Prozessprotokoll vom 11.04.18
Landgericht Berlin, 9:00 Uhr, Raum 739, Turmstr. 91 10559 Berlin
Beginn der Verhandlung: 9:15 Uhr
Anwesende:
- Richterin (Ri), Schöffin, Schöffin (weiß)
- Staatsanwalt (StA) (weiß)
- Der Angeklagte (A) (PoC)
- Verteidiger (V)
- Dolmetscherin für Englisch (weiß)
- Protokollantin (weiß)
- 2 Justizbeamte (weiß)
- 4 solidarische Prozessbeobachter (drei schwarz, einer weiß)
Die Richterin eröffnet die Verhandlung, stellt die Anwesenheit fest und fragt die Personalien des Angeklagten ab. Er wurde 1985 geboren. Es gibt abweichende Informationen über die Staatsangehörigkeit des Angeklagten in der Akte: Entweder Guinea oder Guinea-Bissau. Nach einigen Verständnisschwierigkeiten wird festgestellt, dass der Angeklagte die Staatsangehörigkeit Guinea-Bissaus besitzt. Es wird das erstinstanzliche Urteil auszugsweise vorgelesen. Die Verteidigung will einen Freispruch erwirken, die Staatsanwaltschaft hat Berufung bezogen auf die Rechtsfolge eingelegt (StA will zwei Jahre Haft, statt anderthalb).
Der Angeklagte wird belehrt, der Verteidiger hat eine Einlassung vorbereitet: Der Angeklagte sei unschuldig, am Tattag war er im Wettbüro am Hermannplatz. Er war nicht – wie in der letzten Hauptverhandlung erwähnt – an diesem Tag am Freitagsgebet, sondern es sei das reguläre Gebet am Samstag gewesen.
Es folgen weitere Erläuterungen bzgl. der Geschehnisse am Tattag, im Wesentlichen dieselben Einlassungen wie bereits am 2. Verhandlungstag in der ersten Instanz.
- Es sei vermutlich eine Verwechslung aufgrund des Parkas gewesen, den ein Bekannter vom selben Händler erstanden hat.
- Wieso sollte er, der er sich doch seiner Bewährung bewusst sei, mit 100 Gramm Marihuana zum Görlitzer Park gehen, wo er doch wisse, das Schwarze dort regelmäßig kontrolliert werden?
Zeugin Ho kommt in den Saal und wird belehrt.
Sie ist 34 Jahre alt, Polizeibeamtin aus Dortmund. Sie wird bezüglich des Tathergangs am 29.04.17 befragt. Sie gibt an, mit zwei Bekannten an dem Tag durch den Görli gelaufen zu sein, dann hätten sie ein Martinshorn gehört. Zeitgleich liefen mehrere Personen an ihnen vorbei, eine Person warf etwas unter ein parkendes Auto. Sie und die zwei Bekannten teilten sich auf, einer lief der Person hinterher, die etwas unter das Auto geworfen hatte, sie beide schauten unter das Auto.
Nach dem Hinweis einer Passantin hätte sie ein in Klarsichtfolie verpacktes Paket unter dem Auto, sowie „Klettverschlusstüten“ im Busch gefunden.
Die Richterin fragt, ob zur betreffenden Zeit viel Betrieb auf der Straße gewesen sei. Ho verneint dies. Es sei eher ruhig gewesen, bis die Personen weggerannt seien. Als die Polizei kam, seien die Personen „links und rechts rüber“ und hätten ihren Schritt verlangsamt.
Die Richterin fragt, ob Ho den Weg der Personen beschreiben kann. Ho sagt, es sei lange her und wisse es nicht genau. Die Person sei auf der linken Seite geblieben, sie könne es aber genau nicht sagen. Sie sei sich sicher, dass die Person auf der linken Straßenseite die gleiche ist, die das Paket unter das Auto warf und von ihrem Bekannten anschließend verfolgt wurde.
