Prozess: „Imbiss“
Amtsgericht Oranienburg
2. Verhandlungstag: 13.06.2018, Angesetzt für 9:30 Uhr
Anwesend:
- Angeklagter Doğan
- Angeklagter Kahveci
- Verteidiger von Kahveci
- Verteidigerin von Doğan
- Dolmetscher für Doğan
- Dolmetscher für Zeuge 1
- Richterin
- Staatsanwalt
- Anwalt der Nebenklage
- Gerichtsschreiberin
- Zeuge 1 („Imbissbetreiber“)
- Zeuge 2 („Polizei-Zeuge“)
[Anm.: geladen waren noch 3-4 weitere Polizei-Zeug*innen, die auch erschienen sind. Da die Protokollantin früher gehen musste, sind ihre Aussagen hier nicht notiert]
6 Zuschauer*innen: eine von Justizwatch, zwei Mitarbeiter der Beratungsstelle „Opferperspektive“, drei Beamte einer Bußgeldstelle auf Fortbildung
Die Verhandlung beginnt um 09:55 Uhr, der Zeuge 1 [„Imbissbetreiber“] meldet sich an, er sei zwar erst später dran, aber jetzt schon da. Er wird von der Richterin belehrt und dann wieder aus dem Saal gebeten.
Zwei Zeug*innen der Verteidigung waren zu 09:30 Uhr geladen und haben sich entschuldigt. Die Richterin verließt die Entschuldigungen: Bei den Zeug*innen handelt es sich um Mutter und Sohn. Die Mutter hat einen Arbeitstermin und habe bis Dato noch keine Ladung erhalten. Sie gehe jedoch davon aus kommen zu sollen, denn sie sei bereits am ersten Verhandlungstag vor Gericht erschienen. Dieser wurde abgesetzt und auf den 6.6.18 verschoben. Auf diesen Tag habe sie sich vorbereitet, ihr sei aber kurzfristig telefonisch abgesagt worden. Sie sei bereit auszusagen, aber mittlerweile frustriert. Sie entschuldigt auch ihren Sohn, der ebenfalls arbeiten müsse.
Eine weitere Zeugin [der Nebenklage] lässt sich entschuldigen: sie habe keine Kinderbetreuung für ihr Kind organisieren können.
Der Staatsanwalt nimmt Stellung: er halte die ersten beiden Entschuldigungen nicht für ausreichend und fordert die Verhängung eines Ordnungsgeldes.
Es folgt eine längere Stille, in der die Richterin ihre Entscheidung handschriftlich formuliert, die sie im Folgenden verliest: sie verhängt gegen die ersten beiden Zeug*innen ein Ordnungsgeld von 150 Euro.
Der Staatsanwalt beantragt, dass die Verteidiger*innen den Angeklagten als Pflichtverteidiger*innen beigeordnet werden sollen, da ihnen mit einer lebensgefährdenden Handlung eine schwerwiegende Straftat vorgeworfen werde. Die Verteidigerin von Doğan möchte Stellung nehmen, die Richterin aber vorher einen rechtlichen Hinweis verlesen. Die Verteidigerin besteht darauf zunächst einmal Stellung zu nehmen: Die Zeug*innenaussagen bezüglich der Körperverletzung seien widersprüchlich. Der Nebenkläger spreche von Schlägen gegen den Kopf, bei denen es fragwürdig sei, ob sie überhaupt stattgefunden hätten und selbst wenn sie stattgefunden hätten, seien diese mit Nichten lebensgefährdend. Der Verteidiger von Kahveci schließt sich dem an und beruft sich auf die Rechtsprechung von LG und OLG.
Der Staatsanwalt [Anm.: ist schwer zu verstehen, er nuschelt. Selbst die Verteidigung, die ihm wesentlich näher sitzt, muss ihn im Laufe des Verhandlungstags mehrmals darum bitten lauter und deutlicher zu sprechen], weist darauf hin, dass das Gericht eine Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung zugelassen habe. Die angeklagte Tat soll mit einem Schlüsselbund ausgeführt worden sein, was man durchaus als gefährliches Werkzeug einstufen könne.
