Prozess: „Imbiss“
Amtsgericht Oranienburg
1. Verhandlungstag, 6.6.2018
Beginn 9.45
Anwesend:
- Angeklagter Doğan
- Angeklagter Kahveci
- Verteidiger von Kahveci
- Verteidigerin von Doğan
- Dolmetscher für Doğan
- Richterin
- Staatsanwalt
- Nebenkläger S.
- Anwalt des Nebenklägers
- Gerichtsschreiberin
- solidarische Prozessbeobachter*innen
Die Richterin eröffnet die Verhandlung und befragt den ersten Angeklagten zu seinen Personalien. Ob er Kinder habe, welchen Beruf er habe und ob das Bistro sein eigenes sei. Er verneint: er sei angestellter Geschäftsführer. R befragt den zweiten Angeklagten. Er arbeitet ebenfalls im Bistro.
R bittet den Nebenkläger, der gleichzeitig Zeuge ist, den Raum für die folgende Befragung zu verlassen.
Der Staatsanwalt verliest die Anklageschrift. Die beiden Angeklagten sollen am 14.05.2015 in einer Kleinstadt in Brandenburg gemeinsam eine andere Person mit einem Werkzeug körperlich geschädigt haben.
Der vermeintlich geschädigte Nebenkläger lief mit zwei Begleiterinnen – seiner damaligen Freundin Frau K. und deren Tochter – am Bistro vorbei. Einer der beiden Angeklagten soll einer der Frauen den „dicken Daumen“ gezeigt haben [Anmerkung: ich weiß nicht was das sein soll und im Saal schienen Leute von dem Ausdruck auch irritiert]. Der Geschädigte zeigte daraufhin den Mittelfinger in Richtung des Angeklagten, dieser lief aus dem Bistro und schlug den Geschädigten. Dieser wehrte sich, woraufhin der zweite Angeklagte ihn auch noch angriff. Der Geschädigte sei verletzt gewesen und ein bis zwei Monate arbeitsunfähig gewesen.
Die Richterin fragt, ob Angeklagten sich äußern wollen. Beide äußern sich nicht.
Der Nebenkläger S. wird wieder in den Saal geholt. Er ist 47 Jahre alt und wohnt in der Kleinstadt, in der sich der Vorfall ereignet hat. S. wird aufgefordert, den Vorfall zu schildern. Sein Anwalt meldet sich zu Wort und sagt an S. gerichtet, dass er keine Aussage machen muss, die ihn selbst belasten würde.
S. macht folgenden Angaben: Wir waren an besagtem Tag feiern, es war Himmelfahrt. Morgens haben wir schon angefangen und die Gaststätten abgeklappert. Dann sind wir am Bistro vorbei und haben einen Freund gerufen, der drinnen saß. Die beiden Angeklagten sind rausgekommen und haben meine Freundin angegriffen. Ich habe mich davor gestellt und wurde auch angegriffen.
Die Richterin stellt fest: Das war jetzt die kurze Variante. Was war denn im Bistro los?
S.: Zwei Frauen saßen drin und haben gegessen. Und die beiden Angeklagten waren drin.
Die Richterin fragt, ob S. die beiden Angeklagten kannte. Er bejaht, er sei mal Gast gewesen. Er schiebt nach, im Bistro habe er erst nur einen der beiden gesehen, den zweiten nicht. Die beiden Angeklagten seien dann rausgekommen und ihnen hinterhergegangen. Dann habe seine Freundin (im Folgenden Frau K.) etwas zu ihnen gesagt.
Die Richterin fragt, wann sie bemerkten, dass sie verfolgt wurden. S. antwortet, dass sie ein kurzes Stück gegangen seien, etwa zehn Meter. Dann habe Frau K. gemerkt, dass sie verfolgt würden. Dann habe es ein kurzes Gespräch gegeben und dann den Angriff auf Frau K., woraufhin S. sich vor Frau K. stellte. Der eine Angeklagte habe S. dann die Mütze über den Kopf gezogen, ihn auf den Boden geworfen und mit einem Schlüsselbund gegen dessen Kopf geschlagen.