Die Richterin fragt nach den anderen Personen. Zeugin Ho gibt an, die anderen hätten sich verteilt und seien dann abgebogen in eine von der Forster Straße abgehende Seitenstraße, welche wisse sie nicht mehr.
Richterin hält ihr eine Google Maps Karte vor: StA, Ri, Ho, V und Übersetzerin treten an den Tisch. Es folgt ein von der Besuchertribüne schwer verständliches Gespräch. Ho gibt an, nichts Genaues zu wissen, sie steckte ja zeitweise unter dem Auto bei dem Paket.
Ho: „Ich habe nur gesehen, wie [mein Bekannter] der Person mit dem blauen Parka hinterhergegangen ist.“
Die Schöffen sind auf ihren Plätzen geblieben und nehmen nicht an der Inaugenscheinnahme teil. [Anmerkung Prozessbeo: absoluter Revisionsgrund] Richterin bemerkt dies und bittet sie nach vorne. Ho zeigt erneut auf die Karte und erläutert den Hergang.
Die Richterin fragt, aus welcher Richtung die rennenden Personen gekommen seien. Ho sagt, von hinten.
Alle setzen sich wieder auf ihre Plätze
Die Richterin fragt, wo denn das Auto stand. Ho antwortet, es stand auf der linken Seite mit der Front quer zu dem Gehweg. Die Richterin fragt nach dem Fundort der Drogen. Ho erwidert, sie hätte die Drogen unter dem Auto gefunden, Richtung Straßenmitte.
Die Richterin fragt, ob etwas markant an der Personengruppe gewesen sei. Ho antwortet, sie seien alle dunkelhäutig gewesen, sonst war nichts markant. Die Richterin hakt nach, ob an der Kleidung irgendetwas markant gewesen sei. Ho antwortet, den Blaue Parka der einen Person hätte sie wahrgenommen.
Die Richterin hält Ho ihre Aussage vor der Polizei von damals vor. „Was veranlasst sie von den konkreten Gegebenheiten vor Ort zur Bewertung, dass der Festgenommene und der Werfende identisch sind?“ („Sie haben in Ihrer Aussage angegeben, bei der Person die festgenommen wurde, handelt es sich eindeutig um die Person, die etwas unter das Auto warf. Was veranlasste Sie zu dieser eindeutigen Wertung?“)
Ho ist sich nicht sicher, diese Wertung müsse sie revidieren. Sie könne es nicht genau sagen, nur die Passantin habe es gesagt. Außerdem seien ihre Kollegen (aus NRW) im höheren Dienst (irgendwas mit Beförderung, Aufstieg, schwer verständlich) und seien halt vertrauenswürdig: „Wir sind ja gute Kollegen, ich weiß ja, das [mein Bekannter] die Person weiter verfolgt hat. Daraus habe ich die weiteren Schlussfolgerungen gezogen.“
Richterin fragt Ho, wie weit sie vom Geschehen entfernt gewesen ist. Ho sagt, es können 20, 30 oder auch 40 Meter gewesen sein. Sie sei nicht so gut mit Entfernungen. Ho dreht sich um und mustert den Gerichtssaal. Die Entfernung sei so ungefähr wie die Länge des Gerichtssaales gewesen. [Anmerkung: Der Gerichtssaal ist sicher keine 20m lang, ganz zu schweigen von 30 oder 40m]
Die Richterin fragt, wie die Drogen im Gebüsch verstaut waren. Ho sagt, die Drogen seien locker im Gebüsch verstaut gewesen. Die Richterin fragt, ob der Busch vor hinter oder neben dem Auto gewesen sei. Ho sagt: „Nach der Logik muss das nach dem Auto gewesen sein.“ Die Päckchen seien ja nach dem Wurf unter das Auto in den Busch geworfen worden.
Richterin: „Nach ihrer Logik oder ihrer Erinnerung?“ Ho erwidert, das könne sie nicht sagen, sie hätte den Wurf in den Busch ja nicht gesehen.
