher sagt, er habe etwas dagegen, dass mitgeschrieben werde, denn gegen ihn laufe eine Kampagne, die von der Antifa, dem Anwalt und dem Angeklagten gesteuert sei. Er habe Sorge, dass seine Adresse und Personalien veröffentlicht würden. Die Richterin klärt ihn erneut auf, dass Mitschreiben durchaus erlaubt sei. Wenn gegen ihn Verleumdungen laufen würden, könne er zivilrechtlich dagegen vorgehen. Der Türsteher setzt erneut an zu protestieren, wird aber von der Richterin unterbrochen: Sie wolle nicht weiter darüber diskutieren.

Die Richterin fragt nun die Personalien ab. Der Türsteher ist 49 Jahre und wohnt in Berlin. Er gibt an, er sei „Elitesoldat, also gelernter Soldat“, arbeite aber derzeit als Busfahrer bei der BVG.

Die Richterin klärt den Türsteher auf, dass gegen ihn wegen des Vorfalls auch ein Verfahren gelaufen sei, dieses sei aber eingestellt worden, weil kein hinreichender Tatverdacht gegen den Türsteher vorgelegen habe. Da es sich jedoch um eine vorläufige Einstellung handele, müsse er nichts sagen, was ihn selbst belaste. Dann bittet die Richterin den Zeugen zu berichten, woran er sich bezüglich des Vorfalls erinnere.

Der Türsteher gibt an, er habe drei Jahre und neun Monate als Türsteher bei besagtem Club gearbeitet. Der Angeklagte sei ab Sommer 2015 häufig „mit mehreren Kameraden“ vorbeigekommen und habe Zutritt verlangt. Er – der Türsteher – habe von dem Betreiber des Clubs die Anweisung gehabt zu „selektieren“ und gegebenenfalls nach der „Clubkarte“ zu fragen. Der Club werde von Homosexuellen betrieben und habe internationale Gäste. Er habe die Kunden dementsprechend mischen sollen. Er habe daher dem Angeklagten zu verstehen gegeben, dass er nicht in den Club komme. Er habe ihm weiterhin geraten, über Facebook eine Clubkarte zu beantragen. Der Angeklagte und dessen Begleiter hätten versucht, ihn durch ihre „Präsenz“ einzuschüchtern.

Er sei der erste Türsteher, der mit einer Body-Cam arbeite, die nicht manipulierbar sei. [Die Richtern, der Staatsanwalt und der Verteidiger machen sich viele Notizen, während der Zeuge berichtet.]

An einem Abend im Oktober sei es dann zu dem Vorfall gekommen, das Ganze sei eskaliert: vier bis fünf „junge Männer, brutal aussehend, alkoholisiert, unter Drogeneinfluss“ seien auf ihn zugekommen. Er habe daher die Body-Cam eingeschaltet. Der Angeklagte habe sich dann zurückgezogen und sei dann ganz plötzlich „ausgeflippt“. Dieser sei zu einer nahe gelegenen Baustelle gelaufen und habe ihn mit einem Stein beworfen. Er habe „einen kleinen Bordstein“ abbekommen, dieser habe ihn auf seiner Schutzweste getroffen. Zu dem Zeitpunkt sei seine Body-Cam aus gewesen, denn er habe gedacht, die Situation sei deeskaliert. Nach dem Wurf habe er die Body-Cam wieder eingeschaltet. Andere Gäste hätten ihm „de Rücken freigehalten“. Er habe eine Meniskusverletzung gehabt und das hätten „die Männer“ [der Angeklagte und seine Freunde] gewusst.

Er habe eine andere Person aufgefordert die Polizei von Abschnitt 34 zu rufen. Er selbst habe das nicht machen wollen, denn er habe schlechte Erfahrungen mit diesem Abschnitt gemacht. Der Angeklagte habe ihm in der Zwischenzeit damit gedroht, ihm den Hals abzuschneiden. Die Polizei sei dann gekommen. Der Angeklagte habe noch weiter randaliert. Ein Polizeibeamter – der Türsteher glaubt, er sei „türkischer Herkunft“ gewesen – habe ihn dann zur Seite genommen. […]

Er – der Türsteher – habe dann Anzeige wegen gefährlicher Körperverletzung erstattet. Außerdem habe er seine Videoaufzeichnungen bei der Polizei abgegeben.

