Rassistische Türpolitiken – 08.07.2016

AG Tiergarten
Wilsnacker Straße 4 Saal C 102
08.07.2016 * 11:30

Wir kommen ein paar Minuten zu spät und treffen den Angeklagten und einige weitere Personen vor dem Gerichtssaal. Offenbar mussten alle den Gerichtssaal wieder verlassen, nachdem ein Kamerateam von der ARD im Gerichtssaal Videoaufnahmen gemacht hatte, womit der Richter nicht einverstanden war. Kurz nach unserer Ankunft kommt auch der Richter aus dem Saal und nimmt zwei Justizbeamte als Verstärkung mit. Mit ihnen zusammen geht er zu den Reportern der ARD und spricht mit ihnen. Was gesagt wird, können wir nicht verstehen.

Gegen 11:40 wird die Sache aufgerufen und alle betreten den Saal.

Anwesende:

  • Richter (R) (weiß)
  • Zwei Vertreterinnen der Staatsanwaltschaft (StA) (weiß)
  • der Angeklagte (A) (PoC)
  • eine Dolmetscherin für Arabisch (D) (PoC)
  • der Verteidiger des Angeklagten (V) (weiß)
  • eine Protokollantin (weiß)
  • Sechs Zuschauer_innen (teilweise von der Prozessbeobachtungsgruppe, KOP und Presse) (mehrheitlich weiß)

R stellt die Anwesenheit fest. Darauf sagt der Verteidiger, dass er einen Befangenheitsantrag stellen möchte und beginnt, diesen zu verlesen. Nachdem er wenige Sätze vorgelesen hat, unterbricht R, um den anwesenden Zuschauer_innen das Mitschreiben zu untersagen. Mitschreiben im Gerichtssaal sei nicht gestattet, er habe auch keine Anmeldung von eventuellen Journalist_innen erhalten. Es entsteht eine Diskussion. Ein Prozessbeobachter weist den Richter daraufhin, dass es ein Urteil des Bundesgerichtshofs gibt, dass das Mitschreiben im Prozess gestatte. Er erklärt weiterhin: „Sie können uns das Mitschreiben nicht untersagen. Dann müssen Sie uns rauswerfen lassen. Solange wir hier sind, schreiben wir.“

Der Richter entscheidet schließlich, die Sitzung bis 12:15 zu unterbrechen, damit die BGH-Entscheidung recherchiert werden kann. Um 12:17 wird fortgesetzt. Die Zeugen werden aufgerufen. R sagt, dass das Mitschreiben jetzt doch erlaubt sei. Das BGH-Urteil sei ihm nicht bekannt gewesen oder es sei ihm entfallen. Der Antrag müsse nicht weiter verlesen werden, da er schriftlich vorliege.

R will nun die Personalien des Angeklagten feststellen. V sagt, es solle erst über den Antrag entschieden werden. R entgegnet, er könne über den Antrag nicht selbst entscheiden und das wisse V auch. Es müsse geklärt werden, ob der A überhaupt erschienen sei. V sagt, die Anwesenheit der Zeugen könne festgestellt werden, aber nicht die des A.

R lenkt schließlich ein („naja, was soll’s“). Der einzige Zeuge, der erschienen ist, wird wieder entlassen. Er wird zum neuen Termin neu geladen. R sagt, die Protokollantin solle aufnehmen, dass der Verteidiger der Personalienfeststellung des Angeklagten widersprochen hat.

In Absprache mit der StA wird für die nicht erschienenen Zeugen ein Ordnungsgeld in Höhe von 250 Euro, ersatzweise fünf Tage festgesetzt.

Die Hauptverhandlung wird um 12:25 ausgesetzt.