Rassistischer Übergriff durch privaten Sicherheitsdienst – Prozessbericht vom 24.11.17

Bei einer Fahrkartenkontrolle in der S-Bahn zeigt James Samu (Name geändert) den MitarbeiterInnen eines privaten Sicherheitsdienstes seinen gültigen Fahrausweis und seinen Berlin-Pass. Ihm wird jedoch die Fälschung des Berlin-Passes unterstellt, weil das Gültigkeitsdatum verändert wurde. Die Kontrolleure verlangen seinen Ausweis zu sehen. Er schlägt vor, diesen bei der nahe gelegenen Polizeistation im Hauptbahnhof zu zeigen. Auf dem Weg dahin versperrt ihm eine Sicherheitsdienstmitarbeiterin den Weg. Sie unterstellt ihm die Absicht, zu flüchten. Als Herr Samu trotzdem zur Polizei weiterzugehen versucht, wird er von den Kontrolleuren überwältigt, auf den Boden gedrückt und verletzt. Die beiden 3- und 4 Jährigen Kinder von Herrn Samu stehen weinend daneben. Anschließend wird Herr Samu annähernd bewegungsunfähig ins Krankenhaus gebracht. Noch heute, zwei Jahre später, leidet er unter Schmerzen.

Diesen Tatsachen zum Trotz sitzen am 24.11. nicht die AngreiferInnen, sondern Herr Samu selbst auf der Anklagebank: Ihm wird u.a. Urkundenfälschung, Körperverletzung und falsche Verdächtigung vorgeworfen. Das Verfahren gegen den Sicherheitsdienst ist  dagegen längst eingestellt worden – eine Täter-Opfer-Umkehr, wie sie bei rassistischen Gewalttaten leider häufig vorkommt.

Die Fragen des Richters erscheinen uns parteiisch. So stellt er die Legitimität des Gewaltexzesses seitens des Sicherheitsdienstes an keiner Stelle in Frage. Die Zeugenaussage eines Sicherheitsdienstmitarbeiters, dass der Angeklagte ein Sicherheitsrisiko für ihn und andere gewesen sei, hält er für glaubwürdig. Gegenüber dem Angeklagten zeigt der Richter hingegen eine abwertende und moralisch belehrende Haltung, wie bei der Befragung zu seinen Personalien und zur angeblichen Fälschung des Berlin-Passes.

Die Verf­ahrenskosten bedrohen zudem die ökonomische Existenz von Herrn Samu, der von einem prekären Einkommen für eine Familie sorgen muss und durch den gewalttätigen Übergriff nur eingeschränkt arbeitsfähig ist. Es zeigt sich hier, dass Rassenjustiz oft auch Klassenjustiz ist.

Die Verhandlung wird am 6.12. um 08:30 fortgesetzt. AG Tiergarten, Turmstraße 91, Saal 620. Zahlreiche Prozessbeobachtung ist erwünscht!