14.02.17
Beginn: 9:00 Uhr, tatsächlich 9:03
Saal: Z16 Amtsgericht Lingen
Vor dem Saal/ vor Beginn der Verhandlung:
Ankunft 8:30 Uhr, nach und nach treten die Zeug*innen, Zuschauer*innen, der Richter,der Staatsanwalt, die Anwält*innen und Schöff*innen sowie Presse in den Saal. Es waren zwei Pressevertreter*innen der NOZ anwesend. Auch ein Prozessbeobachter der Polizei kam zu der Verhandlung.
Die Zeugin B. begrüßt auf dem Flur vor der Verhandlung die Angeklagten N. und den Zeugen W. und spricht sehr vertraut mit ihnen über private Verhältnisse.
Aufbau des Saals / Sitzplatzbelegung:
Vorne von links: Protokollantin, Schöffin, Vorsitzender Richter, Schöffe
Links davon: Staatsanwalt
Rechte Seite: Verteidigerin ZH., Angeklagter N., Verteidiger L., Angeklagter D.
In der Mitte der Platz zur Zeugenanhörung.
Im Publikum, soweit unsere Kenntnis zu den Personen: Zwei Praktikant*innen Prozessbeobachter der Polizei, Prozessbeobachter des Amtsgerichts, Journalist Willfried Roggendorf, eine Person von der Gruppe Grenzenlos Lingen und der Verfasser dieses Protokolls (alle weiß)
Verhandlungseröffnung: Der Vorsitzende Richter eröffnet die Verhandlung.
Beweisaufnahme:
- Zeuge W. (Angestellter der Sicherheitsfirma, weiß)
Der Zeuge W. wird in den Saal gerufen.
W. sei ebenso wie die Angeklagten in der Sicherheitsfirma angestellt. Er sei auch in der Notunterkunft Gymnasium Georgianum eingesetzt worden. W räumt ein, dass er zum Tatzeitpunkt am 20.12.2015 nichts sagen kann. Er habe eine Nachtschicht ab dem 21.12. gehabt. Bei der Schichtübergabe habe er erfahren, dass Personen in der Isolierstation seien. Drei Personen aus Pakistan wurden in der als Isolationsraum eingesetzten Umkleidekabine untergebracht. Um 21 Uhr habe seine Nachtschicht begonnen. Sein Schichtführer sei an dem Tag M. gewesen. W. erzählt, dass ständig Personen im Isolationsraum seien. Die drei Menschen aus Pakistan seien zu dem Zeitpunkt, als er sie gesehen habe, nicht eingesperrt gewesen. Seine Nachtschicht sei vom 21.12. bis zum 22.12. gegangen. Bei der Umkleidetür handele es sich um eine Fluchttür. Diese sei von innen zu öffnen, von außen jedoch nur mit einem Schlüssel. Er habe in Erinnerung, dass nur eine Person ersichtlich verletzt gewesen sei. Es sei an ihn herangetragen worden, dass die Geschädigten am Vorabend getrunken hätten, im Verdacht standen einem Minderjährigen das Handy geklaut zu haben und diesem gegenüber sexuell übergriffig geworden zu sein.
Fragen/Antworten:
Auf die erneute Nachfrage vom StA zum Verständnis, ab welchem Zeitpunkt W. Dienst hatte, antwortet W. mit dem 21.12. Keine weiteren Nachfragen. Der Zeuge wird entlassen.
- Zeugin B. (Sanitäterin, weiß)
Die Zeugin B. wird in den Saal gerufen.
