Rechter Angreifer nach Pfeffersprayattacke auf Flüchtlingsunterkunft in Massow vor Gericht

Wir dokumentieren im Folgenden eine Pressemitteilung von Opferperspektive:
22. Februar 2017 9:30 Uhr Amtsgericht Königs Wusterhausen
Am kommenden Mittwoch beginnt am Amtsgericht Königs Wusterhausen der Prozess zu einem rechten Angriff auf Geflüchtete in der Asylunterkunft in Massow (Landkreis Dahme-Spreewald). Am 01. September 2015 attackierte ein durch die Betreiberfirma des Heims (Campanet GmbH) beauftragter Bauarbeiter in der Unterkunft lebende Geflüchtete mit Reizgas. Gezielt sprühte der Angreifer die gefährliche Chemikalie in Privat- und Gemeinschaftsräume. Es waren zahlreiche Verletzte zu beklagen, darunter auch Kinder. Der Angreifer war zuvor bereits mit rechten Sprüchen und Einschüchterungen gegenüber Heimbewohner_innen aufgefallen. Auch im Internet äußerte der Täter Sympathien für rechte Gruppierungen. „Der Reizgas-Angriff in Massow war aufgrund der hohen Betroffenenzahl einer der massivsten durch uns dokumentierten rechten Angriffe im Jahr 2015 im Land Brandenburg. Der Angreifer zielte damals bewusst darauf ab, so viele Geflüchtete wie möglich zu verletzen. Bei uns haben sich damals über 60 Betroffene gemeldet“, so Martin Vesely von der Opferperspektive. Die Betroffenen hatten unterschiedliche Nationalitäten, sie kamen vorwiegend aus Albanien, Serbien, Syrien, Afghanistan, Pakistan und Tschetschenien. Weiterlesen

Rückblick und Fortsetzung des 129b-Verfahrens gegen den kurdischen Aktivisten Ali Hıdır Doğan

Seit Oktober beobachten wir zusammen mit einer Soligruppe das Verfahren gegen Ali Hıdır Doğan, dem von der Generalstaatsanwaltschaft vorgeworfen wird, 2014/2015 Berliner Gebietsleiter der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) gewesen zu sein. Die Verteidigung hat es geschafft, durch die Ladung zweier Präsenzzeugen – Jan van Aken (Die LINKE, MdB) und Faysal Sarıyıldız (HDP, Abgeordneter des türkischen Parlaments) – die Situation der in der Türkei lebenden Kurd*innen in den in Moabit stattfindenden Prozess einzubringen. Gerade die Vernehmung des Zeugen Sarıyıldız hat die massiven Menschenrechtsverletzungen durch die türkischen Sicherheitskräfte in Nordkurdistan deutlich gemacht. Sarıyıldız war zur Zeit der Ausgangssperren von Cizre in der Stadt und hatte Telefonkontakt mit den in Kellern eingeschlossenen Menschen, welche lebendig verbrannt wurden. Angesichts dieser Schilderungen müsste die Einordnung der PKK als Terrororganisation, also der Ausgangspunkt dieses Verfahrens, noch einmal mehr überdacht werden. Das Protokoll der Vernehmung von Faysal Sarıyıldız kann hier nachgelesen werden.

Der nächste Verhandlungstag ist der 07.02.2017, 9 Uhr, Turmstraße 91, Saal 701.

Abschluss des Berufungsverfahrens gegen Ayfer H. wegen falscher Verdächtigung

Schon seit Längerem begleiten wir das Verfahren gegen Ayfer H. Zur Vorgeschichte: Im Jahr 2012 wird Ayfer H. im Anschluss an einen Konflikt mit Lehrer*innen in der Schule ihres Sohnes durch Berliner Polizisten rassistisch beleidigt, bedrängt, zu Boden gerissen und unter Schlägen fixiert. Ayfer H. wendet sich mit diesen Erfahrungen von Polizeigewalt an die Öffentlichkeit, an die Beratungsstelle „ReachOut“ sowie an die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP), auch die türkischsprachige Zeitung „Hürriyet“ berichtet über den Fall. Ayfer H. erstattet Anzeige gegen die Polizeibeamten – allerdings ohne Ergebnis. Sie hingegen wird wegen Widerstands gegen Polizeivollzugsbeamte in zweiter Instanz im August 2013 verurteilt. In diesem Verfahren schildert sie offen, was ihr widerfahren ist und wird im Gegenzug als „hysterisch“ und „Furie“ diffamiert. Weiterhin wird ihr vorgeworfen, sie ziehe die „Ausländerkarte“ und manipuliere Bürgerrechtsorganisationen. Jedoch bleibt es nicht bei der einen Verurteilung. Die Staatsanwaltschaft eröffnet im September 2015 ein weiteres Verfahren gegen Ayfer H. wegen „falscher Verdächtigung“. Im November 2015 wird sie zu einer Geldstrafe verurteilt. Daraufhin legen sowohl Ayfer H. als auch die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Letztere fordert ein noch höheres Strafmaß. Das Berufungsverfahren vor dem Berliner Landgericht wurde nun am 26.01.17 beendet, da beide Parteien auf Vorschlag des vorsitzenden Richters die Berufung zurückzogen. Weiterlesen