Es folgt eine Diskussion zwischen Verteidigung und Staatsanwalt. Die Verteidigerin von Doğan betont, sie befürworte beigeordnet zu werden, aber aus anderen Gründen: Die Sachlage sei sehr kompliziert und könne vom Angeklagten Doğan nicht alleine bewältigt werden. Der Verteidiger von K schließt sich dem an. Es sei schwer hier nicht politisch zu argumentieren, denn die Polizeibeamten hätten nur Belastendes gegen „Ausländigstämmige“ aufgenommen und alles andere weggelassen. Die Sachlage sei also wahrlich äußerst kompliziert und er beantrage ebenfalls die Beiordnung.
Die Richterin möchte nun ihren rechtlichen Hinweis geben: Eine Verurteilung nach [sie nennt den Paragraphen, es geht um Körperverletzung] sei durchaus möglich, da dies ja auch angeklagt sei. Die Verteidigerin beantragt eine Unterbrechung, um sich über den Vorwurf einer lebensgefährdenden Handlung mit ihrem Mandanten zu beraten. Die Richterin beschließt daraufhin die Beiordnung der beiden Verteidiger*innen und setzt danach eine Unterbrechung von knapp 1,5 Stunden an (bis 11:30 Uhr).
Es wird um 11:45 Uhr fortgesetzt:
Es ist ein zweiter Dolmetscher anwesend, er sitzt auf der Bank der Staatsanwaltschaft und Nebenklage.
Vernehmung Zeuge 1 „Imbissbetreiber“
Es gibt kurze Unklarheiten, ob der zweite Dolmetscher überhaupt gebraucht wird. Der Imbissbetreiber gibt an, gut deutsch zu verstehen und zu sprechen und schlägt vor, er wolle es ohne Dolmetscher versuchen, sollte es Verständnisschwierigkeiten geben, würde er auf diesen zurückgreifen.
Der Imbissbetreiber wird zu seiner Person befragt: er ist 30 Jahre alt, wohnt im Ort des Tatgeschehens und ist mit dem Angeklagten Doğan verwandt. Er wird über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt, möchte aber dennoch aussagen.
Er wird zunächst von der Richterin befragt. Sie will wissen, in welchem Verhältnis er zu Gastronomie des Angeklagten Doğan stehe. Der Zeuge sagt, er sei der Inhaber. Die Richterin fragt, ob er den Nebenkläger kenne. Der Zeuge bejaht, dieser sei Gast in seinem Imbiss gewesen, habe aber Hausverbot, da er ständig Probleme gemacht habe. Es habe mehrere Vorfälle gegeben. Der Nebenkläger habe die Kunden bedroht und habe seine Speisen nicht bezahlen wollen. Die Richterin hakt nach und der Imbissbetreiber führt aus: Der Nebenkläger würde eigentlich nie bezahlen. Im Ort sei er bei allen Gastronomie-Betreibern bekannt. Er werde auch oft handgreiflich. Die Richterin fragt, seit wann das Hausverbot bestanden habe. Imbissbetreiber: es habe schon sehr lange bestanden, es habe auch Anzeigen gegeben, die erste vor ca. 6-7 Jahren. Die Richterin fragt nach weiteren Vorkommnissen, nach Gesten politischer Art. Der Imbissbetreiber gibt an, der Nebenkläger habe den Hitlergruß gezeigt.