Sie beginnt ihre Aussage damit, dass sie vor einem Jahr schon mal eine Aussage zu diesem Fall getätigt habe. B. arbeitete im Zeitraum der Tat als Sanitäterin vom DRK zur medizinischen und pflegerischen Versorgung für die untergebrachten Geflüchteten. Sie erzählt, dass es um die drei Geflüchteten ginge, die etwas gemacht hätten. Allerdings wüsste sie keine Namen und Daten. Ihre Frühschicht habe am 20.12.15 um 7 Uhr morgens begonnen. Sie sei zu Schichtbeginn von den Securities in die Iso-Station gebeten worden. Dort sollten sich drei verletzte Geflüchtete befinden. Zu dem Zeitpunkt habe B. Dienst mit M. gehabt. Als sie in dem Raum gekommen sei, hätten drei Geflüchtete auf dem Boden des Raumes gelegen. Ein Geschädigter habe für zwei Stunden ins Krankenhaus gemusst, um behandelt zu werden. Die anderen zwei hätten keine äußeren Verletzungen gehabt. Sie habe die anderen beiden mit Schmerzmitteln und Kühlakkus behandelt. Sie habe noch in Erinnerung, dass die Geschädigten kurz nach dem Vorfall ihre Unterkunft wechseln mussten, wohl nach Meppen oder Bramsche. Sie habe sich nicht über Sprache mit den Geschädigten verständigen können, sondern nur mit Händen und Füßen kommuniziert. B. könne sich aber erinnern, dass die Securities der Tageschicht sich mit den Geschädigten verständigen konnten.
B. gibt wieder, was sie zum Zeitpunkt ihres Dienstes über die drei Geflüchteten erzählt bekommen habe: Die Männer hätten sich gegenseitig auf die Nase gehauen; sich an einem Kind vergriffen und sich deswegen in der Iso-Station gehauen, weil sie sich untereinander jeweils die Schuld gegeben hätten.
Laut B. war die Tür so verschlossen, dass sie, wenn sie aus der Isostation herausgingen, nicht wieder hereinkommen konnten. Auch die Außentür des Gebäudes sei nur von innen ohne Schlüssel zu öffnen gewesen.
Fragen/Antworten:
Auf Nachfrage des StA erwidert B., dass sie nicht unmittelbar nach Schichtbeginn (7 Uhr) in die Umkleide gegangen sei. Die Pfleger hätten den drei Geschädigten Frühstück in die Umkleide gebracht, sie sei sich diesbezüglich aber nicht 100% sicher.
Auf Nachfrage von ZH. ob B. sich denn wirklich sicher sei, um kurz nach 7 Uhr in die Umkleide gekommen zu sein – denn bei der polizeilichen Ermittlung habe B. von
10-10:30 Uhr gesprochen – meint B., es sei früher gewesen.
Auf Nachfrage von L. gibt B. an, dass sie mit den Securities E. und M. in die Umkleide gegangen sei. Sie wisse aber nicht, ob die Leitung der Unterkunft zu dem Zeitpunkt von dem Vorfall wusste.
.Die Zeugin B wird entlassen.
- Zeuge D. (Security in der Unterkunft, PoC)
Der Zeuge D. wird in den Saal gerufen. Dieser ist zu dem Zeitpunkt nicht da.
Weiter wird versucht einen anderen Zeugen in den Saal zu rufen. Einer von denen kann nur in Begleitung eines Dolmetschers vernommen werden. Es wurde nicht ersichtlich, ob nun Zeuge oder Dolmetscher fehlte.
9:30 Uhr: Aufgrund nicht anwesender Zeugen pausiert R die Verhandlung bis 9:40 Uhr.
9:40 Uhr: R eröffnet nach der Unterbrechung wieder die Verhandlung. Der Zeuge D. wird in den Saal gerufen. Der Zeuge erscheint nicht. R ist sichtlich gestresst.
Nach wenigen Minuten erscheint Zeuge D. nun doch im Saal.
