Blauer Parka – Berufung – 2. Verhandlungstag

Prozessprotokoll vom 13.04.18
Landgericht Berlin, 11:00 Uhr, Raum 618, Turmstr. 91 10559 Berlin
Beginn der Verhandlung: 11:20 Uhr

Anwesende:

  • Richterin (Ri), Schöffin, Schöffin (weiß)
  • Staatsanwalt (StA) (weiß)
  • Der Angeklagte (A) (PoC)
  • Verteidiger (V) (weiß)
  • Dolmetscherin für Englisch (weiß)
  • Protokollantin (weiß)
  • 1 Justizbeamter (weiß)
  • 5 solidarische Prozessbeobachter (drei schwarz, zwei weiß)

Vorab: Es kommt zu einer Auseinandersetzung an der Pforte. Dem Angeklagten wurden durch die Ausländerbehörde die Ausweisdokumente abgenommen, deshalb besitzt er aktuell nur eine Fiktionsbescheinigung. Diese ist – ausweislich des Vermerks – kein Passersatzpapier. Die Pförtner verstehen dies nicht und Verzögern die Einlasskontrolle. Schließlich kommt ein Justizbeamter, der den Angeklagten persönlich zum Saal eskortiert.

Die Richterin eröffnet die Verhandlung und holt sogleich Zeugin R herein. Die Zeugin wird belehrt. Zeugin R ist 39, als Beruf Polizeibeamtin und kommt aus Recklinghausen [im Protokoll der ersten Instanz heißt die Zeugin Frau B].

Die Richterin fragt sie zu den Geschehnissen des 29.04.2017. Zeugin R. sagt aus, an dem Tag in Zivil mit Kollegen durch den Görlitzer Park gelaufen zu sein, bis 4-8 Menschen an ihr vorbeigerannt seien. Zuvor seien sie durch den Park spaziert und darüber amüsiert gewesen, wie offenkundig dort Drogengeschäfte stattfanden. […] Sie will gesehen haben, dass einer der weglaufenden Menschen ein Paket unter einen schwarzen VW-Kastenwagen geworfen hat. Zeugin Ho und sie haben dann unter dieses Auto geschaut und Zeuge Me sei der Person hinterhergerannt. Eine Passantin gab den Tipp, dass im Busch noch weitere Drogen verstaut seien.

Die Richterin stellt Fragen zur Situation. Sie will wissen, welchen Weg die flüchtenden Personen zurückgelegt haben. Zeugin R antwortet, das könne sie nicht sagen, es hätte sich hinter ihr abgespielt. Sie hätte nur eine Person im Blick gehabt, vielleicht war da auch eine zweite dabei. Die Richterin will wissen, ob sich Zeugin R daran erinnern könnte, ob nun eine oder zwei Personen da waren. R weiß es nicht genau, nur an die Person mit dem Blauen Parka könne sie sich erinnern. Es sei auffällig gewesen, da warmes Wetter war. Sie habe zu der Zeit hauptsächlich an ihre Eigensicherung gedacht, weniger an die Verfolgung einer Straftat. Mit blauem Parka habe Zeugin R „zu 100%“ nur eine Person gesehen. Die ältere Dame habe sie dann auf die Drogen im Busch hingewiesen, Zeugin R ist sich nicht mehr sicher, ob sie gesagt hat, „die haben“ oder „der da hat“ und dabei auf den Weglaufenden gedeutet hätte. [Anmerkung Prozessbeo: Es kann also keine eindeutige Verbindung zwischen den Drogen im Busch und dem A hergestellt werden.]

[…]

Die Richterin fragt, ob Drogen im Busch zerstreut waren. Zeugin R antwortet, die Drogen hätten nah beieinander gelegen, 3 bis 8 Tütchen. Genau weiß sie es nicht mehr, man solle doch gucken, was sie damals ausgesagt hat. [R wirkt jetzt schon gereizt]

Die Richterin blättert in der Akte und hält Zeugin R die Aussage von der ersten Hauptverhandlung vor. Zeugin R antwortet etwas Unverständliches. Die Richterin fragt nun, wie belebt die Straße damals war. R antwortet, sie hätte einen Tunnelblick gehabt und könne es nicht genau sagen. Viel los sei aber nicht gewesen.