Die Schöffin will eine Frage stellen. Sie ist verwirrt: „Sie haben den Wurf unter das Auto gesehen aber den ins Gebüsch nicht?“ [Prozessbeo: Ich fand es überraschend, dass die Schöffin nachgefragt hat. Das zeigt, dass sie den Schilderungen tatsächlich gefolgt ist und ihr die Widersprüche aufgefallen sind.]
Ho sagt, sie sei zuerst am Auto dann am Gebüsch gewesen [schlecht verständlich]: „Ich habe nicht gesehen, wie die Person etwas ins Gebüsch geworfen hat.“
Der Verteidiger fragt Ho, ob sie denn den Wurf unter das Auto gesehen hätte. Ho erwidert, sie meine schon, das sei aber alles ein Jahr her. Der Verteidiger hakt nach und fragt, von welcher Richtung denn die Wegwerfbewegung kam. Ho kann es nicht definitiv sagen, sie würde sonst spekulieren.
V: „Die Wegwerfbewegung, haben Sie die gesehen?“ Ho: „Ja.“ V: „Wissen Sie noch, mit welchem Arm geworfen wurde?“ Ho: „Nein.“ V: „Die Bewegung kam vom Gehweg Richtung Auto?“ Ho: „Tja, das kann ich nicht genau sagen, weiß ich nicht mehr. Ich weiß, dass ich [bei der Polizei] was anderes ausgesagt habe.“
Verteidiger fragt Ho, ob sie nach der erstinstanzlichen Verhandlung noch mal mit ihren Kollegen gesprochen hätte. Ho antwortet, sie habe kurz mit ihnen geredet. Verteidiger fragt, ob die Zweifel in ihrer Aussage auch daher kämen, dass ihre Kollegen etwas anderes gesehen hätten. Ho bestätigt dies. Sie könnte deshalb Zweifel haben. Verteidiger fragt, ob sie mit ihren Kollegen über den Inhalt der Befragung damals gesprochen hätte. Ho sagt „nicht intensiv“. Verteidiger will wissen, was das genau heißt, „nicht intensiv“.
Die Aussage der Zeugin Ho ist an dieser Stelle schwer verständlich.
V fragt, wie Ho mit den Kollegen kommuniziert hat. Ho sagt, sie hätte mit ihnen telefoniert. Zeuge Me sei zu dem Zeitpunkt in Gütersloh gewesen und sie in Detmold.
V fragt, ob es lediglich ein Gespräch war. Ho sagt, es gab vielleicht auch mehrere Gespräche. V fragt, ob es also eine Art Austausch gewesen sei. Ho erwidert, es sei nicht detailliert gewesen, drei vier Sätze vielleicht. Es ging auch darum, dass sie unterschiedliche Erinnerungen an die Straßenseite gehabt hätten, aber dass sie diese Wahrnehmungsschwierigkeiten so stehen lassen würden.
V fragt, ob sie mit Zeugin R [Anmerkung: im Protokoll der ersten Instanz heißt die Zeugin R. Frau B.] gesprochen hätte. Ho sagt, Zeuge Me [der Bekannte von Ho] hätte ihr von amüsanten Teilen der Aussage der Zeugin R berichtet. Zeugin R sei ja sehr aufbrausend. Ho lacht auf. In der Folge führt sie ungefragt aus, man würde ja Polizisten zu Unrecht unterstellen, sie würden Aussage absprechen. Zeugin R hätte das Gefühl gehabt, man würde sie in eine Schublade stecken.
V fragt nach Gesprächen mit Kollegen am Tatort. Zeugin Ho meint, sie hätten sich schon vor dem Gespräch am Polizeiauto aufgeteilt, der Fahrerin habe sie gesagt, ihr Kollege gehe schon einer Person hinterher, die gerade etwas unter ein Auto geworfen hätte.