D. räumt ein, er wisse um den Anlass Bescheid und verweist auf seine Aussage bei der Polizei. D. erzählt, dass er das Frühstück in den Quarantäne-Raum bringen musste, weil ein Pakistaner Ärger gemacht habe. Nun habe D. die Tür aufgeschlossen. Der Raum soll eine Schiedsrichterkabine gewesen sein. D. erinnert sich, dass eine Person die Nase verletzt hatte, die anderen hätten nur Schrammen gehabt. D’s Frühschicht habe um 9:00 Uhr morgens begonnen. Der Vorfall sei am Abend vorher passiert. Die Sanitäter*innen vom DRK seien nicht mit in die Umkleide gekommen. In der Isolier-Station hätten sich insgesamt 4 Personen in den Quarantäne-Räumen befunden. Die drei Geflüchteten aus Pakistan in einem Raum, eine geflüchtete Frau mit ansteckender Krankheit in einem anderen Raum. Er habe die drei Pakistanis aus einer Art Besenkammer ohne Matratzen rausgeholt hat und in einen anderen Raum (wahrscheinlich Umkleide/ Schiedsrichterraum) gebracht. Der kleine Raum sei verschlossen gewesen. Er habe die drei Geflüchteten aus Empathie in einen größeren Raum mit Matratzen gebracht. Ein Pakistani habe einen Kratzer am Hals gehabt (Verweis auf Polizeifoto). Der Eingangsbereich sei mit einem Chip-System verschlossen und von außen zu öffnen gewesen. Die Tür des Raumes sei mit einem Schlüssel zu öffnen. Von der Ursache der Verletzungen könne D. nichts berichten. Er wüsste nur, dass die Geflüchteten einen Minderjährigen abgefüllt haben sollen. Er habe sich mit den Geschädigten minimal auf Türkisch verständigen können. Er glaube, dass die Drei vielleicht auf der Durchreise in der Türkei waren und dort Bruchstücke der Sprache lernten.
Fragen/Antworten:
Auf Nachfrage des StA erwidert D., dass er und M. den Auftrag hatten, den drei Pakistanis Frühstück zu bringen. Dafür hätten sie sich den Chip geholt und die Drei aus dem kleinen Raum geholt (welcher nicht mit Chip zu öffnen war). Er wüsste, dass diese Unterbringung in dem kleinen Raum nicht rechtens war und habe die Drei mit Zigaretten, Decken und ihren Handys versorgt. D. betont, dass er den Geschädigten aus einem menschlichen Aspekt geholfen habe. Er ist der Ansicht, es handele sich um ein Einsperren der Personen. Sein Kollege M. habe zu ihm gesagt, dass dies eine Anordnung des DRK war.
[Anmerkung: Angeklagter N. ist sichtlich nervös und reibt sich die Hände.]
ZH merkt an, dass die Polizei mehr äußerliche Verletzungen, entgegen D.´s Ansicht, feststellen konnte. D. erzählt, dass der Raum in den er die Geschädigten brachte, von innen zu öffnen gewesen sei. Bei dem vorherigen kleinen Raum wüsste er nicht, ob dieser von innen zu öffnen sei. Die drei Geschädigten hätten keinen Zutritt zu der Unterbringung der geflüchteten Frau gehabt.
L merkt an, dass die Geschädigten behaupten, sie wären in dem Raum eingesperrt gewesen. D. erwidert, dass er diesen Vorwurf auch erst durch die Polizei erfahren habe.
D. fragt sich, warum die Geflüchteten, wenn sie wirklich etwas Straffälliges vorher gemacht hätten, nicht von der Polizei mitgenommen wurden. Dann hätten „seine Jungs“ die Geschädigten nicht so behandeln müssen.
L fragt, wer von dem Geschädigten türkisch gesprochen habe. D. merkt an, dass die Geschädigten alle dunkelhäutig seien und die Person mit der verletzten Nase nicht türkisch gesprochen habe. Außerdem gibt D. an, dass er am Vortag, als er Dienst hatte, den Tumult mit den drei pakistanischen Geflüchteten nicht wahrgenommen habe. Im Bezug auf die Verletzungen sei D. auch niemand aufgefallen, der ein geschwollenes Gesicht hatte.