Die Richterin fragt nach dem Kollegen, der hinterhergerannt sei. Wie genau sich das abgespielt hätte. Zeugin R meint, Kollege Me sei zügig hinterhergegangen bis der Verdächtige das Polizeiauto wahrgenommen hat. Danach sei der Verdächtige langsamer geworden und Zeuge Me ebenfalls. [Die Aussage ist wörtlich zu der von Zeugin Ho, die Geschwindigkeit sei „mehr so ein Joggen“ gewesen.]

Die Richterin fragt nach der Entfernung von ihr [oder Zeuge Me, unverständlich] zu dem Geschehen. Zeugin R kann dies nicht genau sagen, sie sei orientierungslos. Aber so 5-10 Meter ungefähr. Die Richterin fragt, ob sie von Anfang an so nah dran gewesen sei. Zeugin R sagt, dies sei zumindest bei der Verfolgung der Fall gewesen. „Das was ich mitbekommen habe war, dass er immer dran war“.

Die Richterin hält der Zeugin eine Skizze vor. Es folgt Inaugenscheinnahme. [Wortwechsel schwer verständlich, Zeugin R scheint orientierungslos] Die Parklücken seien im 90 Grad Winkel zum Gehweg gewesen, „relativ am Anfang“ und die Festnahmesituation sei an einer Kreuzung gewesen.

Der Verteidiger fragt, ob sie sich auf den heutigen Tag vorbereitet hätte. [Zeugin R reagiert aggressiv] Sie sagt an den Verteidiger gerichtet, dass hätte er sie schon letztes Mal gefragt. Nach den Erfahrungen hier würde sie sich zukünftig sicherlich absprechen. [Zeugin R ist sehr aufgebracht.] Es gäbe eine Dreier-Whatsapp-Gruppe mit ihr, Zeuge Me und Zeugin Ho. Zeugin Ho wollte sich vor diesem Termin (13.04.18) mit ihr Treffen um über den Prozess zu reden, insbesondere über den Verhandlungstermin am 11.04.18, sie hätte Zeugin Ho aber abgesagt. Zeuge Me hat mit ihr inhaltlich in der Whatsapp-Gruppe kommuniziert und über die abweichenden Wahrnehmungen der Gehwegseite gesprochen. Sie hätten sich alle drei darüber aufgeregt, dass man ihnen Absprachen vorwerfen würde. Auch, dass sie wieder nach Berlin kommen müssten, hätte sie aufgeregt. Zeuge Me und Zeugin R kennen sich aus einem Wahrnehmungslehrgang, beide hätten gemeinsam Kriminologie studiert. Zeuge Me hätte vorgeschlagen, dass sie sich absprechen sollten. Generell sei Zeugin Ho vom Typ anders als sie (als Zeugin R), sie sei ja deutlich strukturierter.

Die Verteidigung fragt sie über die Wegwerfsituation. R antwortet, sie hätte einen freien Blick auf die Fahrbahn gehabt und hätte stumpf auf die Person draufgeguckt. Sie meint, als Polizeibeamtin überkäme sie in diesen Situationen ein „Jagdfieber“. Mit den Kollegen hätte sie das Vorgehen nach dem Wegwerfen nicht mehr koordiniert.

Die Verteidigung fragt im Folgenden, wie viele Personen genau gerannt seien. Es entsteht ein Wortgefecht. Zeugin R kann nicht sagen, ob es 4 bis 8, 4 oder 8 oder auch 3 bis 9 gewesen sein könnten. Sie reagiert gereizt und verweist darauf, dass sie bereits in der vorigen Instanz dazu befragt worden sei.

„Das haben sich mich damals schon gefragt“, „Das nennt man selektive Wahrnehmung“, „Ich wiederhole mich“, „Fakt ist ja auch, dass das in der Freizeit war“.

[Prozessbeo: Zeugin H scheint hier grob zu verkennen, dass in der Berufungsinstanz ebenfalls der Sachverhalt aufgeklärt wird. Die Berufung unterscheidet sich von der Revision dadurch, dass das Ausgangsurteil nicht nur in rechtlicher, sondern auch in tatsächlicher Hinsicht überprüft wird, das Berufungsgericht also gegebenenfalls eine Beweisaufnahme wiederholen und eigene Tatsachenfeststellungen treffen muss]

Die Verteidigung weist die Zeugin darauf hin, dass nun ein anderes Gericht als in der 1. Instanz über die Sache entscheidet und hält ihr eine Google Maps Karte vor. Alle Beteiligten treten nach vorne.

