Brandanschlag in Porta Westfalica (NRW)

Amtsgericht Minden
25.10.16

Am 14.09.15 wurde mit einem Molotowcocktail ein Anschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Porta Westfalica (NRW) verübt. Einer der Brandsätze entzündete sich an der Fassade und verfehlte das Küchenfenster nur knapp um einen Meter. Der zweite Brandsatz landete vor dem Zaun der Unterkunft und entzündete sich glücklicherweise nicht. Nur dank des besonnenen Vorgehens der Bewohner*innen, die das Feuer eigenständig löschen konnten, wurde durch den Anschlag niemand physisch verletzt. (Weitere Informationen unter https://linksunten.indymedia.org/de/node/153233)

Anwesende:

  • Eine Richterin (R), zwei Schöffinnen
  • Eine Protokollantin
  • Ein Vertreter der Staatsanwaltschaft (StA)
  • Die Angeklagten und ihrer Verteidiger*innen:
    • Dennis R, arbeitssuchend, ein Verteidiger (V1)
    • Mario V, krankgeschrieben, arbeitet sonst bei einem Sicherheitsdienst, ein Verteidiger (V2)
    • Nadine K, Verkäuferin, eine Verteidigerin (V3)
    • Christian W, Paketzusteller, ein Verteidiger (V4)
  • Zwei Nebenkläger, jeweils ein*e Dolmetscher*in, zwei Nebenklageanwält*innen (NK1 und NK2)
  • Viele Zuschauer*innen, darunter neben drei Prozessbeobachter*innen von der Uni Osnabrück viele Unterstützer*innen der Nebenkläger, aber auch Unterstützer*innen der Angeklagten und Presse

Die Verhandlung beginnt um 9:10 Uhr. R stellt zunächst die Anwesenheit fest.

Zwei Zeuginnen, die sich im Zuschauer*innenbereich befinden, werden belehrt und rausgeschickt. Der Nebenkläger 2 (Herr A.) ist auch als Zeuge vorgesehen, lässt aber durch seine Anwältin erklären, dass er trotzdem der Verhandlung folgen möchte.

R berichtet, dass bei dem Angeklagten Mario V. eine eingeschränkte Verhandlungsfähigkeit festgestellt worden sei. Es könnten am Vormittag 2,5 Stunden verhandelt werden und am Nachmittag nach einer Pause nochmal 2 Stunden.

R stellt die Personalien der Angeklagten fest (siehe oben).

Der Staatsanwalt verliest die Anklageschrift:

Den Angeklagten wird gemeinschaftliche versuchte schwere Brandstiftung vorgeworfen.
Die Angeklagten hätten mit weiteren Personen den Abend vor der Tat verbracht, Alkohol getrunken. Irgendwann sei das Gespräch auf das Thema „Flüchtlingsproblematik“ gekommen und es sei die Idee entstanden, einen Molotowcocktail zu bauen. Die Angeklagten Dennis R, Mario V und Christian W hätten daraufhin zwei Molotowcocktails gebaut und seien gemeinsam mit Nadine K, die nüchtern gewesen sei, zu der Flüchtlingsunterkunft in Eisbergen gefahren. Dennis R und Christian W seien ausgestiegen, Mario V und Nadine K seien sofort weitergefahren. Dennis R habe einen Molotowcocktail auf die Hauswand der Unterkunft geworfen, wodurch dort ein Feuer entstanden sei; Christian W haben den zweiten Molotowcocktail lediglich über den Zaun geworfen, ohne dass dieser sich entzündet habe.
Bei der Angeklagten Nadine K komme eine Verurteilung wegen Beihilfe in Betracht.

R fragt die Angeklagten, ob sie sich zur Anklage äußern möchten.
V1 erklärt, er habe mit seinem Mandanten eine Einlassung vorbereitet, die er verlesen werde.
V2: Sein Mandant werde sich heute nicht äußern, vielleicht später.
V3: Ihre Mandantin werde sich am nächsten Verhandlungstag (Freitag) persönlich äußern.
V4: Sein Mandant werde sich persönlich äußern.

Einlassung von Dennis R.

