Am Morgen des 26. Februar 2019 ist ein 22-jähriger Geflüchteter aus Somalia in einer Schweinfurter Polizeizelle ums Leben gekommen. Zuvor lebte er im Anker-Zentrum Schweinfurt. In der Nacht auf den 26. Februar soll er sich laut Medienberichten aggressiv gegenüber Mitarbeitern des privaten Sicherheitsdienstes verhalten haben. Daraufhin sei die Polizei gerufen worden. Die Streifenbeamt*innen hätten den Geflüchteten „zur Verhütung von Straftaten“ in Gewahrsam genommen und ihn gegen 5 Uhr morgens in einen Haftraum der Schweinfurter Polizeiinspektion gesperrt. Um 7:30 Uhr habe ein Beamter den Raum kontrolliert und den jungen Mann tot aufgefunden. Die Polizei behauptet, es gebe keine Hinweise auf ein Fremdverschulden und verfolgt Hinweise auf einen Suizid. Das Nachrichtenportal „inFranken.de“ berichtete, dass der Geflüchtete sich erhängt habe.
Wir wissen: die Tode vieler Schwarzer Menschen in Polizeigewahrsam und in Haft wurden von Polizei, Justiz und Politik vertuscht. Wir erinnern uns an Oury Jalloh, Amed Ahmed, Yaya Jabbi. Ihre Tode haben uns gelehrt grundsätzlich misstrauisch zu sein, wenn Polizei und Justiz vorschnell von Suizid sprechen.
Wir wissen auch: in vielen Anker-Zentren und Abschiebelagern gibt es strukturelle Probleme mit Wachdienstgewalt. Häufig greifen Wachleute Geflüchtete willkürlich an und verprügeln sie. Anschließend rufen sie die Polizei, die die Opfer der Wachdienstgewalt festnimmt und kriminalisiert. Regelmäßig hören wir davon, dass die Polizei die Geflüchteten weiter demütigt und ihnen Gewalt antut.
Wir fragen uns: Wieso verbreiten Polizei und Medien die Meldung, der Geflüchtete habe sich selbst das Leben genommen, bevor überhaupt eine Obduktion durchgeführt wurde? Wie kann es sein, dass sich ein Mensch im Polizeigewahrsam erhängt? Werden Menschen im Gewahrsam nicht Gürtel, Schnürsenkel und ähnliche Dinge abgenommen? Was ist wirklich passiert, bevor die Streifenbeamt*innen den Geflüchteten in der Nacht auf den 26. Februar in Gewahrsam nahmen?
Auch das Vorgehen der Medien im Schweinfurter Fall ist fragwürdig: Wie so oft, wenn es um Gewalt gegen Geflüchtete in Anker-Zentren geht, wurde auch diesmal vorschnell und einseitig die Darstellung der Polizei und des Wachdienstes übernommen. Der Tote wurde in einem Medienbericht als „Streithahn“ charakterisiert, der sich aggressiv gegenüber Wachleuten verhalten habe. Wie so oft wurde sich nicht die Mühe gemacht, unabhängige Zeug*innen zu dem Vorfall zu befragen.
So wissen wir weder, ob es Probleme mit dem Sicherheitsdienst gegeben hat, noch was in der Nacht vorgefallen ist. Auch über die psychosoziale Situation des verstorbenen Geflüchteten ist bislang nichts bekannt. Etwa, ob er je Suizidabsichten geäußert oder sich in einer psychischen Krise befunden hat. All diese offenen Fragen können nur geklärt werden, wenn eine kritische Öffentlichkeit genug Druck und Interesse zeigt!
Keine weitere Vertuschung eines ungeklärten Todesfalls in Polizeigewahrsam!