Nach dem Vorfall sei der Angeklagte noch bis in den Dezember hinein mehrfach wieder gekommen. Im März 2016 habe er, der Zeuge, dann als Türsteher gekündigt. 2016 sei das Verfahren schon einmal verhandelt worden. Dort seien dann „Leute von der Antifa und der K-O-P“ gekommen sowie die Presse und hätten einen Rassismusvorwurf gegen ihn verbreitet. Dies hätten sie zuvor schon über Facebook getan. In der Folge habe er ein Gespräch mit dem Betreiber gehabt, seine Videos abgegeben und den Vorwurf aufgeklärt.

Die Richterin hält dem Türsteher die Darstellung des Angeklagten vor: Sehr viele weiße Gäste seien reingelassen worden. Der Angeklagte und seine Freunde seien sauer geworden. Der Türsteher habe den Angeklagten ins Gesicht geschlagen. Der Türsteher bestreitet dies: „Sie können das ja auf den Aufnahmen hören, ich war völlig deeskalierend“

Auf Nachfrage durch die Richterin bestreitet der Türsteher, dass er nur weiße Personen in den Club lassen würde. Es seien stets „genug ausländische Mitbürger“ da, auch „Schwarze, Lesben und Schwule“. Er habe 25 Jahre an der Tür gearbeitet, auch „im Milieu“. Außerdem habe auch schon für Internationale Firmen gearbeitet.

Die Richterin unterbricht die Ausführungen des Türstehers und fragt, warum er die Kamera zwischenzeitlich ausgeschaltet habe. Der Türsteher sagt etwas über seine Spezialweste. Die Richterin fragt erneut, warum die Kamera irgendwann aus gewesen sei. Die Stimmung sei doch aufgeheizt gewesen. Der Türsteher antwortet, der Angeklagte habe auf ihn zu diesem Zeitpunkt einen „normalen“ Eindruck gemacht. Er sei ganz plötzlich „ausgerastet“. Zudem habe das LKA ihm Anweisung gegeben, nicht permanent die Straße zu filmen.

Die Richterin fragt nach der genauen Position der einzelnen Personen. Der Zeuge betont, der Angeklagte sei der Aggressor gewesen. Seine Begleiter hätten versucht ihn zurückzuhalten. Er setzt an, die Situation weiter umfangreich zu beschreiben, woraufhin die Richterin aufstöhnt und sich an den Kopf fasst: sie habe ja viele Fragen aber er, der Zeuge, rede auch so viel.

Daraufhin stellt die Richterin genauere Fragen zum Ablauf des Geschehens [offenbar um den Zeugen auf kurze Antworten festzulegen]. Anschließend fragt sie nach Details des Steinwurfs. Der Zeuge gibt an, der Stein sei aus fünf bis zehn Metern Entfernung geworfen worden. Es habe sich um einen kleinen Pflasterstein gehandelt. Dieser habe ihn in Brusthöhe getroffen. Die Richterin fragt, wo der Stein nach dem Wurf abgeblieben sei. Der Zeuge entgegnet, das könne er nicht mehr sagen, das sei für ihn auch nebensächlich gewesen.

Die Richterin fragt nach Verletzungen. Der Türsteher verneint, er habe schließlich eine Schutzweste getragen, die habe den Stoß abgedämpft.

Die Richterin fragt, ob der Stein „hoch oder tief“ geworfen wurde, der Zeuge gibt an, er sei gezielt gegen den Kopf geworfen worden, denn der Angeklagte habe gewusst, dass er, der Türsteher, stets mit Schutzweste und Teleskopstock ausgerüstet gewesen sei.

Das Fragerecht geht nun an die Staatsanwaltschaft:

Der Staatsanwalt bezieht sich auf die Erklärung des Angeklagten, dieser habe eine blutende Wange gehabt und fragt, ob der Zeuge dies wahrgenommen habe. Der Zeuge gibt an, kein Blut gesehen zu haben und merkt an: „wenn ich mit meinen 150 kg zuschlage, dann steht der mit seinen 70 kg nicht mehr auf“. Er habe zudem zum Tatzeitpunkt einen Kreuzbandriss gehabt, deswegen habe er sich gar nicht wehren können. [Der Zeuge trägt am Tag der Verhandlung über seiner Hose eine Art Schiene am Knie.]

