“Körperverletzung durch betrunkene Polizisten” II

Berufungsverfahren „Betrunkene Polizisten“ (Berufung vom 23.09.2014)

Zeit: 11.09.2015 9:20 – 13:45
Ort: Landgericht Tiergarten; Turmstraße 91, 10559 Berlin, Raum EG/220

Es handelt sich um eine Berufung in einer Strafsache gegen die Polizeibeamten P. und T.
Am 23.09.14 verurteilte das Amtsgericht Tiergarten P. und T. wegen gefährlicher Körperverletzung und versuchter Körperverletzung zu 150 Tagessätze à 50€. Die Angeklagten trugen die Kosten des Verfahrens.

Anwesende:
Vorsitzender Richter (R): R. Schnarrenberger (weiß)
Richterin:_ (weiß)
Verteidiger 1 für T (V1): R. Portius (weiß)
Verteidiger 2 für P (V2): P. Zuriel (weiß)
Nebenklagevertretung (NkV): M. Burkhardt (weiß)
Staatsanwalt (StA): _ (weiß)
Schöffe (Sch):_ (weiß)
Sachverständiger (SV): _ (weiß)
Justizbeamte (JB) (weiß)
Ca. 20 Zuhörer_innen / Davon min. 4 Zivilpolizisten (1. Reihe nebeneinander, auffällig uniformes Erscheinungsbild kurze Haare, breiter Oberkörper, weiß).

Zeug_innen:
Zeuge 1: B. (Schwarz)
Zeuge 2/ Nebenkläger: L.G. (Schwarz)
Zeug_innen 3,4,5 werden nicht mehr vernommen.

Vorfall (zitiert aus einer Pressemitteilung der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP))
LG sieht am Morgen des 02.09.2013 in der Nähe des Görlitzer Parks, wie ein Schwarzer Mann von zwei Weißen Männern verfolgt wird. Die beiden wollen ihn schlagen, der Schwarze Mann versucht, die Schläge abzuwehren. Mehrere Menschen mischen sich ein und rufen: „Hört auf! Das geht nicht…!“
LG geht dazwischen und bemüht sich, die Männer zu trennen, doch ohne Erfolg. Immer wieder versuchen die beiden Angreifer, den Schwarzen Mann zu treten und zu schlagen. Beide Angreifer strömen einen starken Alkoholgeruch aus. LG will den Schwarzen Mann und dann auch sich vor den Angreifern schützen, denn diese gehen nun auch auf ihn los. Nach einer Weile gelingt es, dem zuerst angegriffenen Mann, zu fliehen.
Mehrere Zeug_innen rufen LG zu, dass sie die Polizei alarmieren werden. Plötzlich zückt einer der Angreifer eine Polizeimarke und sagt: „Wir sind Polizisten!“. LG ist völlig schockiert. Er kann nicht glauben, dass die betrunkenen Männer Polizeibeamte sind. Die Schläge hören nicht auf. Einer der Angreifer will ihn verhaften. Erst als die Sirene eines Einsatzwagens zu hören ist, stoppen die Männer endlich. Vier Beamte kommen auf die Szene zu. Zwei Polizisten nehmen LG beiseite und kontrollieren seinen Ausweis, obwohl die Zeugen sofort rufen: „Nicht er! Er wollte nur dazwischen gehen!“. LG wird keine einzige Frage zum Vorfall/Ablauf gestellt. Als eine Polizistin den Ausweis von LG mit einer „deutschen Staatsangehörigkeit“ sieht, überprüft sie das bei der Zentrale. Im Vorbeigehen hört er noch, wie einer der Angreifer seinem Kollegen erzählt, er hätte sich mehrmals als Polizist zu erkennen gegeben. Als er das richtig stellen möchte, wird er weiter gezogen.Untitled-1 copyAbb.: Skizze des Gerichtssaals von oben, auf der die Positionen der Akteur_innen erkennbar sind.