Der Zeuge D. wird entlassen.
- Zeuge H. (Polizeikommissar und Einsatzleiter, weiß)
Zeuge H. wird in den Saal gerufen.
H war Einsatzleiter bei der Aufnahme des Sachverhalts in der Notunterkunft, jenes Falls, welcher durch P. auf der Wache aufgenommen worden sei. H. räumt ein, dass auf der Wache zu ihm gesagt wurde, es seien Geflüchtete in der Notunterkunft am Gymnasium Georgianum misshandelt worden. Die Melder der Information hätten auf der Wache ein Foto von einem Opfer gezeigt. Die Angeklagten seien zu dem Zeitpunkt nicht bekannt und auch nicht bei der Aufnahme des Sachverhalts in der Unterkunft anwesend gewesen. Die Aufnahme des Sachverhalts sei in der Umkleide erfolgt, im Beisein zweier Sicherheitskräfte. H. erinnere sich an Gesichtsverletzungen bei einer Person an der Nase und am Ohr, bei einem anderen Geschädigten am Auge und bei dem Dritten könne er sich nicht erinnern. Er habe notiert, dass eine Person scheinbar zusammengeschlagen worden war. H. habe alle Geschädigten in einem Raum gesammelt vernommen.
H gibt den Inhalt dieser Aufnahme des Sachverhalts kurz wieder: Die drei Geflüchteten aus Pakistan seien am Vorabend von dem Haupthaus in ein anderes Gebäude (70m weiter) verlegt worden. Anlass soll der Streit um ein Handy gewesen sein. Die drei Geschädigten seien um etwa 21 Uhr in die Isolationszelle geführt worden. Zwei Sicherheitsleute hätten jeweils nacheinander einen Geschädigten mitgenommen und in einer anliegenden Kabine zusammengeschlagen. Dies habe sich H. durch schlüssiges Verhalten bei den Berichten der Geschädigten während der Aufnahme des Sachverhalts merken können.
[Anmerkung: Der Angeklagte N. wirkt aufgeregt und empört. N.´s Verteidigerin ZH. will N. beruhigen und weist Zeuge H. auf wertfreie Aussagen hin. N. errötet und rollt die Augen im Kopf.]
H habe das Wachbuch der Sicherheitsfirma gesichert. Aus Notizen während des Tatzeitpunkts gehe hervor, dass sich drei Afghanen (Nationalität falsch zugeordnet) in der Isolationszelle geschlagen hätten. H. und sein Kollege hätten nach der Aufnahme des Sachverhalts die Unterkunft verlassen. Bei weiteren Ermittlungen sei H. nicht dabei gewesen. H. habe seinen Kollegen und dem Sicherheitspersonal im Bezug auf derartige Vorfälle besondere Obacht erteilt. Er habe die Geschädigten in einer Umkleidekabine mit Matratzen und anliegendem Duschraum vorgefunden. Das Haupttor sei von innen zu öffnen gewesen. Die Tür der Umkleide sei nicht abgeschlossen gewesen. Eine Freiheitsberaubung habe H. nicht wahrnehmen können.
Fragen/Antworten:
Auf Nachfrage des StA antwortet H., dass die Aufnahme des Sachverhalts zwei Tage nach dem Streit um das Handy erfolgt sei.
Auf Nachfrage von ZH erzählt H., dass die Schläge in einem kleineren Raum ausgeteilt worden seien. Dieser sei nicht nach Blut untersucht worden, es seien aber Handtücher mit Blut gefunden worden. H. und sein Kollege hätten keine anderen Räume aufgesucht.