Das Fragerecht geht an die Verteidigung:

Der Verteidiger fragt zunächst, ob der Türsteher den Zeugen Herrn T. kenne, der an diesem Verhandlungstag nicht erschienen sei. Der Türsteher antwortet, Herr T. sei ein Stammgast, er kenne ihn aber nicht näher. Der Verteidiger fragt, ob dem Türsteher bekannt sei, dass der Angeklagte unter der Woche in besagten Club rein gedurft habe. Der Türsteher bejaht dies, aber am Wochenende hätten sie nicht gedurft. Der Verteidiger fragt dann nach den Anweisungen durch den Betreiber. Der Zeuge antwortet, er habe selektieren sollen „wie es passt“, auch nach Alkohol- und Drogen-Einfluss. Beispielsweise habe er die Anweisung gehabt, junge alkoholisierte Männergruppe nicht in den Club zu lassen. Der Verteidiger frag, ob er die Anweisung gehabt habe „unbekannte Ausländer“ nicht reinzulassen. Der Zeuge verneint. Der Verteidiger fragt, ob der Türsteher mal so etwas habe verlauten lassen. Der Zeuge räumt ein, er habe „möglicherweise“ mal gesagt, dass „unbekannte Ausländer“ nicht rein könnten. Der Verteidiger hakt nach: Ob er sowas auch zu seinem Mandanten gesagt habe? Zeuge: „kann sein…“ er wisse es nicht. Er habe gesagt, dass der Angeklagte und sein Begleiter kriminell aussähen. Der Verteidiger hakt nach, daraufhin ergänzt der Zeuge: das ganze Auftreten habe so gewirkt, sie seien alkoholisiert gewesen, einer habe ein „Narbengesicht“ gehabt. Der Verteidiger fragt, ob im Club auch Alkohol ausgeschenkt werde, was der Zeuge bejaht. [längere Stille] Der Zeuge setzt nach, die Einschüchterung durch den Angeklagten sei ja schon länger gelaufen. Das sei das Übliche, „wenn man als Deutscher allein“ arbeite.

Der Verteidiger hakt bei der Selbstbezeichnung als „Deutscher“ ein und fragt, ob der Zeuge sich auch schon mal als „Germane“ bezeichnet habe. Der Zeuge bejaht, er habe das gesagt, weil er als „Türke“ bezeichnet worden sei. Der Verteidiger fragt, ob der Türsteher die Bezeichnung „Türke“ als Beleidigung empfunden habe. Der Zeuge bejaht. Dann fügt er noch hinzu, dass er allerdings früher in der Fremdenlegion gedient habe. Da seien Menschen aus 160 Nationen vertreten.

Der Verteidiger fragt nun nach Details zum Ablauf der Geschehnisse […]. Da die Ausführungen des Zeugen ziemlich wirr sind, schlägt die Richterin vor, dass dieser eine Skizze am Richter_innen-Pult anfertigt. Dort werden auch Fotos von der Baustelle gegenüber des Clubs in Augenschein genommen [Anm.: beides ist von den Zuschauer_innen-Bänken nicht zu sehen]. Der Verteidiger fragt, warum der Türsteher nicht selbst die Polizei habe rufen wollen. Der Zeuge gibt an, er habe schon 17 Strafanzeigen in zwei Jahren bekommen. 95 % seien von „Menschen mit Migrationshintergrund“ getätigt worden. Deshalb habe er angefangen mit Body-Cam zu arbeiten, diese sei ein „neutraler Zeuge“. Die Boy-Cam sei der Polizei jedoch ein Dorn im Auge gewesen. Der Türsteher betont weiterhin, alle Verfahren gegen ihn seien eingestellt worden.