Beginn der Verhandlung
R. informiert und belehrt allgemein, aber zur Zuhörer_innenschaft gerichtet, über die Rolle der Öffentlichkeit im Gericht. Er unterstreicht ihre Wichtigkeit als Kontrollinstanz, betont aber v.a. die Grenzen der Öffentlichkeit im Gericht und sagt, dass eine Störung in Form von Zwischenrufen o.ä. nicht gestattet ist und mit einem Ordnungsgeld geahndet werden kann. Zeug_innen könnten nämlich dadurch beeinflusst werden.
R. stellt Anwesenheit im Raum fest und fragt, ob der erste Zeuge schon da ist.
JB. Nennt den Namen des ersten Zeugen, wobei er den Vornamen als Nachnamen benutzt.
R. verliest Strafsache (s.o.) und Tathergang aus der Anklageschrift. Dabei wird mehrmals „Schwarzafrikaner“ als Beschreibung von Schwarzen Menschen benutzt.
R. erklärt die Möglichkeit der Angeklagten sich zu Äußern oder eine Aussage zu machen.

V1 verliest eine Erklärung von T.
T. habe mit seinem Kollegen P. am 1.9.13 eine Kneipentour gemacht, wobei sie „reichlich Bier und Schnaps“ getrunken hätten.
Eine Gruppe von „Schwarzafrikanern“ habe den Polizeibeamten Marihuana angeboten, woraufhin beide versucht hätten, die entsprechende Person zu stellen bzw. sie festzunehmen. Daraus habe sich eine Schlägerei entwickelt. Die beiden Polizeibeamten hätten versucht, eine Flucht des „Schwarzafrikaners“ zu verhindern. P. habe immer wieder gegen die Füße des Mannes getreten, damit dieser zu Boden gehe. Es hätten sich immer mehr „Schwarzafrikaner“ um sie herum versammelt, wobei einer von ihnen T. zurückgezogen habe. T. habe daraufhin „sinngemäß gerufen, dass wir Polizei sind, nicht um uns in den Dienst zu versetzen, sondern damit die von uns abließen.“ Er habe dann auch seine Dienstmarke vorgezeigt.
T. lässt über seinen Anwalt eine Entschuldigung verlesen. Dass es zu dieser Situation gekommen sei, in der Unschuldige angegriffen und verletzt wurden, könne er sich nur damit erklären, dass er zum Zeitpunkt des Vorfalls bereits 24 Stunden nicht mehr geschlafen habe und zudem stark alkoholisiert gewesen sei. Die Entschuldigung beinhaltet den Zusatz, dass auch T. „erhebliche Verletzungen“ davon getragen habe.

V2 verliest Erklärung von P.
P. schildert das Geschehen vom Tattag ähnlich wie sein Kollege T. Allerdings habe er sich zu keiner Zeit als Polizist zu erkennen gegeben und auch nicht mitbekommen, dass T. dies getan hätte. Seine „einzige Intention“ sei gewesen, „den Drogendealer festzuhalten“ und der Polizei zu übergeben. Er erklärt, dass es ihm sehr Leid täte.
Auch in seiner Einlassung wird der Begriff „Schwarzafrikaner“ verwendet und mit der Tätigkeit als „Drogendealer“ gleichgesetzt.