Die Richterin fragt, was dann passiert sei, und ob S. die Situation mit der Kapuze genauer beschreiben könne. S. verneint, er habe gelegen, mit dem Gesicht nach unten. Er habe auch nicht gesehen, wer Frau K. geschlagen habe.
Die Richterin fragt, wie S. auf den Boden kam. Dieser erinnert es nicht mehr. „Hab dann auf einmal gelegen. Hab nicht gesehen, wer mich auf den Boden gebracht hat. Der eine ist schwerer als der andere und der auf mir saß war schwer. Dann kamen Polizei und Krankenwagen, die waren auf einmal da.“
Die Richterin fragt, ob S. bewusstlos war. S. antwortet, das könne er nicht sagen.
Fragen des Staatsanwalts:
Der Staatsanwalt fragt, ob S. die beiden Angeklagten kenne. S. antwortet, Doğan kenne er, Kahveci nicht. Der Staatsanwalt fragt nach, wer beim Feiern dabei gewesen sei. S.: Frau K. und ihre Tochter, außerdem Herr R. R. sei aber nicht beim Bistro dabei gewesen, sondern schon vorgegangen. Sie seien ja in mehreren Gaststätten gewesen, ab morgens um 10 Uhr.
Der Staatsanwalt fragt, welche Kneipen sie zuerst besucht hätten. S.: Zuerst beim Bahnhof, dann Berliner Str., dann wieder beim Bahnhof, dann zum Imbiss. Der Staatsanwalt fragt, was sie getrunken hätten auf dem Weg. S.: „Weiß nicht mehr. Muss eine Menge gewesen sein.“
StA: Wie viel Alkohol denn in etwa? Wie war Ihr Zustand? S.: Er sei volltrunken gewesen, beim Laufen aber nicht hingefallen.
StA: Machen Sie solche Touren öfters? S.: Ja, wenn Feierlichkeiten sind.
StA: Gab es am Kiosk Gespräche? S.: Nein, nicht dass ich wüsste.
StA: Und am Imbiss, da durften Sie nicht rein weil Sie Hausverbot hatten? Da gab es doch mal einen Vorfall? S.: „Möchte ich so nicht sagen.“
StA: Wann war das denn? S.: Das sei 2014 gewesen.
Der Staatsanwalt kommt auf die Auseinandersetzung zurück. S.: „Einer saß auf mir drauf, der war schwerer als der andere.“ Er habe von Frau K. gehört, wer auf ihm drauf saß.
StA fragt, wie die Sichtverhältnisse draußen waren. S.: Es war beleuchtet.
StA fragt, ob sich S. danach mit R. unterhalten habe. S.: Erst Tage später, R. habe nicht mitbekommen, dass sie dort waren.
[Anmerkung: Die Erinnerung von S. zum Vorfall wirkt widersprüchlich und lückenhaft. Mal erinnert er sich an etwas, mal nicht. Genaue Abläufe erinnert er nicht mehr. Er sagt nicht, woher er welche Informationen hat. Der Staatsanwalt belehrt S. über die Unterscheidung zwischen selbst gesehenem und von Dritten erzählten Informationen.]
StA fragt, wann S. mit Frau K. gesprochen hat. S.: Das sei auf dem Rückweg vom Krankenhaus gewesen, da habe er Frau K. angerufen. Sie habe von dem Schlag ins Gesicht durch einen der Angeklagten erzählt. Zwei Tage später sei keine Verletzung mehr erkennbar gewesen.
Fragen des Frau Nebenklageanwalts:
Der Nebenklageanwalt fragt, wie sich S. vor Frau K. gestellt habe, vor dem Imbiss. S.: Arme nach hinten, defensiv. Die Angeklagten seien zwei, drei Meter weg gewesen.
