Verfahren gegen Ayfer H. – Berufungsverfahren – 15.12.16

LG Berlin-Moabit, Turmstraße 91, Raum 817

Beginn der Verhandlung um 14:40

Anwesende:

  • Richter (R), Schöffe, Schöffin (weiß)
  • ein Staatsanwalt (weiß) StA
  • eine Protokollantin (weiß)
  • die Angeklagte (A) (PoC), ihr Verteidiger (V) (weiß), eine Dolmetscherin (PoC)
  • Zeugin Frau P (PoC)
  • zwei Prozessbeobachter_innen von KOP und JUSTIZWATCH, eine Begleiterin der Angeklagten, ein Begleiter der Zeugin

R eröffnet die Verhandlung, stellt die Anwesenheit fest und ruft die Zeugin P auf. P wird belehrt, ihre Personalien werden festgestellt. Es geht zuerst um die Meldeadresse der P und um die Frage, warum sie ihrer Ladung als Zeugin bisher nicht nachgekommen ist. […] Dann fordert R die Zeugin P auf zu erzählen, woran sie sich erinnern kann. P berichtet, sie habe Ayfer H. zu der Schulkonferenz begleitet. A habe am Unterricht teilnehmen wollen. Der Rektor habe das abgelehnt: die Schule sei kein Theater und wenn alle Eltern kommen würden, sei kein Platz für die Kinder. Dann habe der Rektor die A unterbrochen und „hallo, hallo“ gerufen. P habe sich dann eingemischt und dem Rektor gesagt, dass die A einen Namen habe und er sie nicht mit „hallo, hallo“ ansprechen solle. Der Rektor habe dann gedroht, die Polizei zu rufen, um die A und P rauswerfen zu lassen. P sei dann rausgegangen, der Sportlehrer sei mit ihr draußen gewesen. Sowohl sie als auch der Rektor hätten die Polizei gerufen.

Dann sei die Polizei eingetroffen und in die Schule gegangen. Sie habe wegen des Hausverbots draußen bleiben müssen. Nach fünf bis zehn Minuten habe die A angerufen und am Telefon gerufen „die töten mich“. Es sei ein Krankenwagen gerufen worden. P sei in die Schule gerufen worden, um die A zu beruhigen. A sei mit Handschellen gefesselt gewesen. P habe sich gefragt, was passiert sei, ob die Polizeibeamten wegen einer Tasche so weit gegangen seien. P seien dann auch Handschellen angelegt worden. A und P seien mit dem herbeigerufenen Krankenwagen ins Krankenhaus gefahren. Dort hätten sie wieder die Polizei gerufen um Anzeige zu erstatten. Die Verletzungen der A seien dokumentiert worden.

R fragt, ob P und A nach dem Vorfall Kontakt zu Medien gehabt hätten. P: Sie seien im türkischen Konsulat und bei der Beratungsstelle ReachOut gewesen. P fügt hinzu, es sei so ungerecht gewesen, das sei der Grund gewesen. R will wissen, was P ungerecht gefunden habe. P: Die Konstellation „drei Polizisten gegen eine Frau“ habe sie ungerecht gefunden und auch wie die A danach ausgesehen habe. R hakt nach, die P habe aber doch nicht gesehen, wie A „zu Boden kam“. P bestätigt das. Dann fragt R, warum P die Polizei gerufen habe. Was sie da habe anzeigen wollen. P schildert erneut das respektlose Verhalten des Direktors gegenüber der A. R erwidert, dass doch aber der Rektor das Hausrecht habe. Auf weitere Nachfrage stellt sich heraus, dass P gegenüber der Polizei habe beanstanden wollen, dass der Rektor P und A rauswerfen wollte. R kommentiert: Ok, dann verstehe ich das.

Dann will R wissen, was ReachOut sei. P erklärt, es handele sich um eine Organisation gegen Rassismus und Polizeigewalt. Sie wisse aber nicht mehr, von wem der Hinweis gekommen sei. Auf Nachfrage: P und A seien beide dorthin gegangen und hätten beide gesprochen. R fragt dann nach dem Zeitungsartikel. P berichtet, der Journalist sei bei der A zu Hause gewesen, habe auch ihre ausgerissenen Haare gesehen. Auf Nachfrage: P und A hätten beide mit dem Journalisten gesprochen. […] Der Schöffe fragt, was die Hürriyet P und A empfohlen habe. P: Die Hürriyet habe nichts empfohlen. Der Journalist habe aber gesagt, von solchen Fällen habe er schon häufiger gehört.