Auf Nachfrage von L gibt H. an, dass sich vorher zwei Personen (B. und O.) auf der Wache gemeldet hätten. B. und O. hätten telefonischen Kontakt in die Unterkunft gehabt. H. vermutet, dass B. ein ehrenamtlicher Helfer der Geflüchteten sei und die betroffenen Pakistanis kenne. B. und unter Umständen auch O. hätten während der Aufnahme des Sachverhalts die Aussagen der Geschädigten übersetzt. L stellt löchernde Fragen zu dem genauen Ablauf der Befragung der Geschädigten durch die Polizei. Die Aussagen der Geschädigten seien durch eine Verständigung im Dialog erörtert worden. L verweist darauf, dass nach StPO Zeugen nur einzeln vernommen werden dürfen. H. entgegen bezieht sich auf die Gründe eine Abweichung durch die Sprachbarriere, der nötigen Klärung des Sachverhalts und der Neutralität durch die gegenseitige Kontrolle, welche in dem Fall vorlagen. L reichen diese Gründe nicht. Er fragt, warum kein professioneller Dolmetscher eingesetzt worden sei. H. erwidert, dass zumindest B. praktikabel als Dolmetscher gewesen sei.
Zu dem Zeitpunkt der Aufnahme des Sachverhalts habe H. nichts von einem Handydiebstahl gewusst. H. berichtet vom kooperativen Verhalten des Sicherheitspersonals.
L kommt erneut auf die Befragung der Geschädigten zurück. H. antwortet, die Berichte der Geschädigten seien ihm aufgrund seiner offen gestellten Fragen schlüssig vorgekommen.
Der Zeuge H. wird entlassen.
- Zeuge P. (Polizist in Lingen, weiß)
Zeuge P. wird in den Saal gerufen
Am Nachmittag des 21.12 sei P. von Ehrenamtlichen in der Dienststelle angerufen worden. Diese Ehrenamtlichen hätten eine Whats-App-Nachricht mit einem Foto von einem verletzten Geflüchteten gezeigt. Sie hätten dies als Hilferuf verstanden. Daraufhin sei P. mit H. zu der Unterkunft gefahren. Die Sicherheitskräfte mit denen P. und H. sich unterhielten, seien nicht verdächtig gewesen. Sie seien zusammen in die entsprechende Umkleide gegangen. Dort habe P. die sichtbaren Verletzungen dokumentiert. Für P. sei nicht sichtbar gewesen, ob die Tür der Umkleide von innen zu öffnen war. Jedoch sei zum Zeitpunkt der Aufnahme des Sachverhalts die Tür nicht verschlossen gewesen. P. erzählt, dass in der Umkleide keine Matratzen gelegen hätten, er sich allerdings an Matratzen im Nebenraum erinnern könne. Als Verletzungen habe er geschwollene Augen, eine verletzte Nase und mehrere Rötungen/Hämatome notiert. P., ZH., L. und StA gehen nach vorne zum Richter und schauen sich die dokumentierten Fotos der Verletzungen an.
[Anmerkung: Die Angeklagten N. und D. schauen sich genervt und nervös an. N. reibt sich die Augen und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Die Angeklagten sind sichtlich nervös beim Bildbericht.]
Fragen/Antworten:
Auf Nachfrage des StA erwidert P., dass er keine Fotos von der Örtlichkeit gemacht habe. Die Sicherheitskräfte hätten nicht erwähnt, dass die Personen eingesperrt waren. Unter den Sicherheitskräften sei ein Schichtleiter gewesen.
Auf die Frage vom Richter, ob im Publikum eine für P. erkennbare Sicherheitskraft sei, die auch zum Zeitpunkt der Aufnahme des Sachverhalts anwesend war, antwortet P.: „höchstens vorne links“ (also Zeuge D.). D. sagt aus dem Publikum: „Wenn hier noch weitere Schwarzköpfe sitzen würden, wäre Ihnen die Wahl auch schwerer gefallen.“
L fragt nach P.´s Zustimmung zur gesammelten Zeugenvernehmung. P. verneint seine Zustimmung. L. fragt weiter nach P.´s Rolle während der Zeugenvernehmung vor Ort. P. berichtet, dass er nur die Verletzungen der Geschädigten fotografisch dokumentiert habe und H. für die Befragung zuständig gewesen sei.