Der Verteidiger merkt an, es sei auffällig, dass genau die fünf Minuten an Videoaufnahme fehlten, in der die Tat passiert sein solle. Der Türsteher gibt an, das LKA habe ihn angewiesen, nicht permanent zu filmen, sondern nur bei Eskalation.

[…]

Der Verteidiger fragt, ob der Türsteher sich die Videos zur Vorbereitung noch einmal angeschaut habe. Der Türsteher verneint dies, sagt aber, er habe die Videos noch „in seinem Archiv“ gehabt. Die Richterin merkt an, dass der Zeuge das Video-Material schon vor dem ersten Verfahrens-Auftakt 2016 beim LKA eingereicht habe. Das Gericht habe beim LKA angefragt, dieses habe die Anfrage jedoch missverstanden und – anstatt das Video-Material an das Gericht zu schicken, dieses vernichtet. Deshalb habe das Gericht zunächst noch einmal beim Türsteher nach dem Material fragen müssen.

Der Verteidiger fragt nach Details, wer sich wie wohin bewegt habe. Der Türsteher sagt daraufhin, er habe sich nicht zu weit von der Tür wegbewegt, um nicht das Hausrecht zu verlieren. Wenn er von der Tür weggehe, mache er sich strafbar, weil er dann „wie ein normaler Fußgänger“ sei. Dann greife auch der Notwehrparagraf nicht. Der Verteidiger erwidert, er selbst gehe ja auch als normaler Fußgänger durch Straßen und mache sich dabei nicht strafbar. Er will wissen, ob der Türsteher glaube, dass aggressive Handlungen an der Tür von seinem Hausrecht umfasst seien. Der Türsteher verneint dies. Der Verteidiger lege ihm Worte in den Mund.

[…]

Der Verteidiger fragt dann, wie genau der Stein geworfen worden sei. Der Zeuge weicht meist aus oder gibt nur vage Antworten. Unter anderem sagt er, es könne sein, dass der Angeklagte nicht mit Absicht, sondern nur aus Wut geworfen habe. Der Verteidiger fragt, ob der Zeuge sich erinnern könne, mit welcher Hand der Angeklagte geworfen habe. Der Türsteher verneint dies.

[…]

Der Verteidiger fragt, welche arabischen Worte der Türsteher kenne. Dieser antwortet, das spiele keine Rolle. Der Verteidiger weist darauf hin, dass das der Zeuge nicht zu entscheiden habe. Der Zeuge gibt darauf an, das er Schimpfworte kenne und nennt eines – zunächst in arabisch dann die deutsche Übersetzung.

Der Verteidiger fragt nun genauer, ab wann der Türsteher seine Kamera angeschaltet habe und will außerdem wissen, warum der Zeuge heute nur von einem Steinwurf spreche, in einem Brief an die Polizei aber mehrere Steinwürfe genannt habe. Der Zeuge sagt, er wisse es nicht, aus heutiger Erinnerung sei nur ein Stein geworfen worden.

[…]

Der Verteidiger fragt, ob der Türsteher über den Vorfall mit seinem Chef gesprochen habe. Dieser bejaht. Er habe diesem mitgeteilt, das der Angeklagte über seinen Anwalt, „K-O-P“, die Antifa und die Presse streuen würden, dass der Club einen rassistischen Mitarbeiter habe. Das sei aber nach seiner Kündigung gewesen. Er habe von sich aus gekündigt, weil der Job immer härter geworden sei. Er habe einen Kreuzbandriss gehabt und seine Frau habe ihn dann gebeten, etwas anderes zu machen. Später habe er dann gekündigt .

[…].

Nun werden die drei Videos in Augenschein genommen. Es gibt ein technisches Problem – der Laptop der Richterin spielt keinen Ton ab. Es wird kurz hin und her diskutiert, ob man das Video einfach auf dem Laptop der Verteidigung schauen kann, wo der Ton funktioniert. Nachdem sich alle einverstanden erklären, wird das so gemacht.

Auf den Tonaufnahmen bezeichnet der Türsteher den Angeklagten und seine Begleitung als „kriminelle“, dann fällt von ihm die Aussage „Ihr seid unbekannte Ausländer, das ist Fakt“. Später wird der Türsteher gefragt, ob er „Türke“ sei. Er antwortet: „Ich? Seh‘ ich so aus oder was? Ich bin Germane“. Aus dem Hintergrund ist eine andere Person zu hören, die sagt, dass der Türsteher „ganz klar Arier“ sei.