Beweisaufnahme
Zeuge B. wird in den Gerichtssaal gebeten.
R. erscheint sehr freundlich („Lassen Sie sich Zeit, legen Sie ihre Tasche ab…“). R. belehrt Zeugen über die Pflicht zu wahrheitsgemäßen Aussagen, stellt B.’s Personalien fest und erfragt seinen Beruf.
B. erklärt, er sei Berater bei „Reach Out“, einer Anlaufstelle für Opfer rassistischer, rechtsextremistischer und antisemitischer Gewalt.
R. fragt, ob er auch am Tattag vor Ort gewesen sei.
B. sagt, er sei nicht unmittelbar dabei gewesen, aber bei der Zeugenvernehmung von L.G.
R. fragt warum er L.G. zur Polizei begleitet habe.
B. erklärt, eine Aufgabe seiner Arbeit bei „Reach Out“ sei die Begleitung von Opfern rassistischer, rechtsextremistischer und antisemitischer Gewalt zu Polizei oder zum Arzt. Er betont die Wichtigkeit dieser Arbeit, da viele Menschen, die zu ihnen kämen, traumatisiert seien und daher Unterstützung benötigten. (Anm.: Im Verlauf der Vernehmung, nennt B. stets den vollständigen Titel von „Reach Out“. Dadurch wird der Satz „Opfer von rassistischer, rechtsextremistischer und antisemitischer Gewalt“ regelmäßig wiederholt)
Während B. befragt wird, studiert V2, mit dem Blatt für alle sichtbar direkt vor seinem Gesicht) einen Ausdruck einer Homepage-Seite der „Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt“ (KOP).
Die nächsten Fragen des Richters drehen sich darum, dass B. auch weitere Augenzeug_innen des Geschehens zur Polizei begleitet hatte. R erfragt, wie es zu dem Kontakt zwischen den Zeug_innen und Reach Out gekommen und über was gesprochen worden sei (Anm.: der Richter fragt hier sehr umfangreich und oft hintereinander sehr ähnlich gelagerte Fragen.)
B. Erklärt, dass eine Zeugin schon am Tag des Geschehens Kontakt aufgenommen hätte. Sie sei wegen der anstehenden Vernehmung bei der Polizei nervös gewesen und habe gewünscht, dass er sie begleite, denn Reach Out sei sehr bekannt für diese Arbeit. Die Zeug_innen hätten ihm das Gesehene geschildert und sie hätten besprochen, was davon als Straftat gewertet werden kann.
R. fragt, ob er dasselbe mit L.G. gemacht habe.
B. bejaht, dieser sei schließlich der Geschädigte gewesen. Sie hätten auch über sein Trauma geredet.
R. fragt, wie ein solches Beratungsgespräch ablaufe.
B.: „Ich höre zu, ich bewerte nicht.“ Erklärt, dass die Betroffenen erzählen wollen und das zum Heilungsprozess dazu gehöre.
R. „Was haben Sie noch unternommen?“
B. beschreibt, er habe nach möglichen Zeugen gesucht, z.B. Zettel am Tatort anbinden usw.
R. fragt, ob es eine Akte über den Vorfall gäbe.
B. sagt, dass er sich i.d.R. Notizen mache. Diese dienten ihm jedoch lediglich als Gedankenstütze.
R. fragt nach der Kampagne KOP (Kampagne für Oper rassistischer Polizeigewalt), bei der B. noch arbeite. (Anm. R. Nennt eine Abkürzung mit drei Buchstaben („P-O-K“)).
B. berichtigt die Abkürzung KOP und sagt, dass er KOP mitgegründet habe, aber das in seiner Freizeit mache.
R. berichtet, dass er auf der Internetseite von „K-O-P“ war und eine Chronik gefunden habe mit dem Titel „Akte Reach Out“. Fragt, wer diese Chronik verfasst.
B. sagt, dass KOP-Aktivist_innen sich regelmäßig treffen, um Berichte für den Blog zu schreiben.
R. fragt, ob B. dafür die oben genannten Notizen aus der Beratung benutze.
B. beschreibt, dass er meistens das von ihm in der Beratung Gehörte einer KOP-Aktivistin erzähle. Diese würde seinen Bericht dann verschriftlichen.
