Blauer Parka – 2. Verhandlungstag

Prozessprotokoll vom 20.11.17
AG Tiergarten, Wilsnacker Straße 4, Raum C106
Beginn der Verhandlung: angesetzt für 12:30, tatsächlicher Beginn etwas später

Anwesende:

  • Richter (R), Schöffe, Schöffin (weiß)
  • Oberstaatsanwalt (OStA) (weiß)
  • Der Angeklagte (A) (PoC)
  • Verteidiger (V) mit einer Prozessbeobachterin (weil Referendar/Praktikant nicht da) (weiß)
  • Dolmetscherin für Englisch (weiß)
  • Protokollantin (weiß)
  • Frau, die gegenüber der Verteidigung sitzt (weiß) [Gerichtspraktikantin?]
  • 2 Justizbeamte, eine Gerichtspraktikantin (weiß)
  • 3 solidarische Prozessbeobachterinnen (weiß)

Die beiden Zeug*innen, Frau B. und Herr Me. sind zu Beginn bereits im Saal, werden aber gebeten, wieder rausgehen. Der Richter eröffnet die Verhandlung.

Der Verteidiger verliest einen Antrag: Der Prozess solle eingestellt werden, da es ein Prozesshindernis gebe: Die 31 gefundenen Szenetütchen seien vernichtet worden, ohne dass sie auf Fingerabdrücke untersucht wurden. Damit sei dem Angeklagten die Möglichkeit genommen worden, seine Unschuld zu beweisen. Er habe nämlich keine Tütchen dabei gehabt. Die Ermittler hätten damit gegen ihre Beweissicherungspflicht verstoßen.

Der Staatsanwalt beantragt, dass der Antrag abgelehnt wird. Der Richter lehnt den Antrag daraufhin ab. Er stellt fest, dass daktyloskopische Tests auch nicht immer erfolgreich seien.

Die 1. Zeugin, Frau B., Polizeibeamtin aus Duisburg, wird aufgerufen und belehrt. Der Richter fordert sie auf zu erzählen, was an dem in Rede stehenden Tag passiert ist. Frau B. meint, sie könne sich noch sehr gut an dem Vorfall erinnern. Sie sei an dem Tag mit Frau Ho. und Herrn Me. in Berlin unterwegs gewesen. Sie seien von der Markthalle 9 gekommen und in Richtung des Görlitzer Parks unterwegs gewesen. Sie hätten noch über das Geschehen im Park [vermutlich Görli als gefährlicher Ort, leider ungenaue Notizen] unterhalten. Dann hätten sie 4-8 männliche Personen gesehen und ein Martinshorn gehört. Sie seien auf der rechten Straßenseite gewesen und hätten dann gesehen wie eine Person eine Tüte unter ein Auto geworfen hat, das auf der linken Seite geparkt war. Die Person sei auf der linken Straßenseite weitergelaufen. Herr Me. sei der Person hinterher gelaufen. Sie sei mit Frau Ho. zum Auto gegangen und habe das Zeug sichergestellt: eine große Alukugel, in Zellophan verpackt [evtl. auch noch zwei Tüten, leider ungenaue Notizen].

[…]

Der Richter fragt die Zeugin, ob sie es gesehen habe, wie jemand etwas ins Gebüsch geworfen hat. Frau B. sagt, sie habe das nicht gesehen, das habe eine ältere Dame gesagt, die sie und Frau Ho. angesprochen hat. Der Busch sei etwa fünf Meter vom Auto gewesen. Der Richter will wissen, wie viele Tüten sich im Busch befanden. Frau B. kann es nicht sagen. Die Tüten hätten am Ende alle zusammen auf dem Beifahrersitz des Polizeiautos der Berliner Beamt*innen gelegen.

Der Richter fragt, ob Frau B. die laufende Person die ganze Zeit im Blick gehabt habe oder ob sie eher mit den Tüten beschäftigt war. Frau B. antwortet, zuerst habe sie die Person im Blick gehabt, dann sei sie mit dem Aufsammeln beschäftigt gewesen. Herr Me. sei der Person aber gefolgt, und wegen der Jacke sei er auch leicht zu identifizieren gewesen.