V fragt nach Details der Passantin, die den Hinweis auf das Buschversteck gab. Ho sagt, sie sei definitiv nicht 20 gewesen, eher so 50-60. V fragt, ob Ho Erinnerungen an die rennende Gruppe hätte, die von hinten kam und ob sie Käppi und Kapuze trugen. Ho antwortet, Käppi nein, Kapuze ja, aber nicht aufgesetzt, Tasche nein, sonst keine besonderen Erinnerungen. Außer dem Blauen Parka natürlich. Die wegwerfende Person hätte sie isoliert wahrgenommen. Woher das weggeworfene Päckchen genommen wurde, wisse sie nicht. Alle seien gerannt bis das Polizeiauto in die Straße eingebogen ist, dann hätten alle ihre Schritte verlangsamt. Das fände sie sehr schlau. V fragt, wieso sie das schlau fände. Ho antwortet, dass wer rennt auffällt. V hält vor, dass alle die gerannt sind jetzt woanders sind und wer gegangen ist jetzt hier angeklagt ist.
V fragt Ho nach Erinnerungen an die Förster Straße. Besonders Flora und Fauna. Ho antwortet, sie hätte keine Ahnung. An den Verteidiger gerichtet: „Müssen sie halt hinfahren und schauen wie die Aussicht ist“ (Zeugin Ho wirkt zunehmend gereizt).
Der Verteidiger lässt sich nicht beirren und fragt, ob sie die Festnahme selber beobachtet hätte. Ho schüttelt den Kopf. V fragt, ob die Person nach dem Wurf weiterlief. Ho glaubt ja. V fragt, ob sie den Moment des Verlangsamens gesehen hat. Ho sagt, ja, das hätte sie. Das fand sie ja beeindruckend. (Das Verlangsamen als das Polizeiauto in die Straße einbog meint sie.) V fragt, ob Ho die Personen von vorne gesehen habe. Ho antwortet, „maximal im Profil. Ich würde keinen auf einem Foto wiedererkennen.“
V fragt, ob das Polizeiauto aus dem Rücken kam, Ho bejaht dies. Er fragt weiter, ob sie beide Tüten gesichert und ohne Handschuhe angefasst hätte. Ho bejaht dies, das hätte sie mit Zeugin R. gemacht.
V fragt, wohin die Drogen verbracht wurden. Ho sagt, sie seien ins Auto auf den Rücksitz verbracht worden.
[…]
V fragt nach Erinnerungen an die Situation nach der Festnahme. Ho sagt, es hätten zwei drei Kollegen rumgestanden. Auf die Frage des Verteidigers, wie die Mengenverhältnisse waren bezüglich der aufgefundenen Drogen im Gebüsch und Auto sagt Ho, dass vom Volumen her mehr im Paket gewesen sein müssen. Weiß sie aber nicht genau. 5 bis 10 Tütchen seien im Busch gewesen, unter dem Auto ein größeres eingeschweißtes Paket.
Zeugin Ho wird entlassen. Zeuge Me tritt ein und wird belehrt. Er kommt aus Lüdinghausen, ist Polizeibeamter und 40 Jahre alt. Die Richterin fragt nach dem Tathergang des 29.04.17. Me sagt, er sei unterwegs gewesen im Görli, hätte Martinshorn gehört und dann sei Personengruppe vorbeigerannt. Er sei einer Person hinterhergerannt. Vor seiner Schilderung holt Me tief Luft und setzt sicher an, wie zum erzählen einer Geschichte, die er schon oft erzählt hat.
Zeuge Me zeigt eine mitgebrachte Google Maps Skizze und alle Beteiligten treten an den Tisch zur Inaugenscheinnahme. Er habe sich auf den Tag heute besser vorbereiten wollen als auf die Anhörung in erster Instanz. Er spricht sehr laut.
