Prozess „Imbiss“
Amtsgericht Oranienburg
4. inhaltlicher Verhandlungstag: 18.09.2018
Anwesende:
- Angeklagter Doğan
- Angeklagter Kahveci
- Verteidigerin von Doğan
- Verteidiger von Kahveci
- Dolmetscher für Doğan
- Richterin
- Staatsanwalt
- Anwalt des Nebenklägers (der Nebenkläger selbst ist nicht anwesend)
- Zeugin 1: Polizeibeamtin
- Zeuge 2: Polizeibeamter
- Zeuge 3: Polizeibeamter, der die Ermittlungen geleitet hat (Herr Be.)
- Zeugin 4: Frau K., Ex-Freundin des Nebenklägers
Rückblick auf den 3. Verhandlungstag: Folgende Zeug*innen waren geladen:
- 2 Bistrobesucher*innen (Mutter und Sohn, die Mutter ist auch Buchhalterin des Bistros)
- Frau Sch. (bei der Tat anwesende Tochter von Frau K., der ehemaligen Partnerin von S.) – Frau Sch. konnte nur kurz befragt werden, da sie in einer schlechten Verfassung war; sie soll noch weiter befragt werden und ist für den heutigen Verhandlungstag erneut geladen
- Danach fanden drei sogenannte Schiebetermine statt – an denen nicht inhaltlich verhandelt wurde.
Der Verhandlungstag beginnt mit ca. fünfzehnminütiger Verspätung. Die 1. Zeugin wird aufgerufen und belehrt. Sie ist Polizeibeamtin und wurde am Tattag zum Bistro gerufen. Sie hat einen Teil der Anzeige geschrieben, kann sich allerdings nur daran erinnern, dass es eine Körperverletzung gab. An Details und Gespräche hat sie keine Erinnerung. Die Richterin hält aus der Anzeige vor, dass es um eine wechselseitig begangene Körperverletzung ging, stellt dann aber keine Fragen.
Der Staatsanwalt fragt, ob die Zeugin Erinnerungen an den Vorhalt habe. Zeugin: Sie könne sich an eine Straßenkreuzung erinnern, an einen Faustschlag und an eine Kette, die kaputt ging. Wie es zu der wechselseitigen Anzeige kam, könne sie nicht mehr sagen.
Es geht dann um Fotos, die auch am Richterinnenpult in Augenschein genommen werden, und die Frage, ob diese am Tatort gemacht wurden. […]
Der Nebenklageanwalt fragt nach den Lichtverhältnissen am Tatort. […]
Die Verteidigerin von Doğan fragt u.a. nach dem Eindruck, den die Zeugin von S. hatte. Zeugin: Sie habe keine Erinnerungen, sie könne nur sagen, dass S. alkoholisiert war. Auf Nachfrage: Sie wisse nicht mehr, wer die Polizei gerufen hat; sie könne sich auch nicht mehr erinnern, ob der Rettungswagen bei ihrem Eintreffen schon vor Ort war.
[…]
Es geht dann noch um die Uhrzeiten, zu denen die Anzeigen aufgenommen wurden (eine um 23:20, eine um 00:41 Uhr).
Die Zeugin wird um 10:40 entlassen.
Der zweite Zeuge kommt in den Zeugenstand. Er ist als Polizeibeamter zur Unterstützung zum Bistro gefahren, um die Kolleg*innen ‚abzusichern‘. Er ist durch das Bistro gelaufen, das gut besucht war. Zum Tatgeschehen, das Gegenstand des Prozesses ist, kann er jedoch keine Angaben machen. Um 10:50 wird er wieder entlassen.
Der dritte Zeuge, Herr Be. kommt in den Zeugenstand. Er hat die Ermittlungen geleitet und alle Zeug*innen vernommen. Die Richterin befragt den Zeugen zunächst zu seiner Vernehmung von S.