R. fragt, ob er in dem Gespräch mit Aktivist_innen zusammenfasse, was er in der Beratung gehört habe.
B. antwortet: „alles was wichtig ist“.
R. möchte wissen, ob B. keine Bedenken habe, dass dies Zeugen beeinflussen könne.
B. gibt an, dass er dahingehend keine Bedenken habe, denn von den Geschehnissen würde auch in Zeitungen und Radio berichtet.
R. sagt, dass sehr wohl auch Zeitungsberichte Zeugen beeinflussten und dass dies sehr problematisch für die Arbeit der Gerichte sei.
B. sagt, dass sei ihm bewusst, sei aber nun mal der „Gang der Dinge“
R. fasst zusammen: genau das sei das Problem. Nun müsse sich das Gericht damit befassen. Auch die Verteidiger hätten das thematisiert.
R. möchte wissen, ob B. mit „mehreren Zeugen über den gleichen Sachverhalt“ spreche. Er betont, dass es schwierig sei, wenn B. unterschiedliche Zeugen zum gleichen Tatgeschehen auch noch berate. Er meint, die verschiedenen Zeug_innen müssten auch von verschiedenen Mitarbeiter_innen beraten werden. Es sei auch schwierig, den Zeugenvernehmungen bei der Polizei beizuwohnen und dann in die Öffentlichkeit zu bringen.
B. sagt, dass „Reach Out“ eine Opferberatungsstelle sei. Aus personellen Gründen sei die vom Gericht vorgeschlagene Aufteilung der Zeug_innen unter den Berater_innen nicht möglich. Er bemerkt, er werde an den Senat (der Geldgeber von „Reach Out“) weitergeben, dass das Gericht den Vorschlag gemacht habe, mehr Berater_innen einzusetzen.
R. verliest einen Bericht von der Akte Reach Out von www.kop.de
R. erfragt, ob der Bericht von B. sei.
B.: „Ja.“
R. möchte daraufhin wissen, wo in diesem Fall B. meint rassistische Polizeigewalt zu erkennen.
B. erklärt, dass im allgemeinen Polizeibeamte im Görlitzer Park in erster Linie Schwarze Menschen verfolgen würden. Dadurch sei dieser Park zu einer „no go Area“ für Schwarze Menschen geworden. Dies sei auch in diesem Fall so gewesen und passe zum gesamten „Görlitzer-Park-Komplex“.
R. berichtigt, dass Polizeiangestellte kein Status, sondern ein Beruf sei. Die Angeklagten waren zur Tatzeit außer Dienst.
B. erwidert, er habe das anders verstanden. Seines Erachtens hätten sich die beiden Angeklagten als Polizisten zu erkennen gegeben.
Im Folgenden geht es um einen Teil im Bericht, bei dem die Ausweiskontrolle von L.G. kritisiert wird.
R. sagt, dass im Bericht steht, dass auch die Dienstnummern der Beamten aufgenommen wurden und fragt, warum im Bericht nicht stehe, dass die Angeklagten Polizeibeamten nach der Tat von der Polizei vernommen wurden.
B. antwortet, dass das nicht interessant sei. Die Vernehmung von Zeugen sei schließlich Aufgabe der Polizei. KOP wolle mit seiner Arbeit vielmehr auf Bürgerrechtsverletzungen hinweisen.
R. gibt zurück: „Wir müssen doch die Identität feststellen, wenn es zu so einen Vorfall kommt.“
B. sagt, dass er auch dt. Staatsbürger sei und sein Ausweis auch immer länger angeschaut werde.
Es gehe ihm darum, dass bei Schwarzen stets gründlicher kontrollierte werde als bei weißen.
R. fragt noch einmal, wann und wie der Kontakt zu den Zeuginnen aufgenommen wurde und wie sich dieser gestaltete.
B. erklärt den Kontakt im Vorfeld der Verhandlung.
R. fragt, wie der Kontakt mit L.G. zeitlich eingeordnet werden kann.
B. antwortet, er habe sich 4-5 Mal mit ihm getroffen.
R. fragt nach den Inhalten der Gespräche.
B. beschreibt, es sei um die Verarbeitung des Erlebten gegangen und dann um die Einschätzung was der Betroffene brauche (Therapie o.ä.)
R. hat keine weiteren Fragen.