[…]

Die Sitzung wird für 5 Minuten unterbrochen.

Fortsetzung. Der Verteidiger fragt Zeugin R, ob sie Drogen im Paket wahrgenommen hätte. R sagt, sie seien auf dem Beifahrersitz gelagert worden. Über Zeugin Str sagt sie: „Solche Polizisten haben wir in NRW nicht.“ Auf die Frage der Verteidigung, was sie genau damit meine, sagt sie, Zeugin Str sei total aufgetakelt gewesen.

Der Verteidiger fragt nach der Wurfbewegung. Zeugin R meint, auffälliger ginge es nicht. (…)

Zeugin R wird um 12:17 Uhr unvereidigt entlassen. Zeuge We kommt herein und wird belehrt. Er ist 24 aus Berlin und macht Kundenservice für den RBB. Es folgt eine Vernehmung zur Sache. Zeuge We, der zu dem Zeitpunkt ein Praktikum bei der Polizei absolvierte, sagt, sie seien wegen eines BtM-Drahtziehers zum Tatort gerufen worden, der u.a. rote Schuhe trug. Die Kollegen fanden ihn sogleich und rannten dem Flüchtenden durch den Park hinterher. Er sei mit Kollegen und dem Polizeibus um den Park zur anderen Seite gefahren. […] Dort sei dann die Festnahmeszene gewesen.

Die Richterin fragt, wie belebt die Umgebung gewesen sei. We sagt, nicht sehr belebt und übersichtlich.

Die Richterin fragt, ob er noch andere Personen als die Person mit dem Blauen Parka festgenommen wurde. Ja, es sei eine weitere Person mit Druckverschlusstütchen festgenommen worden. Die Richterin will wissen, ob er die Person und den Angeklagten mitbekommen hat. We bejaht dies, es seien 31 Stück Marihuana beschlagnahmt worden. Die Richterin fragt ihn weiter, ab welchem Zeitpunkt er dabei gewesen ist und ob nur ein Paket sichergestellt worden sei. Er antwortet, von Anfang an und ja, es sei ein Paket sichergestellt worden.

Der Verteidiger fragt We, wo er im Auto saß. Er sagt, hinten auf der linken Seite. We hat seine Ausbildung zum Polizisten abgebrochen, „ist nicht meins gewesen“. Der Verteidiger fragt, ob er Person Blauer Parka erst bei der Festnahme gesehen hat. We bejaht dies, erst bei der Festnahme. Bei We seien ein Mann und eine Frau gewesen. Kollege Ha saß vorne. Der Verteidiger fragt, wo die andere Person festgenommen wurde. We antwortet, die andere Person sei nicht festgenommen worden, lediglich die Personalien seien im Park festgestellt worden.

[…]

Zeuge We wird um 12:34 Uhr entlassen. Unterbrechung.

Die Verhandlung wird um 13:06 Uhr fortgeführt. Der nächste Zeuge scheint sich zu verspäten. Die Richterin verliest stattdessen einige Urkunden. Der Justizbeamte beobachtet mich und den anderen schwarzen Prozessbeobachter den ganzen Verhandlungstag über, ab jetzt ist es etwas unangenehm.

  1. Strafanzeige vom 09. Mai 2017: 31 Druckverschlusstüten und 128 Gramm Marihuana
  2. Verlesung des Behördengutachtens gem. § 256 StPO: 11,3% THC entsprechen 12,27 Gramm THC. Die Richterin verhaspelt sich bei der Aussprache des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC).
  3. Gewinnnachweis von Tipico-Wettbüro vom 22.04 um 23:29 Uhr. Gewinnauszahlung von 130,24€ am 23.04.

Die Richterin fragt die Verteidigung, ob zum jetzigen Zeitpunkt Fragen zur Sache und Fragen über die persönlichen Verhältnisse beantwortet werden. Die Verteidigung verweist auf die Einlassung des Angeklagten und bejaht die Frage nach den persönlichen Verhältnissen.