Das Fragerecht geht nun an den Staatsanwalt:
[Anm.: auf die Protokollantin wirkte der Staatsanwalt bei dieser Zeugenbefragung spitzfindig und überheblich. Auf die Tatsache, dass deutsch für den Zeugen nicht die Muttersprache ist, nimmt er keinerlei Rücksicht.] Der Staatsanwalt fragt, ob aktuell ein Hausverbot gegen den Nebenkläger bestehe. Der Imbissbetreiber bejaht, es sei mehrmals erteilt worden auch mit Polizei. Der Staatsanwalt erwidert: solle er daraus den Schluss ziehen, dass die Polizei das Hausverbot erteilt hat? Der Zeuge verneint, das habe er so nicht gemeint, die Polizei sei lediglich zur Unterstützung hinzugerufen worden. […] Der Staatsanwalt will wissen, was Hausverbot konkret bedeute. Zeuge: dass er „bei uns“ nicht rein dürfe. Der Staatsanwalt will wissen, was „bei uns“ bedeute. Der Zeuge antwortet, er habe mehrere Läden im Ort. Überall dürfe der Nebenkläger nicht hinein. Er würde aber trotzdem immer wieder kommen. Der Staatsanwalt sagt, der Zeuge solle mal sein Gedächtnis bemühen: mit welcher Wortwahl habe er das Hausverbot erteilt? Der Zeuge fragt „wie bitte“? Der Staatsanwalt fragt, ob der Zeuge einen Dolmetscher brauche. Der Zeuge verneint, er habe den Staatsanwalt nur akustisch nicht verstanden. [Es geht im folgenden sehr detailliert um die Frage, wo und in welcher Form der Zeuge dem Nebenkläger Hausverbot erteilt hat: Der Zeuge ist Inhaber von vier Läden im Ort. Er sagt, dass der Nebenkläger in allen Hausverbot habe, aber dennoch komme und regelmäßig aggressiv werde.]
Der Staatsanwalt hält aus der polizeilichen Vernehmung die Aussage vor: der Zeuge sei der Ansicht, es gäbe keinen Laden im Ort, wo der Nebenkläger kein Hausverbot habe. Der Staatsanwalt will wissen, welche Geschäfte der Zeuge konkret meine. Der Zeuge antwortet: „Dönerläden“. Der Staatsanwalt wiederholt „Dönerläden“? Der Zeuge bejaht dies – es gebe im Ort mehrere. Der Staatsanwalt erwidert [gereizt], er habe „konkret“ gesagt. Zeuge: er kenne die Hausnummern nicht, aber es gebe einen am S-Bahnhof, einen beim Havelplatz, einen bei der Passage und einen in der Berliner Straße. Überall dort habe der Nebenkläger Hausverbot. Der Staatsanwalt fragt, von wem der Zeuge wisse, dass der Nebenkläger im Dönerladen am Bahnhof Hausverbot habe. Der Zeuge sagt, er wisse das von dem dortigen Chef und nennt dessen Name [Anm.: es ist ein türkischer Name]. Der Staatsanwalt stellt fest, dass sie ja hier in Deutschland seien und will wissen, ob er die Person mit dem Namen problemlos laden könne oder ob der Name häufiger vorkomme. [Anm.: der Staatsanwalt fragt im Folgenden gereizt auch nach anderen Namen, von denen der Zeuge wisse, dass der Nebenkläger Hausverbot habe. Er macht aus seinem genervten Desinteresse keinen Hehl. Der Staatsanwalt kann auch die verschiedenen Standorte der Dönerläden nicht auseinanderhalten. Es kommt deshalb zu Missverständnissen, bei denen die Prozessbeteiligten gereizt gegeneinander anreden.]
Staatsanwalt: er komme nun zur nächsten Ungenauigkeit in der Zeugenaussage: Der Imbissbetreiber habe gesagt der Nebenkläger habe Kunden bedroht und sei handgreiflich geworden. Er will wissen, wann das genau passiert sei und wer daran beteiligt war. Zeuge: das sei sehr lange her […]. Der Staatsanwalt fragt auch hier sehr genau nach Details des Beschriebenen, will „konkret wahrgenommene Vorfälle“ wissen. Der Dolmetscher schaltet sich ein, um dem Zeugen zu erläutern, was der Staatsanwalt meinen könnte. Der Zeuge erwidert: er sei seit 2002 selbstständig, seitdem habe es sehr viele Vorfälle gegeben, die zum Teil sehr lange Zeit zurückliegen, er könne es daher nicht so genau sagen.
