Redebeitrag von Justizwatch auf der Kundgebung gegen tödliche rassistische Polizeigewalt – 4.7.2020, Platz der Luftbrücke
Fast vier Jahre ist es her, dass Hussam Fadl von der Berliner Polizei von hinten erschossen wurde. Vier Jahre, in denen die Ermittlungen gegen den Todesschützen blockiert und verschleppt wurden. Erneut hat die Polizei einen Menschen getötet und muss bislang keine strafrechtlichen Konsequenzen fürchten. Diese Rechtlosigkeit hat viel mit institutionellem Rassismus zu tun.
Institutioneller Rassismus hat viele Facetten. Rassismus prägt schon die Arbeit der Polizei. Das führt zu ständigen rassistischen Kontrollen und Durchsuchungen an öffentlichen Orten. Beleidigungen, körperliche Angriffe und Misshandlungen bis hin zur Tötung sind keine Ausnahmen. Polizeigewalt wird fast nie aufgeklärt. Polizist*innen decken sich gegenseitig. Sie müssen keine ernsthaften Ermittlungen durch Kolleg*innen fürchten.
Staatsanwaltschaften und Gerichte tragen ihren Teil dazu bei, diese rassistische Gewalt zu stützen. Wir haben unzählige solcher Verfahren beobachtet. Anstatt die rassistische Gewalt der Polizei als solche zu benennen und aufzuklären, übernehmen Gerichte und Staatsanwaltschaften die Darstellungsweise der Polizei und machen Opfer zu Tätern. Dadurch werden die Täter*innen in Uniform nicht zur Verantwortung gezogen.
Im Gegenteil: Meistens sind es sogar die Opfer der Übergriffe, die auf der Anklagebank sitzen, eingeschüchtert, zu Kriminellen erklärt und verurteilt werden. Im schlimmsten Fall werden sie in den Knast gesteckt oder abgeschoben. Selbst wenn Menschen – wie im Fall von Hussam Fadl – durch die Polizei getötet werden, kommt es vielfach gar nicht erst zu einem Gerichtsverfahren. Die Strafverfolgungsbehörden verschleppen die Ermittlungen so lange, bis das öffentliche Interesse abgeflaut ist. Sie behaupten, der Betreffende sei mit einem Messer bewaffnet gewesen und rechtfertigen die Tötung als „Notwehr“. Dann schließen sie stillschweigend die Akten.
Rassismus setzt sich auch im Gerichtssaal fort. Polizeizeug*innen werden für besonders glaubwürdig gehalten; sie gehen routiniert in Aussagesituationen, die für zivile Zeug*innnen Ausnahmezustände darstellen. Sie können sich sicher sein, dass ihre Kolleg*innen ihre Aussagen stützen, denn innerhalb der Polizei herrscht ein Korpsgeist vor.
Schwarze Menschen und People of Color haben dagegen vor Gericht wesentlich schlechtere Karten. Auch vor den Richter*innen macht das rassistische Vorurteil vom „kriminellen Ausländer“ nicht halt. Schon oft haben wir erlebt, dass Unschuldige aufgrund fadenscheiniger Aussagen von Polizeizeug*innen verurteilt wurden.
All das ist kein Zufall. Die Justiz ist eine tragende Säule staatlicher Herrschaft. Ihre Funktion ist es auch, die rassistische soziale Ordnung aufrechtzuerhalten.
Lasst uns dieses System der Täter-Opfer-Umkehr nicht länger hinnehmen!
Schluss mit einer Justiz, die Rassismus legitimiert!
Wir erklären unsere uneingeschränkte Solidarität mit allen Opfern des rassistischen Justizsystems!
Wir fordern endlich eine lückenlose Aufklärung der Erschießung von Hussam Fadl, Anklageerhebung und sofortige Suspendierung der Todesschützen!