Seit Anfang Juni 2018 beobachten wir einen Prozess gegen zwei kurdische Geschäftsleute aus Brandenburg. Der Vorwurf: gefährliche Körperverletzung.
Vermeintlich Geschädigter und Nebenkläger in dem Prozess ist Herr S. Dieser ist im Ort kein Unbekannter. Seit Jahren terrorisiert er vor allem migrantische Geschäftstreibende, pöbelt in ihren Gaststätten, beleidigt sie rassistisch, weigert sich seine Speisen und Getränke zu zahlen und wird handgreiflich, sobald er darauf angesprochen wird. Wiederholt übte er körperliche Gewalt aus. Fast überall hat er deshalb Hausverbot. Die Betroffenen sind von S. jedoch so stark eingeschüchtert, dass kaum ein Vorfall je zur Anzeige kommt.
Auch Herr F. und Herr L., Angeklagte im oben genannten Prozess, haben seit Jahren Probleme mit S. Über das Hausverbot in ihrem Laden hat er sich wiederholt hinwegsetzt. Die Lage ist so bedrohlich, dass F. und L.s Kund*innen wegbleiben und sie Schwierigkeiten haben, Mitarbeiter*innen zu finden. An einem Abend im Frühjahr 2015 eskaliert die Situation erneut: S. hämmert an die Scheibe, zeigt einen Hitlergruß und den emporgestreckten Mittelfinger und beschimpft die Inhaber rassistisch. Diese stellen S. zur Rede, verweisen auf ihr Hausrecht und rufen die Polizei, um Anzeige zu erstatten. Was dann passiert, gleicht einem Albtraum: Denn wie so oft bei solchen Vorfällen geriert sich der eigentliche Täter als Opfer und erstattet eine Gegenanzeige wegen angeblicher Körperverletzung. Diese Strategie baut auf einer rassistischen Komplizenschaft zwischen Täter und Polizei auf, für die keine Absprache notwendig ist und sie hat Erfolg: Die Beamt*innen ermitteln nur lückenhaft und gehen den Vorwürfen von S. nach, während sie die der beiden Ladeninhaber fallen lassen. In der Folge stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen S. ein und erhebt stattdessen Anklage gegen F. und L. Das liegt nicht nur an der rassistischen Ermittlungsarbeit der Polizei, sondern auch daran, dass sich kaum Zeug*innen finden lassen, die bereit sind, gegen S. auszusagen. Zu groß ist die Angst vor seinen Gewaltausbrüchen.
Im Prozess setzt sich die Täter-Opfer-Umkehr weitgehend fort. Die Verteidigung kommt trotz guter Vorbereitung nicht gegen den rassistischen Grundverdacht an, der besagt, dass ein „vermeintlich oder tatsächlich ausländisches Opfer zunächst immer ein Täter ist“. Trotz zum Teil wirrer und widersprüchlicher Zeugenaussagen ist eine Verurteilung von F. und L. nicht unwahrscheinlich. Für die beiden Angeklagten steht viel dem Spiel: Dieser und ähnliche Vorfälle bedrohen ihre Existenz. Sollte es zu einer Verurteilung kommen, wären sie außerdem vorbestraft, was für F. auch negative Auswirkungen auf sein Aufenthaltsrecht in Deutschland haben kann.
Rassistische Gewalt, einseitige Ermittlungen der Polizei, Kriminalisierung und Aufenthaltsregime, auch für Brandenburg scheint zu gelten: „Staat und Nazis Hand in Hand“. Wir solidarisieren uns mit den Angeklagten, fordern die sofortige Einstellung dieses absurden Verfahrens gegen F. und L. sowie ein Ende der rassistischen Gewalt!