Richter: Was für eine Jacke war das? Frau B. [antwortet schnell]: Ein blauer Parka.

[…]

Der Verteidiger fragt, ob Frau B. auf der rechten Seite der Forster Str. war. Sie bejaht dies, sie sei 100% sicher.

[…]

Zur Fahrerin des Polizeiautos sagt Frau B., dass es Gespräche mit ihr gegeben habe. Sie sagt weiterhin, dass die Fahrerin einen etwas „ungewöhnlichen“ Look gehabt habe, stark geschminkt, schwarze Haare, wie die Polizeibeamtinnen nicht in NRW aussähen.

Der Verteidiger fragt, auf welcher Höhe [vermutlich in der Forster Straße] die flüchtende Person sich befand. Frau B. beschreibt, dass sie und Frau Ho. um Herrn Me., Angst gehabt hätten, da Herr M. den Mann ja alleine verfolgt habe.

Auf Nachfrage: Herr Me. und die Person seien zuerst gerannt, dann gegangen. Sie habe dies gut wahrgenommen, weil sie sich Sorgen wegen Herrn Me. gemacht habe – ihm hätte was passieren können [sie performt Sorge, regt sich ein bisschen auf].

[…]

Der Verteidiger fragt dann, ob Frau B. sich auf den Termin vorbereitet habe und ob es Absprachen mit Frau Ho. und Herrn Me. gegeben habe.

Frau B. antwortet, sie habe nie gedacht, dass es zu einem Verfahren komme. Verteidiger: Wieso? Frau B: Es sei ja nicht der Kriminalfall schlechthin. Sie wäre jetzt lieber im Urlaub [leicht empört]. Dazu sagt der Verteidiger dass er auch lieber nicht im Gerichtssaal wäre.

Der Verteidiger fragt nach Telefonaten an Frau Ho. Frau B. schaut ihre Anrufliste durch. Am Dienstag [es scheint sich um einen Tag kurz vor dem heutigen Verhandlungstag zu handeln] um 10:45 habe sie Frau Ho. versucht anzurufen, ohne Antwort.

Dann geht es um eine Sprachnachricht von Frau Ho. Der Verteidiger will wissen, was darauf ist, will die Nachricht anhören. Der Richter meint, das sei nicht erlaubt gegen den Willen der Zeugin. Dazu meint Frau B., sie könne es nur aus ihrer Erinnerung beschreiben. Frau Ho. habe in der Nachricht darauf hingewiesen, dass Fragen noch offen wären.

[…]

Der Verteidiger fragt noch, ob sie heute mit Herrn Me. in Berlin gesprochen habe, vor der Verhandlung. Frau B. meint, sie habe sich mit ihm gegen 12 Uhr getroffen, kurz gesprochen.

Dann bittet der Verteidiger die Zeugin, auf einem Bild der Forster Straße etwas zu zeigen [die Prozessbeteiligten gehen nach vorne zum Richterpult]. Der Verteidiger fragt, wie viele Autos in der Forster Straße geparkt waren und welche Position die Autos hatten (parallel oder schräg). Frau B.: Eher schräg, so dass man sehen konnte, wenn jemand etwas dazwischen wirft. Dann regt sie sich wieder auf: „Warum zeigen Sie mir ein altes Bild aus dem Jahr 2008?“ Der Verteidiger erwidert, dass es sich um einen aktuellen Ausdruck handele. Die Zeugin weiter: Wollen Sie meine Erinnerung beeinflussen? Es sollte ja hier darum gehen, dass ich meine Erinnerungen selbst schildere [empörter Tonfall].

Verteidiger: Können Sie sich an die Kleidung der anderen flüchtenden Personen erinnern? Frau B. antwortet, sie könne nur die eine blaue Jacke erinnern. Es sei ja warm gewesen, diese Jacke sei außergewöhnlich gewesen.