Der Angeklagte erzählt. Er sagt, er hätte nie irgendetwas anstellen wollen. Er wollte zur Schule gehen und eine Ausbildung machen. Dies sei aber sehr schwer gewesen, nichts wurde vom Amt bezahlt. Sein erstes Problem war, dass der Vorfall von Dezember 2016, wegen dem er bis März 2017 in Haft saß und danach auf Bewährung entlassen wurde. Seitdem wollte er sich unbedingt an alle Gesetze halten, hätte auch versucht, jeden Verstoß zu vermeiden und generell wollte er absolut gesetzestreu sein.

Ab September 2017 sollte die Schule beginnen. Dort wurde er an die Refugee Law Clinic Berlin verwiesen, dort wurde ihm gesagt, er müsse den Asylantrag erneut stellen [Verteidiger ergänzt, es handele sich um einen Wiederaufnahmeantrag]

In der Folge musste er zurück in die Erstaufnahmeeinrichtung. Er hat sich sehr auf die Schule gefreut und betont erneut, dass er gesetzestreu sein wollte. Er betont, dass es ihm schwerfalle, darüber zu reden.

Der Angeklagte sackt zusammen und fängt an zu weinen. Die Richterin fragt ihn, ob er unterbrechen möchte. Dies lehnt er ab. An den Verteidiger gerichtet fragt sie, ob er – der Verteidiger – weitermachen könne. Währenddessen ist das Weinen des Angeklagten deutlich zu vernehmen. Er sitzt zusammengekauert in gebückter Haltung neben der Dolmetscherin, die versucht simultan zu übersetzen und ihn trösten will.

Der Verteidiger erläutert derweil weiter, bis die Beteiligten entscheiden, aufgrund des Weinens des Angeklagten die Sitzung kurz zu unterbrechen.

Die Verhandlung wird um 13:30 Uhr unterbrochen. Sie wird um 13:35 Uhr fortgesetzt.

Der Verteidiger fährt fort. Der Angeklagte ist geboren in Guinea-Bissau. Mit zehn Jahren kam er nach Gambia und arbeitete dort auf dem Bau. Einige Zeit später migrierte er nach Libyen und war dort ebenfalls arbeitstätig, bis der Krieg ausbrach. 2013 kam er über Italien nach Deutschland und stellte einen Asylantrag. Dieser wurde jahrelang nicht bearbeitet, bis es 2016 einen Anhörungstermin gab. Diesen Anhörungstermin konnte er nicht wahrnehmen, weil die StA in dem damaligen Verfahren einen Haftbefehl erwirkt und vollstreckt hatte. Diese Haft beruhte auf einem Missverständnis: RA D. hatte mit der Staatsanwaltschaft vereinbart, dass sie ihm (dem RA) Bescheid sagen sollen, wenn es mit dem Verfahren weiterginge. Der Angeklagte musste nämlich nach [Stadt in Sachsen-Anhalt] in die Erstaufnahmeeinrichtung und war deshalb aus Berlin verzogen. In der Zwischenzeit gab es einen Wechsel im StA-Personal, die von der Vereinbarung nichts wusste und annahm, der Angeklagte sei geflohen und sogleich den Haftbefehl ausstellte.

Eine Klage vor dem Verwaltungsgericht war nicht erfolgreich. VG Berlin hält die Versäumnis der Asylanhörung für selbstverschuldet. In der Zwischenzeit hätte der Angeklagte keinerlei legale Arbeitsmöglichkeiten gehabt. Nach der Haftentlassung nach 6 Monaten sei er dann sofort am ersten Tag in die Schule gegangen. Jeden Tag in der Woche seitdem sei er dort hingegangen. Es bestünde eine realistische Perspektive für einen Ausbildungsplatz.

Der Angeklagte bestätigt die Aussagen des RA und führt weiter aus, dass die Schule jeden Tag von 8:30 bis 15 Uhr gehe. Er betont erneut, dass er sich an alle Vorschriften halten wolle, er hätte sogar sein Handy verkauft, damit er sich eine Fahrkarte kaufen könne. Er wollte nie irgendeine „Peinlichkeit“ begehen.