Der Zeuge macht folgende Angaben: S. sei mit seiner Freundin und deren Tochter vor dem Bistro gewesen; sie hätten provoziert (den Mittelfinger gezeigt), seien dann weiter gegangen, aber von zwei Mitarbeitern des Bistros verfolgt worden. Die Freundin sei geschlagen worden, daraufhin sei S. „emotional“ geworden, dann sei er von den Mitarbeitern angegriffen worden. Der Angeklagte Kahveci habe die Kapuze runtergezogen, getreten und S. mit einem Gegenstand gegen den Kopf geschlagen.
Die Richterin bemerkt, dass die Vernehmung sich sehr detailreich lese. Sie fragt, wie die Vernehmung abgelaufen sei (flüssig in einem Stück vs. Nachfragen). Herr Be. antwortet, dass er immer zuerst den Sachverhalt darstelle. Dann lasse er den Zeugen erzählen und schreibe währenddessen mit. Am Ende stelle er Nachfragen.
Die Richterin fragt nach konkreten Erinnerungen an die Vernehmungssituation. Herr Be. sagt, er könne sich noch an die Situation in seinem Büro erinnern. Außerdem erinnere er sich, dass er ein Foto gemacht habe, womöglich, weil S. die Jacke anhatte, die er auch während der Tat getragen hatte.
[Anmerkung: Der Zeuge hängt breitbeinig und weit zurückgelehnt auf dem Zeugenstuhl]
Auf Nachfrage: Er habe den Eindruck gehabt, dass S. eigene Wahrnehmungen schilderte.
Der Staatsanwalt fragt, in wie vielen Verfahren Herr Be. ermittelt habe. Es stellt sich heraus, dass es zunächst ein Verfahren gegen S. gab, der beschuldigt wurde, im Bistro am Tresen den Hitlergruß gezeigt zu haben. Das hätten die Angestellten im Bistro zur Anzeige gebracht. In dieser Sache habe er den im jetzigen Verfahren Angeklagten Doğan (und eine weitere Person) als Zeugen vernommen. Dabei habe Doğan ihm gesagt, dass er durch das Paar (S. und Frau K.) auch geschlagen und getreten wurde. Dadurch habe er von der Körperverletzung erfahren und dieses Verfahren an sich gezogen.
Es geht in der Folge um eine Auswertung von Videoaufzeichnungen, die von einer Kamera mit Bewegungsmelder stammen, die am Eingang des Imbisses angebracht ist. Darauf ist u.a. zu sehen, wie zwei bis drei Personen ihre Fahrräder am Bistro vorbeischieben (wahrscheinlich S, Frau K. und Frau Sch.) und wie zwei Personen aus dem Bistro rausgehen (womöglich die Angeklagten Kahveci und Doğan). Nicht zu sehen ist, dass die drei Personen vor dem Fenster den Mittelfinger zeigen. Später stellt sich allerdings heraus, dass der Platz vor dem Fenster außerhalb des Sichtbereichs der Überwachungskamera liegt.
[…]
Die Verteidigerin von Doğan kommt darauf zurück, dass S. einen Schlag gegen seine Freundin (durch Doğan) geschildert habe und fragt, ob der Zeuge den Eindruck gehabt habe, dass S. eigene Wahrnehmungen beschreibt. Der Zeuge bestätigt das. Die Verteidigerin hält vor: In der Verhandlung habe S. gesagt, er habe den Schlag ins Gesicht seiner Freundin nicht gesehen. Der Zeuge widerspricht: Doch, S. habe das gesehen, das sei ja der Grund gewesen, warum er ausgerastet sei. Den gleichen Vorhalt macht die Verteidigerin bezüglich der Situation, in der S. ‚traktiert‘ wurde. Auch hier hat S. in der Vernehmung gesagt, er schildere eigene Wahrnehmungen, in der Verhandlung hat er allerdings behauptet, er habe keine eigenen Erinnerungen, sondern sage das, was Frau K. ihm beschrieben habe.
[…]
Später fragt die Verteidigerin von Doğan, ob Herr Be. mal den Inhalt der Anzeige mit der Aussage von S. verglichen habe. Außerdem will sie wissen, ob Herr Be. sich noch an die Inhalte der Anzeige erinnern könne. Sie macht einen Vorhalt aus der Anzeige: Da heiße es, dass S. und seine Freundin durch Kahveci geschlagen worden seien. In der Vernehmung habe S. aber von einem Schlag durch Doğan gesprochen. Diesen Widerspruch hat der Ermittlungsbeamte Be. aber offenbar nicht bemerkt bzw. nicht thematisiert.