Der Staatsanwalt geht zum nächsten Punkt über und will wissen, wann genau der Nebenkläger seine Zeche nicht gezahlt habe. Der Zeuge sagt auch hier, ganz genau könne er das nicht sagen, es sei vor ungefähr vier bis fünf Jahren gewesen. Der Staatsanwalt fragt nach konkreten Hausverboten, möchte den genauen Zeitpunkt wissen, wann sie ausgesprochen wurden und mit welchem Wortlaut. Der Zeuge gibt auch hier an, so genau könne er das nicht sagen, irgendwann in den letzten zwei bis sechs Jahren.
Der Staatsanwalt fragt nun, wann genau der Hitlergruß gewesen sei. Der Zeuge erwidert, den genauen Zeitpunkt wisse er nicht mehr, aber er habe Anzeige erstattet. Die sei allerdings eingestellt worden.
Fragerecht geht an die Nebenklage-Vertretung:
Der Nebenklage-Vertreter wiederholt, es sei von vier Dönerläden die Rede gewesen und will wissen, ob der Zeuge in allen vieren der Geschäftsführer sein. Der Zeuge verneint, er sei nur in einem Dönerladen Geschäftsführer. […] Der Nebenklage-Vertreter möchte nun wissen, ob der Zeuge Anzeige erstattet habe, wenn der Nebenkläger sein Essen nicht bezahlt hat. Der Zeuge verneint. Es geht dann um die Frage, ob der Nebenkläger nach Erteilung des Hausverbotes noch bedient wurde, das ist nicht der Fall. Der Nebenklage-Vertreter möchte wissen, was genau mit „handgreiflich“ gemeint sei. Der Zeuge führt aus: wenn dem Nebenkläger eine Person „nicht gepasst“ habe, habe er diese gegen die Wand gedrückt und bedroht. Der Nebenklage-Vertreter möchte wissen, ob der Nebenkläger das auch mit dem Zeugen gemacht habe. Dieser verneint, aber weil er ein „Ausländer“ sei, habe ihn der Nebenkläger „ausländerfeindlich“ beschimpft. Z.B. habe er ihn als „Kanake“ bezeichnet.
Der Nebenklage-Vertreter fragt nun nach den Vorgängen an dem fraglichen Abend. Der Zeuge gibt an, der Nebenkläger habe wohl den Mittelfinger gegen die Scheibe gepresst. Aber genaueres könne er nicht dazu sagen. Der Nebenklage-Vertreter fragt ihn nach seiner eigenen Wahrnehmung. Der Zeuge sagt, er sei an dem Abend nicht da gewesen. Der Verteidiger von Kahveci erläutert: der Zeuge sei zum Tatzeitpunkt in der Türkei gewesen. Der Nebenklage-Vertreter fragt nach weiteren Vorfällen. Der Zeuge gibt an, dass einer seiner Mitarbeiter wegen der Bedrohungen durch den Nebenkläger gekündigt habe, das sei vor etwa sechs Jahren gewesen. Der Nebenklage-Vertreter stellt weitere detaillierte Fragen, irgendwann interveniert die Richterin: der Zeuge habe alles schon mehrfach geschildert, zudem seien diese Details für das Verfahren nicht relevant. Die Richterin, der Staatsanwalt und der Nebenklage-Vertreter reden gegeneinander an. […] Die Richterin fasst zusammen, der Zeuge sei geladen, um über das Hausverbot auszusagen. Der Nebenklage-Vertreter gibt an, keine Fragen zum Hausverbot zu haben. Die beiden Verteidiger*innen haben auch keine Fragen zum Hausverbot. Der Staatsanwalt schaltet sich wieder ein: Er habe noch eine Frage zum Hausverbot, die habe sich bei ihm gerade ergeben. Er fragt nach einer bestimmten Person, die im fraglichen Imbiss die Buchhaltung mache, diese habe am fraglichen Abend an einem Tisch beim Imbiss gesessen. Der Zeuge gibt an, diese Person sei damals noch nicht angestellt gewesen, jetzt allerdings schon. Der Verteidiger interveniert: wenn die Frage nicht darauf abziele, die Glaubwürdigkeit des Zeugen zu prüfen, könne er zur Aufklärung beitragen. [Er erläutert dann die Angestelltenverhältnisse im Imbiss].