Wenige Zeit nach Entlassung aus der Haft [Anmerkung: der Angeklagte hat vor dem Angriff auf die Flüchtlingsunterkunft eine Haftstrafe wegen Diebstahls verbüßt] sei er bei Mario und Sabrina V. eingezogen. Vor der Haft habe er keine Freunde gehabt. Mit rechten Einstellungen habe er früher nichts zu tun gehabt, dann habe er aber unter dem Einfluss von Mario V. gestanden. Von diesem sei er auch abhängig gewesen, weil er bei ihm gewohnt habe.

Er habe auch Kontakt zu Nichtdeutschen gehabt. Das mit den vielen Flüchtlingen habe ihm aber nicht gefallen; er habe in dem Zusammenhang „vielleicht“ auch etwas bei Facebook geliked.

Am Tatabend sei über das „Flüchtlingsproblem“ diskutiert worden und darüber, dass man „etwas tun“ müsse. Es sei nicht seine Idee gewesen, die Molotowcocktails zu bauen. Er habe dann einen Molotowcocktail gebaut, das sei das erste Mal gewesen. Er habe gesagt: eigentlich können wir das doch nicht machen. Er habe dann aber doch mitgemacht. Mario V. habe ihn schon vorher als „Feigling“ bezeichnet.

Sie hätten dann entschieden, zu der Flüchtlingsunterkunft zu fahren. Was sie dort genau machen wollten, sei aber nicht besprochen worden. Als Christian W. und er ausgestiegen seien, seien Nadine K. und Mario V. direkt weitergefahren. Christian W. und er seien zu dem Haus gegangen; er habe seine Flasche angezündet und sie auf die Hauswand geworfen. Er habe nicht gesehen, ob es ein Fenster gab, ob Licht zu sehen war. Er habe „auf keinen Fall“ gewollt, dass jemand „zu Schaden“ käme, es sei ihm nur darum gegangen, „ein Zeichen zu setzen“. Er sei dann nach Hause gelaufen. Später hätten Mario V. und Christian W. über die Aktion gelacht. Mario V. habe dann seinen Facebook-Account bearbeitet. Er selbst habe nach der Tat ein „fürchterlich schlechtes Gewissen“ gehabt. Es tue ihm leid, „dass ich mich habe in die Sache hineinziehen lassen“.

V1 übergibt die Erklärung an die übrigen Prozessbeteiligten und erklärt, dass sein Mandant im Moment keine Fragen beantworten werde.

Einlassung von Christian W. (spricht selbst)

Am Tatabend sei über die „Flüchtlingsproblematik“ gesprochen worden, es sei die Idee entstanden, einen Molotowcocktail zu bauen. Zuerst hätten Dennis R, Mario V und er an der Tankstelle Benzin gekauft. Dann habe Dennis R. die beiden Molotowcocktails alleine gebaut. Der Rest stimme, wie Dennis R. es berichtet habe. Er selbst habe seinen Molotowcocktail nicht angezündet, weil es ihm falsch erschienen sei.

Befragung durch R:

R will wissen, wer sich am meisten über Flüchtlinge aufgeregt habe und wieviel Alkohol getrunken worden sei. Christian W. gibt an, sie seien „auf jeden Fall angetrunken“ gewesen, mit Ausnahme von Nadine K.

Dann fragt R, woher die Idee mit dem Molotowcocktail gekommen sei. Christin W: Er wisse es nicht. Das Thema sei auf einmal da gewesen.

R fragt, zu welcher Tankstelle die Gruppe gefahren sei, wann sie dorthin gefahren seien und was danach passiert sei. Christian W. sagt, nach der Rückkehr von der Tankstelle seien Mario V. und er gleich wieder rein gegangen. Dennis R. sei später nachgekommen, da seien „die Dinger“ schon fertig gewesen.