Die Verteidigerin von Doğan kommt dann auf einen weiteren Vorfall mit der Tochter Frau Sch. zu sprechen. Sie habe einige Tage nach der Auseinandersetzung die Imbissangestellten aus einer Gruppe heraus beleidigt und bedroht („Hurensohn, Bastard, ich schlage dich tot“). Die Verteidigerin will wissen, was daraus geworden sei. Herr Be. antwortet, dass die Tochter Frau Sch. das in ihrer Vernehmung bestätigt habe.
Die Verteidigerin fragt dann zur Vernehmung von Frau K. Wieder gibt es erhebliche Widersprüche zwischen dem, was in der Anzeige steht und den Angaben, die Frau K. in der Vernehmung gemacht hat. Wieder stellt sich heraus, dass Herr Be. diese Widersprüche nicht vorgehalten hat.
[…]
Um 12:10 wird eine Mittagspause eingelegt. Um 12:55 wird fortgesetzt. Zuerst wird über weitere Fortsetzungstermine beraten, dann wird die Befragung von Herrn Be. fortgesetzt.
[…]
Die Verteidigerin von Doğan fragt nach der Vernehmung der Tochter Frau Sch. Zeuge: Frau Sch. habe angegeben, dass ihre Mutter geschlagen wurde und dass S. zu Boden gebracht wurde. Wieder gibt es erhebliche Widersprüche zwischen den Angaben von Frau Sch. laut Anzeige und ihren Schilderungen in der Vernehmung (etwa zur Frage, wer S. zu Boden gebracht hat), doch Herr Be. sagt, er könne sich nicht erinnern, ob er diese Widersprüche vorgehalten habe.
Auf weitere Nachfrage der Verteidigerin von Doğan erinnert sich der Zeuge, dass er später erneut – wegen einer Sachbeschädigung – ins Bistro gerufen worden sei. Es sei um eine zerbrochene Scheibe gegangen.
Gegen 13:25 wird der Zeuge entlassen. Beim Rausgehen sagt er „viel Spaß noch“.
Die vierte Zeugin, Frau K., kommt in den Zeugenstand. Frau K. ist die Exfreundin des Nebenklägers S., sie wurde bereits befragt. Da die Verteidigerin von Doğan beantragt hat, die Zeugin erneut zu laden, geht das Fragerecht gleich an sie. Die Verteidigerin sagt, dass Frau K. ja gesagt habe, dass sie dem S. berichtet habe, was passiert sei. Frau K. antwortet, „man habe darüber gesprochen“. S. habe ja genau wie sie Bescheid gewusst. Er habe nur nicht gewusst, wer ihn geschlagen habe, sie habe aber gesehen, dass das Doğan gewesen sei. Die Verteidigerin hält diverse Widersprüche zur Aussage von S. sowie zu früheren Aussagen von Frau K. vor. Frau K. antwortet, sie sei damals sicher auch aufgeregt gewesen, und im Großen und Ganzen sei es ja so gewesen.
Auf erneute Nachfrage sagt Frau K., sie sei heute sicher, dass Doğan sie geschlagen habe (am Tag nach der Tat hatte sie hingegen angegeben, dass Kahveci sie geschlagen habe).
Die Verteidigerin von Doğan befragt die Zeugin zu zahlreichen weiteren Widersprüchen. [Anmerkung: Der Nebenklageanwalt nickt zwischendurch kurz ein. Der Staatsanwalt und der Nebenklageanwalt machen auf mich den Eindruck, dass sie von den detaillierten Nachfragen der Verteidigerin von Doğan genervt sind; an einer Stelle mischen sie sich ein und sagen, sie könnten da keinen Widerspruch erkennen.]
[…]
Die Zeugin Frau K. wird um 13:55 entlassen. Ende des Verhandlungstages.