Fragen durch Verteidigung und Sonstige an B.
V1. fragt nach dem Inhalt der Gespräche zwischen B. und L.G. nach der ersten Verhandlung.
B. L.G. habe sich gefragt, warum es zu dem Vorfall gekommen sei und warum er angegriffen wurde, denn er habe nichts getan.
V1. fragt, ob L.G. das Urteil bewertet habe.
B. bejaht, L.G. hätte das Urteil „nicht so gut“ gefunden „aber immerhin etwas.“ Er hätte sich damit zufrieden gegeben.
V1. weist darauf hin, dass L.G. das Urteil doch angefochten habe (sich somit nicht damit zufrieden gegeben hätte).
B. erwidert, dann habe er sich wohl um entschieden.
V1. kann sich die Arbeit von B. nicht richtig vorstellen. B sei keine juristisch ausgebildete Person und V1 frage sich, was B. seinen Klienten sage.
B. erklärt erneut die Aufgaben in der Beratungsstelle.
V1: fragt, ob die heutige Berufungsverhandlung auch Thema in B.´s ehrenamtlicher Tätigkeit bei KOP gewesen sei.
B. Ja, klar. Es sei bekannt geworden, dass die Polizeibeamten nicht zufrieden mit dem Urteil gewesen seien.
V1. fragt woher B wisse, dass die Polizeiangestellten Berufung eingelegt hätten.
B. gibt an, dass er wusste, dass die Polizeiangestellten nicht zufrieden mit dem Urteil gewesen waren. Zudem hätte L.G. ihm davon berichtet, dass es eine neue Verhandlung gäbe.
V1. Sagt, L.G. hätte ja auch Berufung eingelegt.
[unverständlich]
V1. fragt, was dann passiert sei.
B. sagt, dass eine PM über die Wiederaufnahme der Verhandlung geschrieben und diese dann auf der Internetseite veröffentlicht wurde.
V1. es sei auch dazu aufgerufen worden, der Verhandlung beizuwohnen.
B.: eine PM von KOP sei zugleich ein Aufruf.
V1.: „Journalistisch sauber ist das aber nicht. Aber Sie sind ja kein Journalist“
B. „Sauber oder nicht, das ist Ihre Entscheidung.“
V1 liest Solidaritätsaufruf aus dem Internet vor. Aus diesem geht hervor die Vermutung hervor, dass in der Verhandlung die Glaubwürdigkeit der Zeug_innen in Frage gestellt werden solle.
V1 fragt: „Wie kommen Sie zu der Bewertung?“
NkV. wirft ein, was denn an dieser Stelle genau die Frage sei.
B. antwortet, das sei seine Erfahrung aus 28 Jahren Arbeit.
V1. fragt was ARIBA e.V. (Anm.: Trägerverein von Reach Out) sei.
B. erklärt die Umstände und die Arbeitsverteilung.
V1. fragt, ob B. das trennen könne. Es gehe dabei um die „Rechtsform“.
NkV. wirft ein: „ich würde jetzt langsam gerne mal zum eigentlichen Sachverhalt kommen“
B. antwortet, er müsse das trennen. Es gehe auch oft um vertrauliche Informationen. Manche sollten nicht öffentlich gemacht werden. L.G. sei jedoch selbst an die Presse gegangen.
V1. möchte wissen, ob intime Gespräche öffentlich gemacht werden.
B.: „natürlich nicht.“
V1.: „…und die Entscheidung treffen Sie?“
B.: „natürlich, wer sonst?“
R. Verliest einen Aufruf von KOP den heutigen Prozess zu beobachten und fragt, ob dieser von B. verfasst worden sei.
B.: ausformuliert sei er von jemand anderen, aber er würde dort zitiert. Die Meinung im Aufruf werde von allen KOP-Aktivist_innen vertreten.
R. fragt, ob der Aufruf geschrieben wurde, bevor B. vom Richter als Zeuge geladen wurde.
B. bestätigt.
Sch.: „Bewerten sie Drogenhandeln als kriminelle Handlung?“
B. aus juristischer Sicht sei der Handel mit Drogen sicherlich als Straftat einzuordnen. Er selbst finde, dieses Thema sei weitaus Komplexer, als das Gesetz es vorsehe.
V2. fragt nach der Ausbildung von B.
B. „Historiker“
V2. fragt wiederholt, ob er keine Vorbildung habe als Psychologe oder Berater.
B. kein Studium, aber er habe Fortbildungen zu bestimmten Themen gemacht.
V2. weist B. daraufhin, dass er das Problem besser mal mit der anwesenden Nebenklagevertreterin besprechen sollte.
NkV. sagt, das habe nichts mit ihr zu tun und sie vertrete B. nicht.
[unverständlich]
V2. Sagt, dass B. besser alles erzählen solle, was im Vorfeld besprochen wurde.
Er solle es nicht falsch verstehen, V2 finde es gut, dass es „[…] Leute wie sie […]“ gäbe.
B. bedankt sich.
V2 habe den Eindruck gehabt, dass Zeugen diskreditiert worden wären.
[unverständliche Diskussion]
R entlässt den Zeugen und unterbricht die Verhandlung für 10 Minuten.