R will wissen, wie es dann weiter ging, ob sie über das weitere Vorgehen gesprochen hätten. Als Christian W. das verneint, fragt sie nochmal nach: Es wurde also gar nicht gesprochen? (Nein)

R fragt, ob Christian W. sich damit beschäftigt hatte, wer in der Unterkunft wohnte. Er verneint die Frage, sagt aber, er habe gewusst, dass dort Menschen wohnten. […]

Auf weitere Nachfrage von R gibt Christian W. an, Dennis R. habe dann seinen Molotowcocktail angezündet und geworfen, er selbst habe den zweiten Molotowcocktail einfach hinter den Zaun geworfen.

Dann will R wissen, ob es stimme, dass Mario V. in der Gruppe eine dominante Rolle hatte. Christian W. verneint dies, alle seien gleichberechtigt gewesen.

R fragt Christian W, was in seinem Kopf vorgegangen sei, was mit den Molotowcocktails passieren könne, als sie da gestanden hätten. Christian W: Er habe nicht darüber nachgedacht. Auf weitere Nachfrage sagt er, Mario V. und er hätten nicht über die Tat gelacht. Sie hätten nur kurz darüber gesprochen.

R fragt Christian W, ob er etwas dazu sagen wolle, wie er zur „Flüchtlingsproblematik“ stehe. Er gibt an, sein erster Eindruck sei gewesen, dass die alle „rüberkommen“ und der Staat alles bezahle. Aber jetzt habe er verstanden, dass es einen Grund gebe, dass die Flüchtlinge wirklich Hilfe bräuchten.

R blättert in der Akte und hält vor, dass Christian W. sich bei der Polizei anders geäußert habe. Christian W. bejaht dies. Bei der polizeilichen Vernehmung habe er die Tat zunächst bestritten.

R fragt, warum Christian W. sein Profilbild wenige Tage vor der Tat zu einer Reichkriegsflagge geändert habe. Er antwortet, das habe er „einfach so“ gemacht. Es gebe dafür keinen besonderen Grund.

Dann fragt R, ob das Flüchtlingsthema am Tatabend zum ersten Mal Thema gewesen sei. Nachdem Christian W. die Frage bejaht hat, hakt R nochmal nach: vorher habe man sich „über die Problematik“ also nicht unterhalten? (Nein)

Befragung durch den Staatsanwalt:

Der StA fragt vor allem zu dem Geschehen, nachdem die Gruppe von der Tankstelle zurückkam: Woher Christian W. wisse, dass Dennis R. die Molotowcocktails alleine gebaut habe (weil er alleine draußen gewesen sei) und warum er selbst es sich anders überlegt habe. Darauf antwortet Christian W, er habe „ein bisschen Bedenken“ gehabt, „vielleicht“ sei er deshalb wieder reingegangen. […]

Die Akustik im Saal ist schlecht, der StA spricht leise und ist teilweise nicht gut zu verstehen. Als einer der Nebenkläger, der zuvor den Saal verlassen hatte, wieder reinkommt, beschwert sich V4, dass er nichts verstanden habe: das müsse ja nicht sein. [Was er damit genau meint, ist unklar, auf mich wirkt es aber, als würde den anwesenden Nebenklägern und ihren Dolmetscher*innen die Schuld für die schlechte Akustik geben]

Abschließend fragt der StA, warum Mario V. vor der Unterkunft nicht aus dem Auto ausgestiegen sei. Christian W. gibt an, das nicht zu wissen. Es sei nicht abgesprochen gewesen. Nichts sei abgesprochen gewesen.

Befragung durch die Nebenklagevertreter*innen:

NK1 fragt, seit wann sich Christian W. mit dem Thema Flüchtlinge beschäftige. Christian W. sagt, dass er das seit einem halben Jahr mache. NK1 fragt (erstaunt) zurück, vor der Tat habe sich Christian W. also nicht mit diesem Thema beschäftigt. Christian W. bestätigt dies.

NK1 will wissen, ob Christian W. sich mal öffentlich zu dem Thema geäußert habe, zum Beispiel im Internet. Christian W. gibt an, er habe sich am Tatabend bei Facebook geäußert. NK1 hakt nach: vorher habe sich der Angeklagte nicht geäußert? Christian W. antwortet, es könne sein, dass da „ein paar Likes waren“. Auf weitere Nachfrage erklärt er, er habe „nichts bewusst eingestellt, außer vielleicht einen Kommentar“.