Die Richterin fragt nun den Zeugen, was ihm von dem Vorfall am 14.5.2015 berichtet worden sei. Der Zeuge antwortet, ihm sei gesagt worden, der Nebenkläger habe wieder Probleme gemacht und es habe gegenseitige Anzeigen gegeben. Der Nebenkläger habe den Mittelfinger gezeigt und gegen die Scheibe gespuckt, die beiden Angeklagten hätten ihn dann am Tatort festgehalten und die Polizei gerufen. Die Richterin fragt, ob er – der Zeuge – später mit dem Nebenkläger über den Vorfall gesprochen habe. Der Zeuge bejaht die Frage: der Nebenkläger habe sich an Silvester bei ihm entschuldigt. Er – der Zeuge – habe jedoch entgegnet, dass sie darüber nicht reden bräuchten, es werde schließlich eine Gerichtsverhandlung geben. Daraufhin sei der Nebenkläger aggressiv geworden und hätte ihn als „scheiß Türke“ bezeichnet. […]
Der Verteidiger von Kahveci hat keine Fragen. Er bedankt sich aber bei dem Zeugen, dass er gekommen ist. Angesichts dessen, was andere aus dem Ort berichten würden, sei dies sehr mutig von ihm gewesen. Der Zeuge wird entlassen und setzt sich anschließend in den Zuschauerraum, der zweite Dolmetscher geht, es wird eine Pause angesetzt bis 13:00 Uhr.
Es wird fortgesetzt um 13:10 Uhr. [Es sind vier Polizei-Zeug*innen da, bevor die Verhandlung losgeht, sind sie schon im Raum. Zwischen ihnen und den anderen Prozessbeteiligten – insbesondere der Staatsanwaltschaft – wird geplaudert und gescherzt.] Die Richterin belehrt die Zeug*innen, danach wird der erste befragt, die anderen müssen den Saal verlassen.
Befragung Zeuge 2 „Polizeizeuge“ (40 Jahre, Polizeibeamter, ist in Uniform erschienen)
Die Richterin will wissen was der Zeuge von dem Einsatz noch in Erinnerung hat. […] Zeuge: Sie seien in ein Bistro gerufen worden. Der Vorwurf habe gelautet, eine Person habe gegen die Scheibe „gerotzt“ und getrommelt und den Hitlergruß gezeigt, obwohl er Hausverbot habe. Es soll ein Handgemenge gegeben haben. Als sie angekommen seien, hätten der Nebenkläger und seine Freundin draußen gesessen. Der Nebenkläger habe eine Kopfplatzwunde gehabt, deshalb sei auch ein Rettungswagen gekommen. Sie hätten sich dann einen Überblick verschafft, wer von den anwesenden Personen alles als Zeuge in Betracht komme. Alle Anwesenden hätten verneint, keiner wolle etwas mitbekommen haben, deshalb hätten sie auch nicht deren Personalien aufgenommen. Er habe dann die beiden Imbissmitarbeiter [hier: die beiden Angeklagten] befragt: der Nebenkläger und seine Freundin seien durch rassistische Äußerungen aufgefallen und hätten daher Hausverbot. An dem fraglichen Tag seien sie am Imbiss vorbeigelaufen, hätten gegen die Scheibe „gerotzt“ und „geballert“. Der Angeklagte Kahveci sei dann raus um sie zu verjagen. Was danach genau passiert sei, sei nicht zu rekonstruieren gewesen.
Es sei ihm – dem Polizeizeugen – zudem berichtet worden, dass dem Nebenkläger mit einem Schlüsselbund auf den Kopf geschlagen worden sei. Der Angeklagte Kahveci habe auch einen Schlüsselbund in der Hand gehabt, aber näheres habe er – der Zeuge – nicht herausfinden können. Es habe wechselseitige Anzeigen gegeben.