Pause ca. von 10:20 – 10:30

R. ruft Zeugen L.G. in den Saal.
R. stellt Personalien fest und belehrt den Zeugen.
Zeuge L.G. ist 35 Jahre alt, selbstständig, im Abriss tätig.

R. bittet L.G. erneut den Tathergang zu schildern. Ihm sei bewusst, dass er das schon einmal vor Gericht getan habe, jedoch hätte er selbst es noch nicht gehört.
L.G. erklärt sehr ausführlich und detailliert den Tathergang aus seiner Sicht.
R. dankt ihm für die Ausführlichkeit des Berichtes. Er fragt, ob L.G. gewusst habe, dass es sich bei den Angeklagten um Polizisten gehandelt habe („Hat er sich verhalten wie ein Polizist?“). Er fragt detailliert, wo L.G. und die Polizisten positioniert waren, was er gesehen hat, ob ihm selbst etwas geschehen sei. Er erkundigt sich auch, ob L.G. sich im Augenblick belastet fühle. Dieser verneint.
R. fragt nach Kontakt zu Zeuge B. und nach dem Inhalt der Gespräche zwischen B. und L.G.
Es werden Fotos vorgelegt, auf der der Tatort zu sehen ist. L.G. erkennt sich selber, kann aber auch nach einigen Minuten des Nachdenkens nicht genau rekonstruieren, zu welchem Zeitpunkt des Geschehens das Foto aufgenommen wurde.