Richterin fragt nach Angaben zur Gruppe. Me erwidert, er hätte sich auf die Person mit dem Blauen Parka fokussiert. „Ich bin hinter einer Person, die an mir vorbei lief, hinterhergelaufen.“ Sonst kaum Erinnerung. Auf jeden Fall mehr als eine Person.
Richterin fragt nach Merkmalen der Gruppe: Kleidung, Verhalten, Äußeres. Me sagt, mindestens eine Person sei dunkelhäutig gewesen. Er hätte die verfolgte Person durchweg nicht aus den Augen verloren. „Einer Person hinterherzugehen war das Naheliegenste.“
[Anmerkung: Widerspruch zu Ho: Me sagt, er sei einer Person hinterhergelaufen, die nah an ihm vorbei lief. Diese habe einen blauen Parka gehabt. Diese Person habe er dann dabei beobachtet, wie sie etwas unter das Auto warf. Ho schilderte es so, dass sie erst die Wurfbewegung sahen, und sich dann aufteilten. Nach Me habe es keine Absprache mit Kolleginnen gegeben, wer wem hinterherlaufen soll.]
Richterin fragt nach Erinnerungen zur Wegwerfsituation. Me antwortet, er hätte nicht gesehen, dass die Person etwas in der Hand gehabt hätte. Person hätte sich am Auto geduckt und hat dann Wurfbewegung gemacht. Die Kollegen müssten dies auch gesehen haben. Zeuge Me simuliert die Wurfbewegung mehrmals vor dem Richterpult.
Richterin fragt nach Passanten. Me antwortet, er hätte keine wahrgenommen. Richterin fragt Me nach dem Weg der wegwerfenden Person. Me sagt, er hätte fliegende Beutel nicht gesehen. Nach Wegwerfen ging es im Laufschritt weiter. Person hätte sich mehrmals umgedreht. Die Person hätte den verfolgenden Me aber nicht gesehen. Dann kam der Bus um die Ecke und Person verlangsamte Schritt. Es sei alles sehr „dynamisch“ gewesen. Die Richterin fragt, ob Me später über den Inhalt des Beutels informiert wurde. Daran hat Me jedoch keine Erinnerung mehr. Er habe nur mitbekommen, dass der Beutel zur Fahrerseite hineingegeben wurde, wer den Beutel herausgeholt hat, könne er nicht mehr sagen.
Verteidiger fragt, ob Me mit seinen Kollegen gesprochen hätte seit dem letzten Mal. Me bejaht dies, aber das Gespräch sei nicht inhaltlich gewesen.
Verteidiger fragt, ob er mit Zeugin R und Zeugin Ho gesprochen hätte. Me bejaht dies, das Gespräch sei telefonisch gelaufen. V hakt nach, ob er auch mit Zeugin R gesprochen hätte. V bejaht dies, ebenfalls telefonisch. V fragt, ob dies auch nach der letzten Hauptverhandlung geschehen sei. Me. bejaht dies. „Natürlich haben wir nochmal darüber gesprochen, dass Sie auch danach gefragt haben, ob wir uns abgesprochen haben.“
V fragt, ob er wirklich nichts Inhaltliches mit den anderen Zeuginnen besprochen hätte. Also auch nicht über abweichende Wahrnehmungen bezüglich der Straßenseite. Me erwidert, er hätte nichts, „gar nichts“ dazu gesagt. V will wissen, ob er nach der letzten Hauptverhandlung nicht mit Ho über die Straßenseite geredet hätte.
[Zeuge Me ist zu diesem Zeitpunkt aggressiv und reagiert äußerst schnippisch. Er bleibt angespannt und aufbrausend bis zum Ende der Vernehmung.]
Me erwidert forsch, er hätte nicht darüber mit Ho geredet. Er erinnere sich an nichts.
[StA hat Gesicht in seinen Händen vergraben. Er wirkt müde und desinteressiert.]