Der Verteidiger sagt dazu, sie müsse dann eigentlich auch die Kleidung der anderen beschreiben können. Frau B. empört sich wieder: Muss ich nicht. Wenn ich ein weißes Pferd unter 100 schwarzen Pferde sehe, fixiere ich mich auch auf das weiße Pferd [Anmerkung: interessante Farbauswahl].

Der Verteidiger stellt weitere detaillierte Fragen: ob die Person eine Tasche hatte (weiß nicht), zur Hosenfarbe, Kapuzenpulli [Antworten nicht notiert]. Frau B. betont noch einmal, sie habe nur an den Parka gedacht, weil dieser so lang gewesen sei, und das an einem warmen Tag.

Der Verteidiger fragt, ob sie die Festnahme gesehen habe. Sie verneint. Sie hätten den Berliner Kollegen dann noch ihre Personalien mitgeteilt. Und dann seien sei auch ziemlich schnell weg gewesen. „Wir hatten ja Freizeit.“

Zu den Fragen des Verteidigers zum Polizeiauto: Frau B. habe das Auto gesehen, dort seien weitere Personen gewesen. Wie viele genau, wisse sie nicht, vielleicht zwei. […]

Der Richter fragt: Waren es eine große und mehrere kleine Tüten auf den Beifahrersitz und die große war offen? Waren die losen und die große Tüte identisch? Frau B. antwortet, es habe keinen Unterschied gegeben. Ob es einen Aufdruck gegeben habe, wisse sie nicht.

Der Verteidiger fragt nach der alten Dame, die das Wegwerfen in den Busch gesehen haben will. Frau B meint, die Dame sei von „oben“ gekommen, aus der Richtung, in die der Mann im blauen Parka geflüchtet sei.

Die Verhandlung wird kurz unterbrochen, damit der Verteidiger und der Angeklagte sich besprechen können.

Der Verteidiger fragt dann noch, aus welcher Richtung die Person kam, die das Päckchen weggeworfen hat. Frau B. antwortet, sie wisse es nicht, evtl. von hinten schräg. Der Verteidiger fragt, ob die Person vom Bürgersteig gekommen sei. Frau B. verneint dies, sie habe die Person erst auf der Fahrbahn wahrgenommen.

13:40 Frau B. verlässt den Saal. Der Verteidiger bittet sie, noch draußen zu warten, falls er später noch Fragen haben sollte. Sie versucht sich auf eine Publikumsbank zu setzen, wird aber gebeten, den Saal zu verlassen.

Der 2. Zeuge wird aufgerufen: Herr Me., 45 Jahre, Polizeibeamter aus Nordrhein-Westfalen

Der Richter bittet den Zeugen, seine Erinnerungen an den Vorfall zu beschreiben. Herr Me. erzählt, er sei mit Frau B. und Frau Ho. n Berlin unterwegs gewesen. Sie hätten den Görlitzer Park durchquert. Wie die Straße hieß, wisse er nicht, aber sie hätten gehört, dass sich Polizeikräfte näherten (am Martinshorn). Sie hätten fünf oder vier oder vielleicht auch drei oder sechs männliche Personen gesehen, die gelaufen seien. Eine Person sei von hinten links gelaufen, zur anderen Seite, und habe was unter ein Auto geworfen. Herr Me. sei ihm ca. fünfundzwanzig bis dreißig Meter gefolgt.

[…]

Richter stellt Fragen: Haben Sie das wegwerfen gesehen? Herr Me. bejaht dies. Richter: Konnten Sie die werfende Person sehen? Herr Me: ja. Die Person sei langsamer geworden und habe sich umgedreht, um zu checken, ob ihm jemand folgt. Er habe die Bewegung gut sehen können [Herr Me. macht eine große, werfende Bewegung mit dem rechten Arm].

Der Richter fragt ob, ob Herr Me. einen ununterbrochenen Blickkontakt zu der Person gehabt habe. Darauf antwortet Herr Me. sehr selbstsicher: Ja! Zu 100 Prozent.