Die Richterin fragt nach, ob der Polizeizeuge mit dem Nebenkläger und seiner Freundin gesprochen habe. Dieser verneint: er habe nur mit den beiden Angeklagten gesprochen. […] Die Richterin geht auf die wechselseitigen Anzeigen ein und fragt, was der Vorwurf der beiden Angeklagten gewesen sei. Zeuge: dass der Nebenkläger sich über das Hausverbot hinweggesetzt, gegen die Scheibe „gerotzt“ und geschlagen habe. Er wisse jetzt nicht mehr genau, ob in der Anzeige auch etwas Rechtsradikales genannt wurde oder ob er das mit der Vorgeschichte verwechsle.
[…]
Es gibt eine Unterbrechung von fünf Minuten, weil die Richterin die Anzeige der beiden Angeklagten gegen den Nebenkläger nicht vorliegen hat und sie sich diese von den Verteidiger*innen kopieren möchte.
Um 13:27 Uhr wird fortgesetzt, das Fragerecht geht an die Staatsanwaltschaft, damit die Richterin genug Zeit hat, die Anzeige durchzulesen.
[Anm.: bei der Befragung des Polizeizeugen durch den Staatsanwalt fällt auf, dass dieser viel verständnisvoller und höflicher agiert, als noch zuvor bei dem Imbissbetreiber-Zeugen] Der Staatsanwalt fragt, ob der Polizeizeuge Verletzungen bei dem Nebenkläger wahrgenommen habe. Dieser bejaht, der Nebenkläger habe eine Verletzung am Kopf gehabt. Der Staatsanwalt fragt, wie viele Gäste der Polizeizeuge befragt habe. Zeuge: es seien ca. sechs bis sieben gewesen, alle hätten angegeben, entweder später gekommen zu sein oder nichts gesehen zu haben. […]
Der Staatsanwalt fragt, ob er im Umfeld Personen wahrgenommen habe. Der Zeuge antwortet: er habe natürlich noch Menschen wahrgenommen, aber keine Umfeldbefragungen gemacht.
Es geht im folgenden darum, wer von den Polizei-Zeug*innen welchen Teil der Anzeige verfasst hat. […] Der Staatsanwalt fragt dann erneut nach weiteren Zeugen. Der Polizeizeuge erwidert, er habe mit keinem gesprochen, der als Zeuge in Frage gekommen sei. Staatsanwalt [jovial]: „Denn sonst dürfte ich was erwarten?“ Polizeizeuge „…dass ich das irgendwie verschriftlicht habe“. Staatsanwalt: „ich habe gehofft, dass Sie das sagen“. Dann fragt er, ob der Zeuge irgendwelche Schäden wahrgenommen habe. Der Polizeizeuge antwortet, für ihn seien keine erkennbar gewesen. Im Folgenden geht es um den genauen Tatzeitpunkt. […]
Der Staatsanwalt fragt, ob der Zeuge dienstlich häufiger an den besagten Tatort gerufen werde. Der Zeuge bejaht, das sei aber nicht wegen des Bistros, es gebe auch sonst viele Einsätze in der Gegend. Dort seien viele alkoholisierte Menschen, die sich häufig prügeln würden.
Der Staatsanwalt will wissen, ob er in früheren Einsätzen etwas mit den Imbissinhabern oder dem Nebenkläger zu tun gehabt habe. Der Polizeizeuge sagt, er selber habe nichts mit ihnen zu tun gehabt, aber er wisse, dass rassistische Äußerungen vorgekommen seien und es ein Hausverbot gegeben habe. Der Staatsanwalt kommentiert: Manche Berufe brächten es wohl mit sich, Zielscheibe zu sein und er wisse schon, warum er nicht im Ort des Tatgeschehens wohne.