Auf einem zweiten Video ist die Stimme des Türstehers zu hören, der zum Angeklagten sagt: „Die wollen dich hier nicht!“

[…]

Die Richterin fragt, ob es Fragen zu den Videos gebe. Der Verteidiger hat eine Frage zu der mittleren Sequenz. Darauf sei zu sehen, wie der Angeklagte an der Baustelle vorbei bis zur Potsdamer Straße, mindestens aber bis zu dem Dönerladen laufe. Der Türsteher behaupte aber, dass der Angeklagte von der Baustelle aus den Stein auf ihn geworfen habe. Er verweist darauf, dass man das auf dem Video nicht sehen könne. Der Zeuge sagt, da sei die Kamera eben ausgeschaltet gewesen. Der Angeklagte sei aggressiv gewesen. Der Verteidiger sagt, dass man sehen könne, dass der Angeklagte aggressiv gewesen sei. Das könne man ja auch verstehen, wenn man nur unter der Woche in den Club gelassen werde. Der Zeuge will widersprechen, der Verteidiger unterbricht ihn aber: darüber müsse man nicht streiten. Es geht noch eine Weile hin und her, dann fasst der Verteidiger zusammen: Die Behauptung des Türstehers, dass der Angeklagte von der Baustelle aus geworfen habe, passe nicht zu dem Video. Er fragt den Türsteher, wie er das erkläre. Weiterhin weist er den Türsteher daraufhin, dass dieser Prozess nur wegen seiner Aussage stattfinde. Das seien erhebliche Vorwürfe, die er dem Angeklagten mache. Der Verteidiger bitte ihn, das ernst zu nehmen. Der Zeuge reagiert gereizt und bezeichnet den Verteidiger als kleinkariert […]. Der Verteidiger sagt, dass der angebliche Wurf des Angeklagten von der Baustelle durch das Video widerlegt sei. Die Richterin interveniert: „plädieren können wir später“. Der Verteidiger entschuldigt sich, der Zeuge wird entlassen und bleibt als Zuschauer im Saal. Die Richterin weist ihn darauf hin, dass er – so er denn wolle – nun auch mitschreiben könne […]

Es wird eine kurze Pause eingelegt. Um 11 Uhr wird fortgesetzt.

Befragung Zeuge R., 31 Jahre, Polizeibeamter

Der Zeuge erscheint in zivil. Er war am mutmaßlichen Tatort im Einsatz, hat aber keinerlei Erinnerungen mehr an den Einsatz. Die Richterin entschuldigt sich, dass der Zeuge so lange habe warten müssen. Er – als Polizist – habe bestimmt „Besseres“ zu tun.

Befragung Zeuge B., 44 Jahre, Polizeibeamter

Auch dieser Zeuge erscheint in Zivil und war am mutmaßlichen Tatort im Einsatz. Er habe sich nochmal eingelesen, aber der Vorfall sei sehr lange her, daher habe er wenig eigene Erinnerungen. Er sei an dem Angeklagten „dran“ gewesen, mit dem Türsteher habe er nichts zu tun gehabt. An (eventuelle) Verletzungen könne er sich nicht erinnern.

Der Verteidiger fragt ihn, ob – wenn es die Aussage gebe, es habe ein Steinwurf stattgefunden – der fragliche Stein gesichert würde. Der Zeuge bejaht, das sei ja ein Tatmittel, das würde er immer so machen. Er habe aber an den konkreten Vorfall keine Erinnerungen mehr.

Auch hier entschuldigt sich die Richterin mit der Aussage, dass die Berliner Polizei sehr viel zu tun habe. Zeuge B bestätigt dies und lädt alle ein, mal einen Abend mit auf Streife zu kommen.

Befragung Zeuge M., 26 Jahre, Polizeibeamter

Zeuge M. kommt in zivil, er sagt aus, noch grobe Erinnerungen an den Vorfall zu haben. Es sei um irgendetwas gegangen, wo Steine geworfen sein sollen, sie hätten aber in dem Umkreis des mutmaßlichen Tatorts keine Steine finden können.