Zur Frage, woran er die Person identifiziert habe, sagt er: „Er hatte eine lange Jacke an, einen Parka. Wenn ich mich richtig erinnere, war die Farbe Blau.“ [Anmerkung: Dieser Satz kommt uns künstlich und eilig vor, wie vorher geübt]

Auf Nachfrage: Die ganze Verfolgung vom Wegwerfen bis zur Festnahme habe nur kurz gedauert, vielleicht 15-20 Sekunden.

[…]

Der Richter fragt, ob Herr Me. eine zweite flüchtende Person gesehen habe. Herr Me. erwidert, er habe nur eine Person gesehen, habe sich auf diese Person konzentriert. Er begründet es damit, dass er privat unterwegs gewesen sei. Er könne nicht sagen, ob da noch eine zweite Person war.

Vorne am Richterpult wird ein Ausdruck vom googlemaps in Augenschein genommen.

Der Verteidiger fragt Herrn Me., ob sich für diese Aussage vorbereitet habe. Er verneint. Der Verteidiger fragt, ob er mit den anderen Zeug*innen über ihre unterschiedlichen Wahrnehmungen gesprochen habe. Er habe doch mit Frau Ho. telefoniert? Herr Me. sagt dazu, dass sie natürlich telefoniert hätten. Sie seien ja befreundet und Kollegen.

Verteidiger: Haben Sie mit Frau Ho. ein Gespräch darüber gehabt, ob Sie auf der linken oder rechten Straßenseite waren? Herr Me. reagiert empört: Sie hätten nichts abgesprochen! Frau Ho. habe ihm lediglich mitgeteilt, dass das Verfahren noch länger dauern würde.

Der Verteidiger hält Herrn Me. vor, dass Frau B. ausgesagt habe, dass Sie auf der rechten Seite gewesen seien, wohingegen Frau Ho. behauptet habe, sie seien auf der linken Seite gewesen. Herr Me. wirkt daraufhin noch aufgeregter, schreit fast, dass sie sich NICHT abgesprochen hätten, sonder lediglich darüber gesprochen hätten. Und sie hätten generell „über die Problematik Görlitzer Park“ gesprochen.

Der Verteidiger fährt mit seiner Befragung fort und fragt, ob sie darüber gesprochen hätten, auf welcher Höhe der Straße sie waren und wann die Gespräche stattgefunden hätten. [Die Empörung von Herrn Me. steigert sich noch weiter, darauf deuten zumindest seine Körpersprache und „Zwischenrufe“ hin.]

Der Richter regt sich ebenfalls auf und wirft dem Verteidiger vor, dass er dem Zeugen Worte in den Mund lege. Der Verteidiger entschuldigt sich und erklärt, dass er nur wissen wolle, ob es Gespräche darüber gegeben habe, auf welcher Straßenseite sie sich befanden. Herr M. verneint das.

Der Verteidiger fährt fort, dass Frau B. gesagt habe, dass Uneinigkeit mit Frau Ho. zur Frage bestand, ob sie auf der rechten oder linken Seite waren. […] Herr Me. sagt dazu, dass er lediglich den Kolleginnen seine Wahrnehmung geschildert habe. […]

Der Verteidiger fragt, ob es ein Dreiergespräch gewesen sei. Herr Me. antwortet, dass er nur sagen könne, dass der Vorfall sieben Monate zurückliege [wirkt wieder empört].

Zu einem späteren Zeitpunkt fragt der Verteidiger wieder, ob es also ein Gespräch über die Straßenseite gegeben habe. Herr Me. sagt, es habe eine „Schilderung der Wahrnehmung“ gegeben.

