Der Bamberg-Security-Komplex – staatliche Kriminalisierung und Verfolgung von Geflüchteten

Erklärung von Justizwatch & Culture of Deportation
8.5.2018 (Englische Version)

Die AEO Bamberg, ein großes Aufnahme- und Abschiebelager im bayerischen Oberfranken, ist Modellprojekt der deutschen Regierung bei der Isolation von Geflüchteten. Sie steht nun vor einem Skandal wegen systematischer Gewalt des privaten Wachpersonals gegen Asylsuchende. Wir fordern eine lückenlose Aufklärung aller Vorfälle.

Wir wurden im Zuge der Unterstützungskampagne für Aarona K. und Ndiame D. auf die Vorfälle aufmerksam. Die beiden senegalesischen Asylsuchenden wurden kriminalisiert, nachdem sie Anfang September 2017 einen Angriff des Wachpersonals auf einen dritten westafrikanischen Asylsuchenden in der AEO erlebt hatten. Einige ehemalige Sicherheitskräfte und zahlreiche Bewohner*innen haben uns außerdem mitgeteilt, dass dies kein Einzelfall ist, sondern seit Sommer 2017 vielmehr eine systematische Gewalt von Sicherheitskräften gegen Geflüchtete in der AEO existiert. Bewohner*innen erzählen, dass die Gewalt seit Herbst 2017 zwar etwas zurückgegangen ist, sich aber dennoch fortsetzt. Der letzte Vorfall passierte am 7. Mai 2018, als ein nigerianisches Ehepaar von den Sicherheitskräften schwer misshandelt wurde.

Nach unseren Kenntnissen wird gerade lediglich ein Ermittlungsverfahren wegen eines gewalttätigen Übergriffs durch das Wachpersonal geführt: Aufgrund eines Angriffs auf zwei westafrikanische Geflüchtete in der Kantine der AEO Ende September 2017 wird gegen mehrere Wachdienstmitarbeiter wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung ermittelt. Im März dieses Jahres hatte die Staatsanwaltschaft Bamberg jedoch ihre Absicht bekundet, die laufenden Ermittlungen zu manipulieren, mit der Behauptung, es gebe nicht genügend Beweise gegen die nun Ex-Wachdienstmitarbeiter.

Unsere eigenen Nachforschungen haben ergeben, dass gegen mehrere der Ex-Wachmänner, die gegen K. und D. aussagen, im Rahmen des oben genannten Verfahrens ermittelt wird. Wir haben weitere Zeugenaussagen gegen diese und andere (ehemalige) Mitarbeiter gesammelt (Beispiel: Oumar B.). Sie bestätigen, dass insbesondere Schwarze Geflüchtete aus afrikanischen Ländern mit zunehmender Gewalt und massiver Brutalität seitens des Wachpersonals konfrontiert waren und danach von der Polizei und dem Strafrechtssystem schikaniert und kriminalisiert worden. Ehemalige Wachdienstmitarbeiter haben uns zudem bestätigt, dass ein „Sonderteam“ innerhalb des  Sicherheitspersonals seit Sommer 2017 routinemäßig massive Gewalt gegen Geflüchtete provoziert und ausgeübt hat und dass dies von den Vorgesetzten der Sicherheitsfirma gebilligt und gefördert wurde. Die Polizei nahm in der Regel nur die Schilderung des Wachpersonals auf.

Bewohner*innen und (ehemalige) Mitarbeiter*innen bestätigten auch, dass die Lagerleitung im Jahr 2017 mehrere Beschwerden über die Gewalt der Sicherheitskräfte erhalten hat, welche allerdings ignoriert wurden. Mitarbeiter, die sich bei der Sicherheitsfirma beschwerten, wurden von der Arbeit im Lager ausgeschlossen. Weder die Lagerleitung noch die Sicherheitsfirma Fair Guards haben sich bisher zu den Vorfällen öffentlich geäußert.

Wir fordern eine gründliche Untersuchung des gesamten Beweismaterials im Bamberg-Security-Komplex. Wir fordern, dass die Sicherheitsfirma Fair Guards und die Lagerleitung ihre Verantwortung bei der Aufklärung übernehmen und dass die Polizei und Strafverfolgungsbehörden sich von jeglicher Komplizenschaft mit dieser systematischen Wachdienstgewalt distanzieren, indem sie eine ordnungsgemäße Untersuchung der Angelegenheit durchführen.

Wir sind jedoch sehr skeptisch, ob die Polizei die gewaltsamen Übergriffe des Wachdienstes wirklich aufklären wird, da wir bereits von mehreren ungerechtfertigten Strafbefehlen der Staatsanwaltschaft gegen Opfer sowie Zeugen Kenntnis erlangt haben. Wir kritisieren, dass Sozialarbeiter des Lagers versuch(t)en, die Geflüchteten davon zu überzeugen, diese Strafen zu bezahlen.

Leider ist die AEO Bamberg bekannt für ihre zynische Haltung gegenüber Asylsuchenden, die angeblich keine „Bleibeperspektive“ haben. Dies betrifft fast alle Herkunftsländer – ausgenommen sind Syrien, Irak, Iran, Somalia und Eritrea. Ein Hauptziel des Lagers ist es, die Geflüchteten um jeden Preis dazu zu bewegen, Deutschland wieder verlassen. Die Gewalt von Wachdienstmitarbeiter*innen gegen Geflüchtete in der AEO, in der derzeit 1500 Menschen leben, steht im Zusammenhang mit anderen rechtswidrigen und ungerechten Praktiken. Dazu gehören der Abzug von Taschengeld, das Ungültigstempeln von Asylbewerberausweisen und „Duldungen“, äußerst fragwürdige Strafbefehle, Ausweisungen und Abschiebungen und der Zwang, Papiere zu unterschreiben, ohne deren Inhalt zu kennen. Viele haben bereits mehr als ein Jahr in der AEO verbracht, ohne dass das Recht auf Arbeit oder Ausbildung, Taschengeld oder angemessene Gesundheitsversorgung gewährleistet wird. Vielmehr sehen die Bewohner*innen sich täglich mit willkürlicher Gewalt und Schikane durch Security-Mitarbeiter*innen konfrontiert.

Der Prozess gegen K. und D. begann am 27. März 2018, er wurde allerdings nach wenigen Minuten ausgesetzt. Danach wurde D. nach Italien abgeschoben und das Verfahren gegen ihn eingestellt. Da D. in Italien jedoch ohne Geld auf der Straße leben musste, kehrte er von dort zurück. Nun befindet er sich im Abschiebegefängnis in Eichstätt, Bayern. Der Termin für die nächsten Verhandlungstag im Prozess gegen K. steht noch nicht fest.

Justizwatch & Culture of Deportation

Kontakt für weitere Informationen:
rassismus_justiz@mail36.net, info@cultureofdeportation.org

Material:

Artikel: Hannah Schultes: Gefangen in Bamberg – Misshandlung, Kriminalisierung, Abschiebung – im Vorzeigelager der CSU werden Geflüchtete systematisch entrechtet
Call for support for K. and D. in English
Unterstützungsaufruf für K. and D. auf Deutsch
Bericht vom 1. Prozesstag gegen K. und D.
Video: Testimony of Oumar B. on how Bamberg security guards attacked him in September 2017

Spendenkonto:
Bayerischer Flüchtlingsrat
Bank für Sozialwirtschaft
IBAN: DE89 7002 0500 0008 8326 02
BIC: BFSWDE33MUE (München)
Verwendungszweck “Bamberg Securityverfahren”