Abdu A. zeigte im Herbst 2015 einen Türsteher eines Berliner Clubs wegen Körperverletzung an. Dieser soll ihn wiederholt aus rassistischen Motiven nicht in den Club gelassen und – als es an einem Abend darüber zum Streit kam – ins Gesicht geschlagen haben. Das Verfahren gegen den Türsteher wurde aus Mangel an Beweisen eingestellt, obwohl Abdu A.s Verletzungen polizeilich dokumentiert sind. Stattdessen muss sich Abdu A. am 06.12.2017 vor dem Amtsgericht Tiergarten verantworten. Genannter Türsteher hatte ebenfalls Anzeige erstattet und behauptet, von Abdu A. mit Steinen beworfen worden zu sein. Auch wenn die Polizei am vermeintlichen Tatort keinen einzigen Stein finden konnte, schien der Staatsanwaltschaft in diesem Fall die „Beweislast“ zu genügen, um einen Strafbefehl zu erlassen.
Der Prozess versprach noch aus anderen Gründen spannend zu werden: Bereits im Vorjahr war in dieser Sache verhandelt worden. Das Verfahren wurde jedoch wegen Befangenheit des Richters ausgesetzt (ND berichtete). Schon damals hatten wir zur Prozessbeobachtung aufgerufen. Kurz darauf erreichte uns eine E-Mail des Türstehers. Er forderte uns auf, den Aufruf zurück zuziehen und warf uns vor, wir würden eine Hetzkampagne gegen ihn und seinen Arbeitgeber führen. Wie ernst ihm die Sache war, wurde auch gleich zu Beginn des Prozesstags klar: Vor seiner Zeugenaussage erkundigte er sich, ob „die Damen“ auf den Zuschauer_innen-Bänken von der Presse seien und beschwerte sich, dass mitgeschrieben werde. Schließlich würde eine von „der Antifa“ gesteuerte Kampagne gegen ihn laufen.
Sein Vorwurf gegen Abdu A. entpuppt sich indes schnell als Farce: nicht nur fehlte die Tatwaffe am vermeintlichen Tatort, auch zeigen die vom Türsteher eingebrachten Videoaufnahmen seiner Body-Cam keinen Steinwurf oder ähnliche Angriffe seitens des Angeklagten. Was diese Aufnahmen hingegen sehr wohl dokumentieren, ist die rassistische Arbeitsweise des Türstehers und seiner Kollegen: Abdu A. und seine Begleiter werden zunächst als „Kriminelle“ bezeichnet und – als sie protestieren – mit der Aussage abgewiesen, sie seien „unbekannte Ausländer, das ist Fakt.“ Sich selbst bezeichnet der Türsteher mit gewissem Stolz als „Germane“, während aus dem Hintergrund klar zu hören ist: „eindeutig Arier“.
Wir bleiben also bei unserer Einschätzung von 2016: hier geht es um Rassismus! Denn dieser und ähnliche Prozesse zeigen: rassistische Türpolitiken sind gängige Praxis. Welche Verfahren von der Staatsanwaltschaft zur Anklage zugelassen und welche aus Mangel an Beweisen eingestellt werden, lässt zudem tief in die Arbeitsweise des deutschen Justizapparats blicken: Da es sich hier mitnichten um einen Einzelfall handelt, liegt der Verdacht nahe, dass sich die Staatsanwaltschaft in ihrer Entscheidung von rassistischen Stereotypen wie z.B. dem des „aggressiven Ausländers“ leiten lässt. Aus den Aussagen der Polizeizeugen lässt sich außerdem schließen, dass es sie offenbar überfordert hat, Anzeigen von nicht deutsch sprechenden Personen adäquat aufzunehmen und zu bearbeiten. Wenn die verwendete Sprache für den Erfolg einer Strafanzeige ausschlaggebend ist, so ist auch dies eine rassistische Diskriminierung.
Der Prozess gegen Abdu A. wird am 20.12. um 15:30 Uhr fortgesetzt (Wilsnacker Straße 4, Saal D107). Solidarische Prozessbeobachtung ist sehr erwünscht.