Fragen durch Verteidigung und Sonstige an G.
Sch.: „Hatten Sie das Gefühl, Sie wurden wegen ihrer Hautfarbe angegriffen?“
L.G.: In der Situation habe er sich keine Gedanken darum gemacht. Es sei ganz allgemein „scheiße“ wenn „zwei Leute auf einen losgingen und niemand greift ein“.
Sch: „Haben andere Personen auch eingegriffen?“
L.G.: „Nein“
Sch: „sind Sie sich ganz sicher?“
L.G.: „Ja“
L.G. wolle auch noch etwas ganz grundsätzliches sagen. Nach dem Vorfall habe seine Freundin ihm einen BZ-Artikel mit dem Titel „zwei Drogendealer liefern sich Kampf mit der Polizei“ gezeigt. Darin sei er selbst als Drogendealer dargestellt worden. „Es gibt kein Wort, das meine Gefühle dazu beschreibt…das ist einfach Scheiße!“
V1: Woran haben sie festgemacht, dass die beiden Polizisten betrunken waren?
L.G.: „an ihrer Fahne und ihren Bewegungen.“
V1 hakt nach: „war einer betrunkener als der andere?“
L.G. verneint.
V1 stellt mehrere detaillierte Fragen. Alle drehen sich darum, ob; und wenn ja wann und wer sich als Polizist zu erkennen gegeben habe.
NkV. fragt, ob gegen L.G. auch ein Strafverfahren eingeleitet wurde.
L.G. bejaht, dieses sei jedoch eingestellt worden.
NkV: „hat Sie das belastet?“
L.G. „klar, das ist nicht schön… aber mir geht’s gut“
SV: „Wie war der Zustand des kleineren Polizisten bei der Verfolgung? Wie lange ist er hinter Ihnen her gelaufen?“
L.G. gibt an, dies sei nur eine kurze Strecke gewesen.
SV. bezieht sich auf eine Aussage von L.G. Er sei den Schlägen der Beamten gut ausgewichen. Fragt nach, war das weil seine Reaktionen so gut oder die der Angreifer so schlecht waren.
L.G. sagt, er sei einfach schneller gewesen. Er rauche und Trinke nicht.
SV. Fragt ob es am alkoholisierten Zustand gelegen habe, dass die Angreifer so langsam waren.
L.G. „das würde ich so nicht sagten.“
R. „Sie selbst trinken nicht. Haben sie denn Erfahrung mit Betrunkenen?“
L.G. sagt, er sehe jeden Tag Betrunkene und könne deren Geruch und Verhalten erkennen.
R. fragt, wie er den Betrunkenheitsgrad der Beiden Angeklagten einschätzen würde.
L.G. „die haben mich kaum Wahrgenommen“. Es sei keine Reaktion auf seine Ansprachen und keine adäquaten Antworten gekommen.
StA hat nun doch eine Frage, denn – so wörtlich – „das [die Befragung] war mir zu einseitig am Schluss“. Er geht darauf ein, dass die Polizisten zwar nicht auf L.G. reagiert, wohl aber untereinander adäquat kommuniziert hätten.
L.G. bestätigt das.

Nach dem es keine Fragen mehr an den Zeugen gibt, nimmt er auf der Bank der Nebenklage Platz.

R. sagt es gebe nun ein Problem. Er verliest eine Stellungnahme einer weiteren Zeugin. Diese stehe kurz vor der Entbindung und könne aus psychischen Gründen nicht an der Verhandlung teilnehmen. In ihrer Stellungnahme schreibt sie, dass sowohl der Vorfall selbst als auch die Atmosphäre im Gericht für sie zu belastend sei. Sie benennt dabei die vielen Polizeibeamte in zivil als auch die große Zahl an Justizbeamten als sehr bedrohlich.
V (1 oder 2?): schlägt eine Aussetzung der Verhandlung vor.
StA erwidert, es gebe noch genug andere Zeugen.
Es folgt eine Debatte zwischen den Prozessbeteiligten, ob das Verfahren auszusetzen sei oder nicht. Die Verteidigung plädiert für eine jetzige Beendigung des Verfahrens, die Staatsanwaltschaft und NkV lehnt dies ab. Im Laufe des Wortwechsels fällt von Seiten der Verteidigung die Formulierung „arabischer Intensivtäter“ [in Verbindung mit dem Nutzen der Zeug_innenaussage] Worauf die NkV interveniert.
R. führt die Blutwerte der Polizisten ein und das Ergebnis der Amtsärztlichen Untersuchung nach dem Vorfall. Danach wird die Sitzung für eine Stunde unterbrochen.

Anschließend einigen sich die Prozessbeteiligten ihre Berufungsanträge zurückzuziehen. Damit bleibt das Urteil der ersten Instanz in Kraft.

Eine Druckversion (pdf) des Protokolls gibt es hier.