V fragt Me, ob es also stimmte, dass Me keinen Austausch mit Zeugin R und Ho gehabt hat. Me bejaht dies, er hätte sich nicht inhaltlich mit ihnen ausgetauscht. [Spätestens an dieser Stelle besteht klarer Widerspruch zur Aussage der Zeugin Ho, die ja berichtet hatte, dass Me ihr sogar amüsante Passagen der Zeugenaussage der Zeugin R berichtet hatte.]
V fragt, ob es sonst irgendeinen Austausch gegeben hätte. Me erwidert, er hätte keine Gespräche darüber geführt.
V fragt, wie weit er vom Wurf entfernt gewesen sei. Me sagt, die Entfernung sei vom Gehweg rechte Seite bis zur PKW-Reihe gegenüber gewesen, zwei bis drei Meter. Nach dem Beobachten der Wurfbewegung habe er sich nicht weiter mit den beiden Bekannten abgesprochen. V fragt nach Maßnahmen zur Eigensicherung bei der Verfolgung. Me gibt an, er habe Sicherheitsabstand gehalten, weil er ein mulmiges Gefühl bei der Verfolgung gehabt habe. Seine Einkäufe habe er auch abgestellt, um mobiler zu sein. Die weglaufende Person habe ihn jedoch nicht im Fokus gehabt, weswegen er sich nicht konkret bedroht fühlte.
V fragt Me, ob er sich erinnern könnte, ob sich eine Person umgedreht hätte. [Antwort nicht verständlich]
Der Verteidiger fragt Me nach einer Skizze des Verfolgungsgeschehens, die Me sodann anfertigt. Es folgt ein Wortwechsel über die Bepflanzung der Straße.
Me sagt, er hätte nicht mehr mit den Berliner Kollegen gesprochen, die die Festnahme gemacht haben. Sie hätten ihn auch nicht mehr gefragt, ob der Festgenommene die Person war, die etwas unter das Auto warf. Die Festnahme habe ohne seine Mitwirkung stattgefunden. Als der Polizeibus kam, gab es keine Verfolgung mehr. Die Festnahme sei eine „ganz geschmeidige Angelegenheit“ gewesen.
Anhand der Skizze beschreibt Me nochmals den Verlauf. Die Person sei an ihm vorbei gelaufen, woher sie kam, habe er nicht sehen können. Die Person habe dann das Paket seitlich unter das Auto geworfen. Andere Personen habe Me nur im weiten Abstand wahrnehmen können. Er könne nicht ausschließen, dass andere Personen kurz zuvor am Auto entlang gegangen sind.
V fragt, wie viele Personen die Festnahme vorgenommen hätten. Me antwortet, es hätten mindestens zwei sein müssen. V fragt, ob sich Me an sonstige Kleidungsmerkmale erinnern könne. Nein, nur an den blauen Parka. Ob es die Person hier im Gericht sei, könne er aber nicht sagen.
V weist ihn darauf hin, dass er danach gar nicht gefragt hatte. [Es folgt ein kurzes Gespräch mit Prozessbeobachter H.] V fragt, ob sich Me an eine Kapuze erinnern könnte. Me sagt, das könne er nicht, es sei aber auch warmes, sonniges Wetter gewesen.
Zeuge Me wird unvereidigt entlassen. Zeuge Be kommt rein und wird belehrt. Er ist 28 Jahre alt und Polizeibeamter aus Berlin.
Auf die Frage der Richterin nach dem Tathergang des 29.04.17 erzählt er, dass er den Auftrag erhielt, den Görli zu bestreifen. Dann stießen sie auf die rennenden Menschen [schwer verständlich] etwa 10 bis 15 Personen, die in Richtung des südlichen Ausgangs des Parks liefen.
Er lief einer Person hinterher und nahm sie fest. Das hier verhandelte Geschehen sei 20 Minuten später gewesen und er sei da nicht dabei gewesen. Deshalb könne er zur Sache nichts sagen. Er hätte später die Anweisung bekommen, eine Strafanzeige zu erstellen.