Der Verteidiger fragt, ob Herr Me. häufig mit Frau Ho. aus beruflichen Gründen zu tun habe, ob dies auch in der vergangenen Woche der Fall gewesen sei. Herr Me. bejaht die Frage. Der Verteidiger fragt, ob sie dann nicht über die Straßenseite gesprochen hätten. […]

Das Thema „absprechen“ bzw. „Wahrnehmungen vergleichen“ wird verlassen. Der Verteidiger stellt eine Reihe anderer Fragen: Auf welcher Höhe haben Sie das Martinshorn gehört? Herr Me. antwortet: Wir waren ein bis zwei Hauseingänge in die Straße rein. Verteidiger: Haben Sie sich dann umgedreht? Herr Me. verneint dies, sie seien weitergelaufen. Verteidiger: Wie lange dauerte es, bis die Personen kamen? Herr Me.: Es habe einen Moment gedauert. Verteidiger: Waren die Personen dann noch auf der rechten Seite waren? Herr Me.: Ja, sie hätten sich dann verteilt. Eine Person sei langsamer gegangen. Sie habe dann die Straßenseite gewechselt, etwas unter ein Auto geworfen, sei dann weiter auf dem linken Gehweg gelaufen. Herr Me. sagt weiterhin, er könne sich nicht erinnern, aus welcher Seite die Person etwas unter das Auto geworfen habe.

Dann gehen alle nach vorne zum Richterpult, Herr Me. soll die Situation aufzeichnen.

Herr Me. sagt, er habe nicht gesehen, dass jemand etwas in den Busch geworfen habe.

Zur Festnahme […] Herr Me. sagt, er habe die Festnahme sehen können, wisse aber nicht mehr, ob er zu diesem Zeitpunkt fünfundzwanzig Meter entfernt war, vielleicht weniger. Da seien mehr als zwei Beamt*innen gewesen, er sei aber nicht sicher, wie viele.

[…]

Ob es weitere Festnahmen gab, verneint Herr Me., er sei nicht ganz sicher (Achselzucken), würde aber sagen, dass nein.

Der Verteidiger fragt zu Details des Aussehens der „wegwerfenden“ Person: Hatte er eine Tasche (nein), Hosenfarbe? Kapuzenpulli? Frisur? Herr Me. antwortet, die Person habe viele Haare gehabt, etwas mehr als der Angeklagte [deutet auf den Angeklagten].

Der Verteidiger fragt, ob Herrn Me. und den Kolleginnen im Görlitzer Park Personen aufgefallen seien. Herr Me. meint, dass da Leute standen, und dass sie auch unter sich darüber gesprochen hätten: „man würde sagen, da wird gedealt.“

Herr M. verlässt den Saal um 14:15. Die Verhandlung wird unterbrochen.

Fortsetzung um 14:40 Frau B. wird erneut aufgerufen.

Der Verteidiger fragt zu den unterschiedlichen Wahrnehmungen von Frau B. und Frau Ho. zur Straßenseite – wie es dazu gekommen sei.

Frau B. erklärt, dass sie nach dem Studium noch ein MA-Studium gemacht habe, nachdem sie 2012 ein Kind bekommen habe. Deswegen habe sie jetzt einen besseren Job – sie habe Kriminologie studiert. Sie wisse, dass es Wahrnehmungsunterschiede gebe.

Sie beschreibt dann ziemlich genau, teilweise wortwörtlich ein Gespräch mit Herrn Me. Herr Me. habe gesagt, dass er sich nicht an viel erinnern könne. Sie selbst könne sich aber gut erinnern. […] Frau Ho. habe gedacht, sie seien auf der linken Seite gewesen, aber sie seien tatsächlich auf der rechten Seite gewesen [leider sind die Notizen an dieser Stelle sehr ungenau].

Auf die Frage des Verteidigers, wann das Gespräch stattgefunden habe, sagt Frau B. plötzlich in anderer Tonlage [klingt ein wenig aggressiv]: Sie könne sich nicht erinnern.

Verteidiger: War das eher einen Tag nach dem Vorfall oder vor zwei Tagen? Frau B.: Sie könne es nicht sagen. Aber es sei nicht gleich danach gewesen. Sie erwähnt September/Oktober, da sei sie zusammen mit Frau Ho. auf einer Weiterbildung gewesen.