Rassismus: mal wieder kein Thema – Prozessbericht aus Lingen

10. und 12. Juni 2016 in Lingen (Emsland/Niedersachsen): Der Neonazi Moritz H. schießt mit einem Luftgewehr aus dem Fenster seiner Wohnung auf Geflüchtete. Die Schüsse verletzen drei Personen, darunter ein fünfjähriges Kind. Am 11. Januar steht der Angreifer in Lingen vor Gericht. Der Prozess verläuft katastrophal: Die Geschädigten nehmen aus Angst vor dem Angeklagten nicht an der Verhandlung teil. Ihre Anwält*innen verhalten sich überwiegend passiv. Das rassistische Motiv und die Perspektive der Betroffenen werden kaum thematisiert, viel Raum nimmt dagegen die „kombinierte Persönlichkeitsstörung“ des Angeklagten ein. Dieser stellt sich selbst als unpolitisch dar. Sein angebliches Tatmotiv: Frust über seine Arbeitslosigkeit. Besonders skandalös ist die Urteilsbegründung. Dem Richter zufolge sind die Kontakte des Angeklagten zur NPD und in die rechte Szene kein Beleg für dessen politische Überzeugungen. Ihm sei es lediglich um „Kameradschaft“ und gemeinsame Freizeitunternehmungen gegangen. Außerdem bedient der Richter selbst rassistische Diskurse: der Angeklagte stehe mit seiner Ablehnung gegenüber „Wirtschaftsflüchtlingen“ nicht alleine da. Allerdings sei es nicht seine Aufgabe, eine Unterscheidung zwischen Kriegsflüchtlingen und „Schmarotzern“ – so der Richter wörtlich – selbst durchzusetzen. Auch habe der Angeklagte mit den Schüssen gerade die Falschen getroffen: nämlich Kriegsflüchtlinge und keinen Anis Amri [mutmaßlicher Attentäter in Berlin] oder Sexualstraftäter. Weiterlesen

§129b-Prozess in Berlin: Zwei Parlamentarier sagen aus

Seit dem 11. Oktober steht Ali H. Doǧan wegen des Vorwurfs der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer „terroristischen Vereinigung im Ausland“ (§129a/b StGB) in Berlin vor Gericht. Er soll im Zeitraum Juli 2014 bis September 2015 – in der Phase des Friedensprozesses zwischen kurdischer Bewegung und türkischem Staat – die PKK-Gebiete Berlin bzw. Bremen verantwortlich geleitet haben und für die Organisierung von Treffen, Veranstaltungen, Demonstrationen oder Geldsammlungen zuständig gewesen sein. In der Verhandlung am 13. Dezember werden der kurdische Abgeordnete der „Demokratischen Partei der Völker“ (HDP), Faysal Sariyildiz und Jan van Aken, Abgeordneter der Bundestagsfraktion DIE LINKE als Zeugen der Verteidigung aussagen: Faysal Sariyildiz befindet sich seit Erdoǧans Gegenputsch in der Bundesrepublik. In die Türkei kann er derzeit nicht zurückkehren angesichts der Gefahr, bei einer Einreise festgenommen zu werden. Beide Parlamentarier werden über die Entwicklungen des Ende 2012 begonnenen Prozesses der politischen Lösungsfindung im türkisch-kurdischen Konflikt, die von Erdoǧan aufgekündigten Verhandlungsgespräche im Juli 2015 und über die aktuelle Situation in der Türkei bzw. in den kurdischen Gebieten im Südosten des Landes berichten.

Die Verhandlung am 13. Dezember beginnt um 9.00 Uhr in Raum 701, Kammergericht Berlin-Moabit, Haupteingang Turmstraße 91.

Diese Pressemitteilung haben wir von freiheit.blackblogs.org übernommen.