[…]
Zeuge Be wird unvereidigt entlassen. Zeuge Ha wird belehrt. Er ist 28 Jahre alt und Polizeibeamter in Berlin. [Er sitzt breitbeinig vor der Richterin, sein Motorradhelm liegt rechts neben ihm auf dem Tisch. Seine Antworten sind allesamt kurz und schnippisch.]
Richterin fragt ihn nach Erinnerungen an den 29.04.17. Ha fragt, ob er nochmal von vorne anfangen soll. Die Richterin erwidert, dass sie immer von vorne anfangen müsse. Ha erläutert seine Erinnerungen. Er erzählt, dass es wie ein Ameisenhaufen sei, wenn man den Görli als Polizist betrete. Dann habe er mitgeteilt bekommen von Zeugin Ho, dass jemand die Straße entlang liefe, der etwas unter ein Auto warf. Er sei zuvor auf dem Auto mitgefahren, was in die Straße eingebogen war, zum Zeitpunkt der Ansprache war er außerhalb des Autos.
Die Richterin stellt ihm Fragen zum Auto. Ha reagiert genervt, er wisse nicht, ob das überhaupt relevant für den Sachverhalt sei. Richterin: „Kann relevant sein, kann nicht.“ Sie betreibe gründliche Sachverhaltsaufklärung. [Ha scheint sich nicht sicher zu sein, wann er in oder außerhalb des Autos war und die Situation nicht mehr genau zu erinnern.]
Die Richterin verliest das Sicherstellungsprotokoll der Drogen und fragt ihn nach Erinnerungen bezüglich der Festnahme. Zeuge Ha sagt, der Festgenommene hätte sich nicht gewehrt, er sei ruhig gewesen. Ha sei aus dem Auto ausgestiegen, habe den A an die Wand gestellt, zur Eigensicherung und Beweissicherung. Die Richterin fragt, wie belebt die Försterstraße war. Ha antwortet, dass könne er nicht mehr sagen, ob da 10, 20 oder 5 Personen waren. Da war sicher der Tatverdächtige.
V stellt einige schwer verständliche Fragen. Zeuge Ha sagt, Zeugin Ho hätte ihm zugerufen „da vorne ist er“ und nach der Festnahme noch mal bestätigt, dass der Festgenommene die betreffende Person ist.
Zeuge Ha wird unvereidigt entlassen.
Die Richterin fragt den Verteidiger, ob er einen Antrag stellen möchte. Sie fragt ihn, ob er weiter eine Freispruchverteidigung betreiben wolle, oder ob er vorhabe, „etwas zu besprechen“. Im Raum stünde beidseitige Rücknahme der Berufung oder Rechtsfolgenbeschränkung. Es wirkt so, als würde sie ihm Entsprechendes nahelegen wollen.
Zeugin Str wird belehrt. Polizistin aus Berlin. [im Protokoll der ersten Instanz heißt sie Frau S.]
Str schildert den Tathergang […]. „Wie es dann so ist, wenn man mit dem Polizeiauto in den Görli fährt, wie ein Taubenschlag, alle rennen weg.“ Ihren Angaben zufolge gab sich Zeugin Ho ihr gegenüber als Polizistin zu erkennen und gab an, dass eine Person ein Paket unter ein Auto geworfen hätte. Die Straße sei unbelebt gewesen [Die Ausführungen zu Festnahmesituation sind nicht verständlich]. Nach der Festnahme hätte sie die Verkaufseinheiten gezählt. Sichergestellt wurde Bargeld und Betäubungsmittel. Die Richterin hält Zeugin Str vor, dass sich aus dem von ihr unterschriebenen Protokoll ergibt, dass 123 Euro in Scheinen und Münzen sichergestellt wurden.
