VG Stuttgart legitimiert rassistische Polizeigewalt in Ellwangen und gibt Freibrief für Razzien in Erstaufnahmezentren ab 6 Uhr morgens

Prozessbericht vom 18.2.2021 / Justizwatch & Culture of Deportation

* English below *

Am 18. Februar 2021 wurde vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart über die Klage von Alassa Mfouapon gegen die massive Polizeirazzia in der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) Ellwangen am 3. Mai 2018 verhandelt. 500 bis 600 teils schwerbewaffnete Beamt*innen waren gegen 5 Uhr morgens  in die Schlafräume eingedrungen, hatten etwa 300 Personen aus dem Bett geworfen, sie mit Kabelbindern gefesselt und die Zimmer durchsucht. Etliche Bewohner*innen wurden verletzt und die ganze Community traumatisiert. Viele wurden außerdem festgenommen und später von der Justiz kriminalisiert. Für die Behauptung der Polizei, Schwarze Bewohner*innen der LEA hätten drei Tage zuvor eine Abschiebung “mit Gewalt” verhindert und “Waffen” gehabt, fanden sich später keine Belege. Alassa Mfouapon war ebenfalls von der Razzia betroffen.

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Verfahren gegen Christian D. eingestellt: Polizeieinsatz „im Tunnel“ rassistischer Wahrnehmungsmuster

Prozessbericht von Justizwatch & Culture of Deportation, 30.10.2020

Das Verfahren gegen den westafrikanischen Asylsuchenden Christian D. wurde am 21. Oktober 2020 nach zwei Prozesstagen überraschend eingestellt. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, im Kontext einer Zwangsverlegung in eine andere Unterkunft Polizeibeamt*innen angegriffen und verletzt zu haben. Die Anklage ließ sich jedoch nicht aufrechterhalten, nachdem die Aussage einer beteiligten Beamtin und ein von der Verteidigung eingebrachtes Video schwere Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes weckten. Während Staatsanwaltschaft und Gericht am ersten und zu Beginn des zweiten Verhandlungstages noch am schweren Vorwurf des tätlichen Angriffs festgehalten hatten, sah der Richter sich nun gezwungen, auf den Vorschlag des Verteidigers einzugehen un das Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen. Vermutlich spielte dabei auch das große Interesse von solidarischen Prozessbeobachter*innen und Medienvertreter*innen eine Rolle – alle Plätze im Saal waren besetzt.

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Prozess gegen Geflüchtete aus Eritrea endet mit zwei Verurteilungen – gewalttätige Securities bleiben weiter straffrei

Im Prozess gegen vier Geflüchtete aus Eritrea vor dem Bamberger Landgericht wurde am 7. November 2019 nach sieben Verhandlungstagen das Urteil gesprochen. Für zwei Angeklagte endete der Prozess mit Haftstrafen, zwei weitere wurden freigesprochen.

Ausgerechnet E., der selbst durch Securities schwer verletzt wurde, verurteilte das Gericht als vermeintlichen „Hauptaggressor“ zu 9 Jahren und 6 Monaten Haft. T., der aus Sicht der Richter der zweite „Haupttäter“ war, wurde freigesprochen, weil bei ihm eine „psychische Störung“ vorliege. Zugleich ordnete das Gericht seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. S. wurde zu einem Jahr und neun Monaten verurteilt, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wurden. Für O., der selbst von keinem Zeugen belastet wurde, aber seine Mitangeklagten schwer belastete, endete der Prozess mit einem Freispruch.

Es ging in dem Prozess um Geschehnisse im Ankerzentrum Bamberg am 11. Dezember 2018. Wegen einer angeblichen Ruhestörung kam es in der Nacht in Block 7 zunächst zu einem verbalen Streit zwischen Securities und Eritreern, der später zunehmend eskalierte. Aus Protest gegen die systematische Gewalt und Schikanen des Wachdienstes und das rassistische Lagersystem begannen Geflüchtete einen Riot, in dessen Zuge im ersten Stock des Gebäudes ein Brand gelegt wurde. Es kam ferner zu massiver Gewalt von Wachleuten gegen Geflüchtete in Anwesenheit der Polizei.

In der Folge wurden vier junge Männer aus Eritrea wegen gefährlicher Körperverletzung, tätlichen Angriffs und schwerer Brandstiftung angeklagt. Die Ermittlungen gegen die Wachleute wurden indessen eingestellt. Erneut wurden somit Geflüchtete kriminalisiert, während gewalttätige Securities straffrei bleiben.

Weitere Infos:

Artikel zu Prozess und Urteil in analyse & kritik 655 vom 10.12.2019
Zwischenbericht von Justizwatch & Culture of Deportation vom 4.11.2019
Aufruf zur Prozessbeobachtung von Justizwatch & Culture of Deportation ab 14.10.2019
Erklärung von Justizwatch & Culture of Deportation 18.12.2018
Erklärung von Justizwatch & Culture of Deportation 8.5.2018

Ausführliche Protokolle zu den einzelnen Verhandlungstagen folgen bald.

Rassismus: Mal wieder kein Thema vor Gericht

J, ein Schwarzer Mann, ist Mitglied bei einem Fitness-Studio in Berlin. In der Sauna kommt es zu einem Konflikt mit einem anderen Mitglied, einem weißen Mann, der ihm auf unbegründet feindselige Weise verbietet, sein Buch in der Sauna zu lesen. Der weiße Mann beschwert sich bei dem Fitnesscenter-Management und wirft J Beleidigung vor: Dieser habe ihn u.a. als Rassisten, Nazi-Schwein und Idioten beleidigt. Zum angegebenen Zeitpunkt der Beleidigung hat sich J jedoch nachweislich nicht in Deutschland aufgehalten. Anstatt den Konflikt weiter zu prüfen und auf faire Weise aufzuarbeiten, z.B. indem die Perspektiven beider Mitglieder eingeholt werden, verweist das Management auf die Hausordnung und gibt an, J sei diesbezüglich belehrt worden. Auch diese Angabe ist fraglich, da J zum angegebenen Zeitpunkt nicht im Fitnessstudio war (nachweisbar durch die Einlog-Daten der Mitglieder). Das Management erteilt J Hausverbot. Gleichzeitig wird von ihm verlangt, den gesamten monatlichen Mitgliedbeitrag zu zahlen. Weiterlesen