Der Nebenklage-Vertreter fragt nun genauer nach der Spucke an der Scheibe. Der Polizeizeuge gibt an, dass es Flecken gegeben habe. Ob es sich dabei um Speichel gehandelt habe, sei jedoch nicht sicher festgestellt worden. [Der Nebenklage-Vertreter fragt hier sehr detailliert. Irgendwann interveniert die Verteidigerin von Doğan, das seien alles Fragen, die bereits gestellt wurden.]
Befragung durch Verteidigung
Der Verteidiger von Kahveci befragt den Polizeizeugen insbesondere dazu, woher die Information kam, dass ein Schlüsselbund eine Rolle gespielt habe. Der Zeuge antwortet, diese Angabe sei von S – dem Nebenkläger – gekommen. Der Verteidiger will nun genau wissen, wann und in welcher Situation der Angeklagte Kahveci seinen Schlüsselbund gezeigt habe. Es stellt sich heraus, dass zunächst der Polizeizeuge von seinem Kollegen erfahren hat, dass der Nebenkläger angab mit einem Schlüssel geschlagen worden zu sein. Anschließend habe der Polizeizeuge zu Kahveci gesagt, ein Schlüssel habe bei der Tat eine Rolle gespielt und ihn dann gefragt, ob er einen Schlüssel bei sich trage. Dies habe Kahveci bejaht und seinen Schlüsselbund vorgezeigt.
Dieser Schlüsselbund am Finger des Herrn Kahveci wurde abfotografiert und das Foto befindet sich als Beweismittel in den Akten. [Anm.: Die Entstehung des Fotos wurde offenbar nicht dokumentiert, in der Akte finden sich lediglich die Fotos des mutmaßlichen Tatmittels. Erst nach langwieriger Befragung des Polizeizeugen lässt sich aufklären, unter welchen Umständen dieses Foto zu Stande gekommen ist.]
[…] Die Verteidigerin von Doğan hält aus den Akten vor: Herr Doğan habe angegeben, der Nebenkläger und seine Freundin hätten gegen die Scheibe geschlagen und den „Stinkefinger“ gezeigt. Von Spucken sei in den Akten keine Rede. Die Verteidigerin fragt, wie der Zeuge sich das erkläre. Der Zeuge antwortet, das könne er sich nicht erklären, vielleicht stamme die Aussage von dem Herrn Kahveci. Die Verteidigerin fasst zusammen: dieser Widerspruch könne folglich nicht geklärt werden. Die Verteidigerin weist auf weitere Widersprüche in den heutigen Aussagen zu den Aussagen in dem Polizeiprotokoll hin. Es geht allgemein viel um die Arbeit der Polizei vor Ort. Auf Nachfrage der Verteidigerin, ob er noch Notizen zu dem Vorfall habe, gibt der Polizeizeuge an, allgemein wenig Notizen zu machen.
[…] Gegen Ende der Befragung durch die Verteidigerin fasst der Polizeizeuge zusammen: An dem Abend sei klar gewesen, dass eine der beiden Konfliktparteien nicht ehrlich gewesen sei, welche es sei, könne er nicht sagen.
Der Staatsanwalt möchte wissen, von wem die Information mit dem Schlüssel kam. Der Zeuge präzisiert noch einmal, er habe diese Aussage nicht selbst aufgenommen, sondern von einem Kollegen weitergesagt bekommen. Er fasst zusammen „fragen Sie mich bitte nicht warum, aber ich bin mir relativ sicher, dass die Aussage [von dem Nebenkläger]“ stammt.
Hier hakt die Verteidigerin ein, fragt, ob Herr Kahveci belehrt worden sei, dass er sich nicht belasten müsse, bevor er nach dem Schlüssel gefragt worden sei. Der Zeuge verneint. Die Verteidigerin widerspricht daraufhin der Verwertung sämtlicher Angaben, in denen ein Schlüssel Rolle gespielt hat.
Der Staatsanwalt widerspricht: Der Polizeizeuge hätte zu dem Zeitpunkt nicht erkennen können, dass es sich um eine Beschuldigung handelt.
[Anm.: hier brechen die Notizen ab, da ich vorzeitig die Verhandlung verlassen musste und nicht zu Ende beobachten konnte]