Richterin fragt nach Informationen zum Fundort. Zeugin Str antwortet, dass Zeugin Ho von weiteren Zeugen über einen zweiten Fundort informiert wurde. Richterin fragt, wie die BTM sichergestellt wurden. Zeugin Str sagt, sie seien im Auto auf dem Beifahrersitz gelagert worden.
Die Richterin blättert in der Akte und stellt fest, dass es keine Differenzierung zwischen den Fundorten Busch/Auto gibt. Es sei alles sehr unpräzise. Die Richterin fragt nach dem Zusammenhang des Gespräches mit Zeugin Ho. Zeugin Str antwortet, Zeugin Ho hätte ihr Ecke Förster/Wiener Str. das Paket mit den Drogen überreicht. Die Zeugin Str erinnert sich nur an ein Paket, welches sie von Zeugin Ho überreicht bekommen habe.
Die Richterin fragt, wer noch im Auto war. Str antwortet, das sei nur der Praktikant gewesen. Herr Ha sei am Anfang der Straße mit ins Auto gestiegen und am Ende wieder ausgestiegen und habe dort die Festnahme gemacht.
Der Verteidiger fragt, ob sich Zeugin Str auf die Verhandlung vorbereitet habe. Str bejaht dies, sie habe ihre Strafanzeige gelesen. V fragt, ob sie sich mit Kollegen ausgetauscht hätte. Str antwortet, dass sie gerade aus dem Urlaub komme und sich nicht weiter vorbereitet hätte.
V fragt nach der Festnahmesituation und Fingerabdrücken auf dem Paket. Zeugin Str sagt, generell würden Drogen nur mit Handschuhen angefasst. Die NRW-Polizisten hätten im näheren Umfeld gestanden. Die Verfolgung des A durch Zeugen Me habe sie nicht mitbekommen. Wer die Tüte aufgemacht hätte, wisse sie nicht. Danach lagen die Tüten lose im Auto rum, das Paket sei geöffnet worden. Die Verkaufseinheiten seien in der großen Tüte gewesen. Die Festnahme hätte sie gesehen. […] Parallel hätte es weitere Festnahmen gegeben in der Nähe.
Zeugin Str wird unvereidigt entlassen. Zeuge W, 33 aus Berlin und Polizist wird belehrt. [Anmerkung: im Protokoll der ersten Instanz heißt dieser Zeuge Herr L.]
Es folgt eine Vernehmung zur Sache. Zeuge W gibt an, dass die Polizei einen Anruf erhielt mit dem Hinweis, im Görlitzer Park würde gerade gedealt. Der Hinweis bezog sich auf die Merkmale Rotes Käppi, Rote Schuhe. Diese Person hätte er sodann gleich verfolgt, sei ja sehr markante Merkmale gewesen. Im Görlitzer Park hätte er die Person jedoch aus den Augen verloren. Danach gibt Zeuge W an, dass ihn Zeugin Ho explizit bestätigt hätte, dass die Verdächtige Person BtM unter das Auto gelegt hätte.
Die verdächtige Person sei nicht die einzige Person gewesen, die gelaufen sei in der Försterstraße. Die Lage sei trotzdem übersichtlich gewesen.
StA fragt, ob er das Paket selbst gesehen hätte. Zeuge W bejaht dies, er hätte das Paket mit Handschuhen angefasst. Er hätte mit Zeugin Str nicht inhaltlich vorab über seine Aussage besprochen.
V fragt, ob Fingerabdrücke genommen worden seien. Zeuge W sagt, dass normalerweise die Spurensicherung das machen würde. Er hätte jedenfalls den notwendigen Vermerk auf das Paket befestigt. [Prozessbeo: Es wurden keine Fingerabdrücke genommen, siehe alte Protokolle]
Zeuge W wird um 13:45 Uhr entlassen. Es folgt ein Gespräch mit der Richterin, die gerne am Freitag den Prozess mit den Plädoyers beenden würde.
Ende des Verhandlungstages. Nächster und evt. letzter Termin Freitag 13.04 Raum 618.