[…]

Befragung Zeuge W., 49 Jahre, Polizeibeamter

Zeuge W. erscheint in Uniform. Er sagt, er habe noch Erinnerungen zum Vorfall gehabt, aber zur Vorbereitung auch die Strafanzeige nochmal gelesen. Er beschreibt die Situation so: es sei nicht klar gewesen, wer von den Anwesenden Personen die Polizei gerufen habe. Sie hätten zunächst mit dem Türsteher gesprochen. Der habe angegeben, dass es Streit gegeben habe und er dann mit Steinen beworfen worden sei. Der Angeklagte sei dann auf sie zugekommen und habe gesagt, dass er die Polizei gerufen habe. Auch der Angeklagte habe von einem Streit gesprochen und angegeben, geschlagen worden zu sein.

Er und seine Kollegen hätten am Tatort nach Steinen gesucht, aber keine gefunden. Der Angeklagte hingegen habe Blutanhaftungen um den Mund herum gehabt. Am Ort seien noch vier weitere Personen gewesen, sie hätten versucht deren Personalien aufzunehmen, dies sei aber wegen deren mangelnder Deutschkenntnisse nicht so einfach gewesen.

[…]

Befragung Zeuge E., 28 Jahre, Sprachschüler

[Anm.: die Aussage des Zeugen wird verdolmetscht]

Der Zeuge beschreibt, dass er an dem fraglichen Abend mit dem Angeklagten in den Club wollte. Sie seien aber vom Türsteher abgewiesen worden. Darüber habe es eine verbale Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und dem Türsteher gegeben. Nach dieser Auseinandersetzung sei der Angeklagte von einem Sicherheitsmann, der hinter dem Türsteher gestanden habe, ins Gesicht geschlagen worden. Der Angeklagte habe dann versucht in einen nahegelegenen Spätkauf zu fliehen, da seien zwei oder drei Sicherheitsleute gekommen, seien hinter dem Angeklagten hergelaufen und hätten ihn geschlagen. Der Angeklagte habe dann die Polizei gerufen.

Zeuge E. sagt, er habe der Polizei geschildert, was er gesehen habe.

[…]

Die Richterin sagt, seine Aussage sei nicht in den Akten. Der Zeuge wiederholt, er habe vor Ort eine Aussage bei der Polizei gemacht.

[…]

Der Staatsanwalt fragt, ob der Angeklagte Verletzungen gehabt habe. Der Zeuge bejaht dies. Er habe Blut im Gesicht gehabt, die Polizeibeamten hätten das auch gesehen. Man habe dann Wasser gekauft, um das Blut abzuwaschen.

Der Verteidiger vergewissert sich, ob er es richtig verstanden habe, dass die erste Person, mit der der Angeklagte gesprochen habe, diesen nicht geschlagen habe. Der Zeuge bestätigt dies. Der Verteidiger hakt nach, ob dieses erste Gespräch mit einer Person mit Mütze gewesen sei. Die Richtern mischt sich ein: der Verteidiger frage suggestiv. Daraufhin zeigt der Verteidiger dem Zeugen das Video. Dieser identifiziert die einzelnen Personen, hat aber keine genaue Erinnerung mehr, wie die Person, die geschlagen hat, aussah und kann sie deshalb nicht identifizieren.

Auf Nachfrage durch die Verteidigung verneint der Zeuge, einen Steinwurf gesehen zu haben. Auf weitere Nachfrage des Verteidigers betont der Zeuge noch einmal, er sei sicher, dass er zehn Minuten von einer Beamtin auf Englisch befragt worden sei.

Abschließend bedankt sich der Verteidiger bei dem Zeugen dafür, dass dieser aus Leipzig gekommen ist. Die Richterin sagt, sie sei ganz stolz, dass sie den Zeugen gefunden habe.

Da noch ein weiterer Zeuge [Herr T., der Stammgast] gehört werden soll, wird der Prozess am 20.12.2017 um 15:30 Uhr fortgesetzt. Der Verhandlungstag endet um 11:45 Uhr.