Der Nebenklageanwalt fragt, ob sich S. dagegen gewehrt habe, die Kapuze über den Kopf gezogen zu bekommen. S.: Nein, er sei zu betrunken gewesen und es sei zu schnell gegangen. „Ich weiß nicht mehr wie ich auf den Boden gekommen bin.“
Der Nebenklageanwalt fragt nochmal zur Kapuze. S.: Die Kapuze sei über den Kopf gezogen worden, er sei dabei nicht gewürgt worden. Auf dem Boden habe er nichts sehen können. Dann habe einer auf ihm gesessen. Von dem Schlag mit dem Schlüssel habe Frau K. erzählt. Er habe „höllische Schmerzen“ gehabt und es habe ewig gedauert. Dann seien irgendwann Polizei und Krankenwagen gekommen.
Fragen der ersten Verteidigung:
V1: Da möchte ich direkt anschließen. Sie sagten gerade ewig. Wie lange kamen die Schläge? Und lagen Sie die ganze Zeit auf dem Boden? S.: Ja.
V1: Mehrere Minuten? S.: Ja.
V1: Erst aufgehört, als Polizei kam? S.: Ja. Bin hochgekommen, weil es aufhörte.
V1: Sie sagten eben, dass sie den Schlag ins Gesicht von Frau K. nicht mitbekommen haben, sondern nur erzählt bekamen. V1 hält dann aus einem Protokoll der Polizei vor, in dem S. eine genaue Beschreibung des Schlags gibt.
[…]
V1: Wissen Sie ungefähr, wie das passiert ist? S.: Weiß nicht.
V1: Also woher kam die Info, wer Frau K. geschlagen habe? S.: Weiß nicht.
V1: Was haben Sie am nächsten Tag getan? S.: Bin zur Polizei gegangen.
V1 hält vor, dass S. bei der Anzeige bei der Polizei von einem Schlag gegen sich erzählt habe. S. kann sich daran nicht mehr erinnern.
V1: Sie sagten, Sie hätten vorher ihr Rad weggestellt. Wie? S.: Er habe es auf den Boden gelegt.
V1: Was hat Frau K. in der Zeit gemacht? S.: Irgendwas zu den Angeklagten gesagt.
V1: Warum haben Sie das Rad abgelegt? S.: „Instinkt.“ Man wisse ja nicht, was komme.
[…]
V1: Wer hat die Polizei gerufen? S.: Weiß nicht. Auf einmal waren die da.
[…]
V1: Fragt nochmal nach den Lichtverhältnissen. Er hält vor, dass in einer Aussage von S. stehe, dass es nicht beleuchtet gewesen sei.
Es wird darüber gesprochen, wo der Vorfall passiert ist. S. kann nicht näher beschreiben wo, beharrt aber jetzt auf Beleuchtung durch eine Straßenlaterne oder anders, genaueres weiß er nicht.
[…]
V1: Haben sie Erinnerungen an die polizeiliche Vernehmung? S.: Nein.
V1: Wie kommt das? S.: Weiß nicht.
[…]
V1: Sie haben also keine eigenen Erinnerungen an die Tatnacht? S.: Ja.
V1: Alles was Sie heute erzählt haben kommt von Frau K.? S.: Ab da wo wir angegriffen wurden.
Der Verteidiger fragt genauer nach, bis wohin die Erinnerung geht. [Anmerkung: Im Verlauf der Befragung hat S. verschiedenes behauptet, erst ging seine Erinnerung nur bis zum Imbiss, dann bis zur Kapuze, dann bis zum Ablegen des Fahrrads. Seine Aussagen sind sehr unklar und widersprüchlich.]
[Anm.: hier brechen die Notizen ab, da ich vorzeitig die Verhandlung verlassen musste und nicht zu Ende beobachten konnte]