Die Richterin will nun den Auszug aus dem Bundeszentralregister sowie die Vorstrafen vorlesen:

22.02.2016: AG Tiergarten Strafbefehl wegen Besitzes von BtM, 10 Tagessätze à 10 Euro = 100 Euro

  • 1,018 Gramm Marihuana
  • [Prozessbeo: Angeklagter schilderte uns den Vorfall. Er wurde nach einem Konzert im Yaam unvermittelt von der Polizei angehalten und gefragt, ob er etwas dabei habe. Dies bejahte er, und wurde festgenommen -> Racial Profiling]

Dezember 2016: AG Tiergarten Strafbefehl wegen unerlaubten Handeltreibens, 9 Monate Bewährung

  • 91,3 Gramm Marihuana und Eppendorf-Gefäße (genaue Menge nicht notiert) Amphetamine

Der Verteidiger überreicht die Teilnahmebestätigung der Schule, die von der Richterin vorgelesen wird.

Die Richterin will nun die Beweisaufnahme schließen, der Verteidiger will noch zwei Beweisanträge und einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens stellen.

Es wird ein Aktenvermerk vorgelesen, aus dem Hervorgeht, dass die Beweismittel (Tütchen) vernichtet worden sind.

  1. Antrag auf Einstellung wegen mutwilliger Vernichtung von Beweismitteln: Die Beweismittel seien vom LKA vernichtet worden ohne Fingerabdrücke von den Gegenständen zu nehmen. (…) Es gäbe nun keine Möglichkeit zu beweisen, dass der Angeklagte unschuldig ist. Dies sei nun unmöglich geworden. §§ 160 I, 163 I StPO: Es besteht eine Ermittlungs- und Untersuchungspflicht und Beweissicherungssicherungspflicht aus § 244 StPO: Die Ermittler müssen alle Tatsachen zugunsten und zuungunsten des Beschuldigten ermitteln. Dagegen wurde verstoßen. Heilung sei nur möglich durch analoge Anwendung von § 444 ZPO, ansonsten ist Verfahren wegen Verstoßes gegen den Fair-Trial Grundsatz einzustellen.
  2. Beweisantrag: Richter vom AG Tiergarten vorladen um die die Widersprüchlichkeiten des Zeugen Me zu beweisen. Es bestehe eine Aussage gegen Aussage Konstellation, die die Ermittlungsbehörden selbst verursacht haben, als sie die Beweismittel vernichteten. Sie haben die Passantin mit dem Hund nicht ausfindig gemacht, die den Wurf ins Gebüsch gesehen haben soll und die sichergestellten Drogen nicht auf Fingerabdrücke untersucht, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen waren (s.o.)
  3. Beweisantrag: Es wird beantragt, die Lehrerin G. vorzuladen um die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten noch mal aus erster Hand zu hören. Im April 2017 erfolgte der Erstkontakt und die Vermittlung an die Refugee Law Clinic Berlin, die den Angeklagten über die Möglichkeit der Wiederaufnahme seines Asylverfahrens beriet. Weitere psychosoziale Beratung erfolgte aufgrund seiner depressiven Verstimmungen. Es folgen schriftliche Stellungnahmen der Sozialberatungen, die allesamt positive Prognosen ausstellen. Sie zeichnen das Bild eines sehr zuverlässigen Teilnehmers, der jeden Tag pünktlich kommt und sich sehr auf die Schule freut. Eine erneute Haft würde seine Entwicklung massiv zurückwerfen und wäre schädlich für ihn.

Während der Verteidiger die Begründung der Anträge vorträgt, beginnt der Angeklagte beginnt erneut zu weinen. Er sitzt in Kauerhaltung vor der Richterbank und sein Schluchzen ist deutlich zu vernehmen. Die Übersetzerin hat eine Hand auf die Schulter des Angeklagten gelegt und übersetzt weiter simultan. Es ist eine erniedrigende Szene. 

Die Verhandlung wird zur Beratung der Anträge unterbrochen. Um 15:28 Uhr wird sie fortgesetzt. Ergebnis: Über die Anträge wird beim nächsten Termin entschieden. Es soll noch mal „eine Nacht drüber geschlafen werden“. Ende der Verhandlung um 15:35.

Nächster Termin am Mittwoch den 18.04. in Raum 739 um 13:00 Uhr.