Der StA will wissen, woher P gewusst habe, dass der Rektor die Polizei gerufen habe. P erklärt, der Rektor sei mit ihr zusammen rausgegangen. Dann fragt StA, woher die P von der rassistischen Beleidigung, dem Faustschlag ins Gesicht und den ausgerissenen Haaren gewusst habe. P antwortet, sie habe es nicht selbst gewusst. Sie sei aber nur kurz weggewesen. Auf Nachfrage des StA, wann die A P von dem Verprügeln erzählt habe, sagt P, das sei im Krankenhaus gewesen. StA hakt nach, ob P das hinterfragt habe, was mit der Handtasche gewesen sei. P verneint die Frage. Die A habe ihr erzählt, wie es für sie gewesen sei. StA fragt daraufhin, wie lange A und P schon befreundet seien (zehn Jahre) und ob es ähnliche Vorfälle schon früher gegeben habe, ob die A zu Übertreibungen neige, wenn sie aufgeregt sei, ob sie „hysterisch“ sei. P antwortet, die A sei ein ruhiger Mensch. Auf Nachfrage erklärt P, die Schilderungen der A seien für sie glaubhaft gewesen. Sie habe ja auch gesehen, wie die A aussah. Auf weitere Nachfrage ergänzt P, bei den Polizisten habe sie keine Verletzungen gesehen, sie habe aber auch nicht darauf geachtet.

V fragt, ob die A am Telefon um Hilfe gerufen habe. P bestätigt dies. A habe „Hilfe, die töten mich“ gerufen. V fragt, ob P danach den Rektor beschimpft habe. P antwortet, sie habe den Rektor nur gefragt, ob er jetzt zufrieden sei. V hakt nach, ob P gespuckt habe. P sagt, das sei nicht ihre Art. […] V fragt, warum P auch Handschellen angelegt worden seien. P sagt, sie sei zu A gegangen, als sie sie gesehen habe. Vielleicht hätten die Polizisten gedacht, dass sie etwas machen würde. […]

R möchte noch eine Frage stellen und kommt auf den Vorwurf zu sprechen, die A habe ihre Handtasche geschleudert. R an P: Sie kennen A lange. Sie haben von einem ruhigen Charakter gesprochen. Was denken Sie, wenn Unbeteiligte das auch bestätigen? V mischt sich ein und fragt, wer denn hier unbeteiligt sei. R sagt, er meine die Sozialarbeiterin. Es sei eine hypothetische Frage. P antwortet, so etwas mache keiner. Es müsse eine besondere Situation gewesen sein. R will wissen, ob die A besonders schmerzempfindlich sei. P: Die A sei eine starke, kämpferische Frau, trotz ihres Bandscheibenvorfalls. A habe nie gemeckert und auch ihre Einkäufe getragen.

V fragt, ob P einmal erlebt habe, dass die A an der Schulter gepackt wurde, was P verneint. V sagt an R gewandt, das sei ja die Frage, auf die es ankomme. Nicht darauf, wie die A allgemein sei. R erwidert, es sei ihm jetzt gar nicht um Details gegangen, sondern um den Gesamteindruck. R an V: Werten tun wir hinterher Herr Rechtsanwalt, jetzt geht es ums Fakten Sammeln.

15:16 V bittet um eine kurze Pause. Um 15:25 wird fortgesetzt. V sagt, er wolle noch eine Frage zu den Rückenschmerzen der A stellen: ob P mal mitbekommen habe, dass die A deswegen einen Notarzt gerufen habe und im Krankenhaus gewesen sei. P sagt, sie sei zusammen mit der A im Krankenhaus gewesen. Sie sei auch mal beim Notarzt dabei gewesen und habe die A auch während einer Kur besucht. Auf Nachfrage fügt P hinzu, die A habe manchmal vor Schmerzen nicht gerade stehen können. Auf weitere Nachfrage des V bestätigt P, dass sie mit der Aussage, dass A eine starke Frau sei, gemeint habe, dass sie seelisch stark sei und trotzdem weitergemacht habe.

Um 15:30 wird die Zeugin P entlassen. P sagt, sie hoffe, dass das das letzte Mal gewesen sei. R sagt, das würden alle hoffen. Ende des Verhandlungstages.