NK1 fragt, ob der Angeklagte sich mal über Brandanschläge auf Flüchtlingsheime Gedanken gemacht habe, ob er von einem Anschlag in der Nähe gewusst habe. Christian W. sagt, er habe bei Facebook davon gehört. Den genauen Ort habe er aber vergessen.

NK1 fragt, was Christian W. mit der Reichkriegsflagge verbinde [wegen des Facebook-Profilbildes]. Er antwortet, er habe das „einfach so“ gemacht.

NK1 will daraufhin wissen, wie der Angeklagte seine politische Haltung definieren würde, ob er sich mal mit der NPD auseinandergesetzt habe. Christian W. verneint das. Er habe „nur so Sachen“ geteilt. NK1 fragt, ob er auch Demoaufrufe geteilt habe. Christian W. sagt, das könne sein. Auf weitere Nachfrage antwortet er, er sei selbst nicht auf solche Demos gegangen.

NK1 fragt, ob der Angeklagte aus seiner geänderten Einstellung Handlungen abgeleitet habe. Christian W. gibt an, er verstehe die Frage nicht. NK1 fragt, ob er beispielsweise heute ein anderes Profilbild habe. Der Angeklagte sagt, er habe immer noch das gleiche Profilbild. Er sei aber jetzt nicht mehr bei Facebook aktiv.

[…]

Auf Nachfrage erklärt Christian W, er sei zwei bis dreimal in der Woche bei Mario V. und Dennis R. zu Besuch gewesen. Bei seinen Besuchen sei nie über Flüchtlinge gesprochen worden. Auf weitere Nachfrage gibt er an, es sei möglich, dass das im Internet „vielleicht“ mal Thema zwischen ihnen gewesen sei (über Likes). Auf weitere Nachfrage sagt Christian W, Mario V. habe seinen PC/sein Profil nach der Tat nicht bereinigt. Da würden ja immer noch „Postings über Flüchtlinge“ drinstehen.

NK2 fragt daraufhin, wie die Absprache mit der Fahrerin Nadine K. abgelaufen sei. Christian W. gibt an, Nadine K. habe gewusst, wo sie hinfahren sollte. NK2 bittet Christian W, seine Bedenken zu erläutern, von denen er vorher gesprochen habe. Er antwortet, dass er befürchtet habe, dass jemand „verletzt oder getötet“ werden könne.

[…]

Anschließend wird Christian W. durch V2, V1 und V3 befragt. Dabei geht es vor allem um die gegenseitigen Beschuldigungen der Angeklagten und hieraus resultierende Widersprüche.

Um 10:30 wird der Nebenkläger Herr A. als Zeuge befragt.

Er nimmt mit seiner Dolmetscherin in der Mitte Platz. Er wird belehrt, seine Personalien werden abgefragt.

Zur Tat berichtet Herr A. Folgendes: Er sei mit seiner Tochter in der Küche gewesen, um ihr Milch aufzuwärmen. Auf einmal habe er eine Explosion gehört und eine Flamme gesehen. Er habe dann alle Hausbewohner*innen alarmiert, alle hätten daraufhin das Haus verlassen.

R fragt Herrn A. u.a. wie es ihm seit der Tat gehe und wie es seiner Familie gehe. Er sagt, dass es ihm schlecht gehe. Er habe viel Angst, viel Stress. Wenn auf der Straße Autos vorbeifahren, hätten sie Angst, dass so etwas wieder passieren könne.

[…]

NK1 fragt, ob Herr A. und die anderen Familien in der Unterkunft noch über die Tat sprächen (ja) und ob es Forderungen an die Stadt gegeben habe (ja – und in Reaktion darauf seien Kameras und/oder ein Bewegungsmelder angebracht worden).

V1 stellt mehrere Fragen zur Größe und zum Ausmaß der Flammen, will wissen, ob Herr A. die Flammen wirklich selbst gesehen habe.