Verfahren wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung, schwerer Brandstiftung und Sachbeschädigung in Nauen

Am 24. November 2016 begann vor dem Landgericht Potsdam der Prozess gegen eine Gruppe um Maik Schneider (NPD), welcher vorgeworfen wird, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben, um Straftaten mit „ausländerfeindlichen“ (1) Hintergrund zu begehen. Den Angeklagten werden verschiedene Taten zur Last gelegt: U.a. musste eine Stadtverordnetenversammlung wegen Störung durch Rufen ausländerfeindlicher Parolen abgebrochen werden, ein Parteibüro der LINKEN wurde mit Farbbeuteln beworfen, eine Dixie-Toilette auf einer Baustelle einer neuen Unterkunft für Geflüchtete angezündet sowie die als Notunterkunft geplante Sporthalle in Nauen niedergebrannt. Wir haben die bisherigen zwei Verhandlungstage beobachtet. Alle Angeklagten haben sich zu unserer Überraschung eingelassen, unterschiedliche Tatbeteiligungen eingeräumt und auch Fragen beantwortet. Maik Schneider wurde von drei Mitangeklagten stark belastet. Er selbst gab in einer sehr irritierenden Erklärung an, alleinig die Verantwortung für den Brand der Sporthalle zu tragen. Auffallend häufig wurden durch die Angeklagten Alkohol- und Drogenkonsum sowie die eigene schwierige soziale und/oder private Situation thematisiert. Auch wenn Entschuldigungen formuliert wurden, fand unserer Meinung nach eine echte Distanzierung von den Taten nicht statt. Unter den Prozessbesucher*innen befinden sich auch Unterstützer*innen der Angeklagten und NPD-Mitglieder. Weiterlesen

Neues Protokoll: Rassistischer Angriff auf Geflüchtete in Frankfurt (Oder)

Eine neunköpfige Gruppe rechter Männer hat im März 2015 eine Gruppe von syrischen Geflüchteten in einer Shisha-Bar in Frankfurt (Oder) zunächst rassistisch beleidigt, dann über mehrere Kilometer durch die Stadt verfolgt und schließlich körperlich angegriffen. Einem am Boden liegenden Betroffenen wurde gezielt auf den Kopf getreten. Er und ein weiterer Mann mussten daraufhin ambulant im Krankenhaus behandelt werden. Seit dem 21.10.16 läuft am Landgericht Frankfurt (Oder) der Prozess gegen neun mutmaßliche Angreifer. Wir haben den Prozess am 3. Verhandlungstag besucht. An dem Tag wurden zahlreiche Zeug*innen gehört, die am Abend vor der Tat in der Shisha-Bar zu Gast waren. Ihre Aussagen gaben einen tiefen Einblick in die rassistische Normalität, die anscheinend den Freund*innen- und Bekanntenkreis der Angreifer prägt. Hier geht es zum Prozessprotokoll. Der Prozess wird am 30.11. fortgesetzt.

 

Neues Prozessprotokoll: Verfahren wegen rassistischer Brandstiftung am AG Minden

Letzte Woche haben wir einen Prozess gegen vier mutmaßliche rassistische Brandstifter*innen vor dem Amtsgericht Minden beobachtet. Ihnen wird vorgeworfen, im September 2015 mit einem Molotowcocktail einen Anschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Porta Westfalica (NRW) verübt zu haben. Die Tat ereignete sich kurze Zeit nach dem Brandanschlag im unweit gelegenen Salzhemmendorf, über den wir Anfang des Jahres berichtet haben. Einer der Brandsätze entzündete sich an der Fassade und verfehlte das Küchenfenster nur knapp um einen Meter. Der zweite Brandsatz landete vor dem Zaun der Unterkunft und entzündete sich glücklicherweise nicht. Nur dank des besonnenen Vorgehens der Bewohner*innen, die das Feuer eigenständig löschen konnten, wurde durch den Anschlag niemand physisch verletzt.

Im Vorfeld gab es eine Auseinandersetzung darüber, welches Gericht – das Amtsgericht oder das Landgericht – für das Verfahren zuständig sei. Hintergrund ist die Frage, ob lediglich eine Verurteilung wegen versuchter schwerer Brandstiftung in Frage kommt oder auch ein versuchter Mord zu prüfen wäre. Das Landgericht in Bielefeld hatte zunächst das Amtsgericht in Minden für zuständig erklärt und verharmlosend argumentiert, es sei kein Tötungsvorsatz ersichtlich, denn die Angeklagten hätten nur ‚ein Zeichen gegen Flüchtlinge setzen‘ wollen. Aufgrund der Einlassungen von zwei der Angeklagten im Prozess hat das AG Minden allerdings mittlerweile entschieden, das Verfahren nun doch an das Schwurgericht des LG Bielefeld zu verweisen.

Hier geht es zum Prozessbericht.