Der Verteidiger ist überrascht: Aber Sie haben es vorher sehr genau beschrieben! Warum können Sie es jetzt nicht mehr erinnern? Frau B. wirkt empört, verärgert. Sie sagt lauter, dass sie mit einem Philosophen verheiratet sei und Kriminologie studiert habe und dass sie sich nicht von solchen Fragen „stigmatisieren lassen“ würde.

Um 14:45 verlässt Frau B. den Saal. Der Verteidiger bittet um Zeit, um sich mit seinem Mandanten zu besprechen und um eine Einlassung vorzubereiten.

Um 15:35 wird fortgesetzt.

Der Verteidiger nimmt den Beweisantrag vom 13.11. zurück (Sachverständiger über Wahrnehmung von andere „Ethnien“).

Der Verteidiger trägt die Einlassung vor:

„Ich bin unschuldig, ich hatte kein Marihuana dabei, habe nichts von dem gemacht, was mir vorgeworfen wird. An dem Tag war ich in einem Wettbüro am Hermannplatz gewesen, um auf Fußballspiele zu wetten. Danach war ich in der Ohlauer Straße an einem Spielsalon, habe Tee getrunken. Nach dem Freitagsgebet wollte ich in ein Gambisches Restaurant gehen, das sich in der Reichenberger Straße Ecke Forster Straße befindet.

Von der Wiener Straße bog ich rechts auf die Forster Straße ein, bin in normalem Tempo gelaufen. Dann habe ich gesehen, wie vier bis fünf Personen mir vorbeirannten. Ich habe nicht gesehen, dass sie etwas weggeworfen hätten.

Am Samstag war ich wieder im selben Wettbüro, ich habe dort einen Bekannten getroffen und er hat sich bei mir entschuldigt: Weil ich Probleme wegen seinem Gras bekommen habe. Er habe es unter das Auto geworfen. Er hatte ein schlechtes Gewissen, konnte auch nachts nicht schlafen. Er hatte auch eine blaue Jacke, die gleiche wie ich. Diese Jacke haben wir beide beim selben Händler gekauft.

Ich bin normal gelaufen, ich hatte ja nichts zu fürchten, habe nichts falsch gemacht.

Ich hatte auch Geld im April, ich hatte kein Bedarf mit Drogen zu handeln. Ich habe im April 290 Euro vom Sozialamt bekommen und 130 Euro von Wetten. Außerdem war ich auf Bewährung: In dieser Situation gehe ich nicht zum Görlitzer Park mit Gras, wo jeden Tag hindert Menschen kontrolliert werden.“

Der Richter hat ein paar Nachfragen. Zur Chronologie: Der Vorfall sei ja nicht an einem Freitag passiert, der 29. April sei vielmehr ein Samstag gewesen. Der Tag danach sei also ein Sonntag gewesen.

Der Verteidiger erkennt den Fehler.

Der Richter fragt den Angeklagten, auf welche Spieler er gewettet habe (Fußball 2. Liga.) […]

Der Richter fragt nach dem Geld vom Sozialamt, will u.a. wissen, welche Stadt für sein Asylgeld zuständig gewesen sei […]

Der Richter und der Oberstaatsanwalt möchten Kopien von den Wettscheinen.

Der Angeklagte erklärt, dass es auch ein Gebet am Samstag gebe. Der OSta fragt den Angeklagten, ob er auch gerannt sei als die Personen vorbei rannten. Er verneint, er sei normal gelaufen.

Der Verteidiger sagt, es seien also auf der linken Straßenseite zwei Männer mit einer blauen Jacke gewesen. Er möchte Herrn Be. und den Praktikanten als Zeugen laden.

Der Verteidiger weist noch darauf hin, dass der Angeklagte in U-Haft ist. Er versucht mit dem Richtern zu verhandeln: wenn sein Mandant jetzt aus der U-Haft entlassen werde, könne er auf Herrn Be. und den Praktikanten als Zeugen verzichten. Der Richter weist das zurück.