Anmerkung: die Sprachmittlung funktioniert teilweise nicht ganz reibungslos, manchmal muss die Dolmetscherin Fragen mehrfach übersetzen, bis Herr A. sie versteht. Währenddessen spricht V1 Herrn A. teilweise nicht direkt an, sondern verwendet die dritte Person, so als würde er mit der Dolmetscherin über Herrn A. sprechen.

Aus der polizeilichen Vernehmung von Herrn A. hält V1 vor, das Feuer sei 20-30 cm hoch gewesen. Herr A. sagt, er könne sich daran heute nicht mehr erinnern. Dann steht V1 auf, kommt zum Platz von Herrn A. und demonstriert die Größe des Feuers mithilfe einer Aktenmappe an dessen Tisch. Herr A. wiederholt, dass er sich heute nicht mehr genau erinnern könne.

Anmerkung: Dass V1 aufsteht, zum Platz des Nebenklägers kommt und auf dem Tisch Bewegungen mit seiner Aktenmappe macht, wirkt auf mich wie eine Einschüchterungsversuch und eine Machtdemonstration.

V4 fragt Herrn A, ob sein Anwalt ihm gesagt habe, dass er als mazedonischer Staatsbürger keine Chancen im Asylverfahren habe, weil Mazedonien ein sicheres Herkunftsland sei.

NK1 beanstandet die Frage: Er sehe keinen Zusammenhang zu der hier verhandelten Tat.

V4 erklärt, er vertrete selbst eine Mandantin im Aufenthaltsrecht, die in dem Haus in Salzhemmendorf gewohnt habe, auf das auch ein Molotowcocktail geworfen worden sei. Seine Mandantin habe in der Folge Abschiebeschutz bekommen. Seine Frage sei, ob der hier verhandelte Vorfall in das Asylverfahren des Herrn A. eingeführt worden sei.

NK1 erwidert, er sehe trotzdem keinen Zusammenhang.

R sagt, die Frage könne beantwortet werden.

Herr A. antwortet, die Tat sei nicht in sein Asylverfahren eingeführt worden.

Herr A. wird um 11:04 entlassen.

Die nächste Zeugin (Z) wird aufgerufen, kommt herein und nimmt auf dem Zeugenstuhl Platz. Da sie bereits am Morgen belehrt wurde, werden gleich ihre Personalien abgefragt. Sie ist Polizeibeamtin und arbeitet beim Staatsschutz in Bielefeld. Sie war in der Tatnacht im Einsatz und an den Ermittlungen nach der Tat beteiligt.

In ihren Ausführungen geht es zuerst um die Situation in der Tatnacht (u.a. habe sie Tankstellen in der Umgebung abgefahren, um Videoaufzeichnungen der Überwachungskameras zu sichern) und dann um die Durchsuchung des Hauses der Eheleute V. (Anmerkung: in dem auch Dennis R. wohnte).

Bei der Durchsuchung sei es aber in erster Linie darum gegangen, Dennis R. zu finden, deswegen könne sie über Auffälligkeiten im Haus nichts berichten. Dennis R. sei dann bei seiner Freundin/Exfreundin angetroffen worden.

R fragt, welchen Eindruck die Zeugin bei der Vernehmung von Dennis R. gehabt habe. Sie antwortet, er sei freundlich und höflich gewesen, sie habe „nichts Negatives“ bemerkt. Er habe über den 14. (den Tattag) sehr gut Bescheid gewusst, habe die Tat aber zunächst geleugnet. Parallel seien die anderen Beschuldigten vernommen worden. Nachdem sie Dennis R. mitgeteilt habe, dass die Eheleute V. sich eingelassen hätten, habe er sich ebenfalls eingelassen.

Was die Zeugin über die Angaben von Dennis R. in der polizeilichen Vernehmung berichtet, ist überwiegend identisch mit seiner Einlassung im Prozess: Er habe bei Mario V. zur Untermiete gewohnt, habe für diesen viel im Haushalt machen müssen. Am Tatabend sei über die „Flüchtlingsproblematik“ gesprochen worden. Mario V. habe rechte Ansichten gehabt, sich in das Thema rein gesteigert.

Auf Nachfrage der R sagt die Zeugin, dass sie glaube, dass es die politische Einstellung [bei Dennis R.] schon gegeben habe, dass der Tatentschluss aber im Laufe des Abends gefallen sei. Auf weitere Nachfrage berichtet sie, dass Dennis R. „nichts gegen Ausländer“ gehabt habe. Er habe auch mit Menschen mit Migrationshintergrund zu tun gehabt, man habe sich gegrüßt. Auf weitere Nachfrage der R sagt die Zeugin, die Aussagen von Dennis R. seien ihr glaubhaft erschienen. Nachdem er gewusst habe, dass andere aus der Gruppe was gesagt haben, habe er ganz flüssig und freimütig berichtet.

[…]

Die Zeugin wird um 11:40 Uhr entlassen. Die Sitzung wird für eine Stunde unterbrochen.

Um 12:45 wird fortgesetzt.

R gibt den Hinweis, dass das Gericht beabsichtige, die Sache gemäß § 270 Abs. 1 StPO an das Landgericht Bielefeld zu verweisen. Es bestehe ein hinreichender Tatverdacht des versuchten gemeinschaftlichen Mordes in Tateinheit mit versuchter schwerer Brandstiftung.

Der StA sagt, er wolle in diesem Moment keine Stellungnahme abgeben. NK1 und NK2 sagen, dass sie sich der Bewertung des Gerichts anschließen. V1 widerspricht der Bewertung des Gerichts: In der bisherigen Verhandlung habe sich im Tatsächlichen nichts ergeben, was über den früheren Beschluss des LG Bielefeld hinausgehe, worauf sich die Verweisung stützen könne. Er werde für Freitag eine ausführlichere Stellungnahme vorbereiten.

V3 sagt, sie wolle eine kurze Stellungnahme abgeben: Das ständige Hin- und Her – ständig würden andere Juristen auf den Fall schauen – sei unzumutbar für die Angeklagten. Außerdem habe im Schwurgericht des LG Bielefeld der Kammervorsitz gewechselt.

NK1 sagt, er wolle nun doch kurz Stellung nehmen. Der frühere Beschluss des LG Bielefeld sei nicht nachvollziehbar gewesen, aber damals habe es für die Nebenklage keine Beschwerdemöglichkeit gegeben. Den Einlassungen der Angeklagten könne man entnehmen, dass es eine Absprache gegeben habe, eine solche Tat auszuüben. Dennis R. habe geworfen und man habe sich nicht um die Konsequenzen gekümmert (beispielsweise habe man die Bewohner*innen nicht gewarnt), was auf Gleichgültigkeit hindeute. Das Motiv sei eine feindselige Gesinnung gegenüber den Bewohner*innen der Unterkunft gewesen.

Was die Zumutbarkeit anbelangt, widerspricht NK1 V3: entgegen ihrer Einschätzung hätten die Angeklagten bisher Glück gehabt, weil sie nicht in U-Haft seien.

V1 sagt, es gehe um die rechtliche Bewertung, nicht um Stimmungsmache, die ja offensichtlich schon gewirkt habe, wenn man sich im Saal umsehe [schaut in den Zuschauer*innenbereich]

Anmerkung: Diese Äußerung wirkt auf mich, als wolle V1 die mit den Nebenklägern solidarischen Prozessbeobachter*innen diskreditieren.

V1 nimmt Bezug auf die BGH-Rechtsprechung zu Brandanschlägen in den frühen 90er Jahren und sagt, er benötige Zeit, um eine ausführliche Stellungnahme vorzubereiten.

StA kündigt ebenfalls eine Stellungnahme für Freitag an.

Die Verhandlung wird um 13 Uhr unterbrochen.

Nachtrag: Das Schöffengericht in Minden hat am 28.10.16 entschieden, den Prozess an das Schwurgericht beim Landgericht Bielefeld zu verweisen, da sich aus den Einlassungen von zwei Angeklagten neue Anhaltspunkte für ein versuchtes Tötungsdelikt ergeben hätten. Bis das Verfahren vor dem LG Bielefeld eröffnet wird, wird es voraussichtlich einige Monate dauern. Weitere Informationen hier.