D spricht aus dem Publikum, dass er während der Zeugenvernehmung auch nicht mit in der Umkleide gewesen sei.
Der Zeuge P. muss wieder vor die Tür. Zeuge D. wird wieder zur Aussage aufgefordert.
D berichtet von seinem Dienst in der großen Halle der Notunterkunft. Dort sei er nach vorne gefunkt worden, weil die Polizei gekommen sei. Für D. hätten die Melder des Vorfalls – die ehrenamtlichen Helfer – wie Salafisten und voreingenommen gewirkt. D. spekuliert, dass jemand Geld in der Anklage wittere und deswegen den Fall vor Gericht gebracht habe. Dies mache er an den „voreingenommenen“ Dolmetschern/Ehrenamtlichen fest.
Fragen/Antworten:
L stellt Fragen zu dem Vorgang der Vernehmung. D. antwortet, dass nur ein Dolmetscher die Sprache gekonnt habe, aber alle zusammen in der Kabine saßen. Es habe sich für D. auch um eine Gruppenvernehmung gehandelt. D. bestätigt, dass Zeuge P. die Verletzungen der Geschädigten fotografiert habe. P. sei auch bei der Vernehmung anwesend gewesen.
Der Zeuge D. wird wieder entlassen. Der Zeuge P. wird erneut aufgerufen.
L fragte nach P.´s Erinnerungen an die Befragung/Vernehmung. P. entgegnet, dass er keine Erinnerungen an die Vernehmung habe.
Der Zeuge P. wird entlassen.
- Erklärung von L.
L bittet um eine Erklärung seinerseits:
Bei einem Geschädigten am ersten Verhandlungstag habe L. bemerkt, dass sich dieser im Flur vor dem Gerichtssaal über den Verlauf der Hauptverhandlung unterhalten habe. L. wirft diesem Geschädigten vor, dass er zielstrebig auf seinen Mandanten als Täter gezeigt hat. Jedoch habe dieser Geschädigte sich bei der vorherigen Bildansicht nicht an seinen Mandanten erinnern können. L. behauptet, dass die Zeugenbefragung durch H. contra legem gewesen sei. Er untermauert seine Annahme durch die gemeinsame Vernehmung und durch das Voreingenommensein der Dolmetscher.
- Zeuge EB. (führender Polizist in den Ermittlungen, weiß)
Zeuge EB. wird in den Saal gerufen.
EB entschuldigt sich vorab für die falsch ausgesprochenen Namen der ausländischen Geschädigten und Zeugen. EB. erzählt, dass es um drei pakistanische Geflüchtete gehe, die sich entweder untereinander geschlagen hätten oder von Sicherheitskräften geschlagen wurden. EB. merkt an, dass zwei von den drei Geschädigten nun in eine Unterkunft nach Meppen und eine Person nach Sögel verlegt worden seien. Als ursächlich für die Tat betrachte er eine Auseinandersetzung mit einem minderjährigen Pakistani. EB. weist auf die sensible Lage dieser Ermittlung hin. Auf der einen Seite sei die Sprachbarriere, auf der anderen Seite die nicht aussagenden Sicherheitskräfte. EB. erwähnt, dass er Kontakt mit dem Geschäftsführer der Sicherheitsfirma gehabt habe, um Vertrauen für die Aussagen seiner Angestellten zu gewinnen. Durch den Geschäftsführer seien EB. die Namen der Sicherheitsbeamten mitgeteilt worden, die zu dem Zeitpunkt der Tat im Dienst waren. Die Rollen der involvierten Personen im Prozess seien lange nicht klar gewesen. Im Laufe der Ermittlung seien auch die Geschädigten der Schlägerei selbst beschuldigt worden. EB. habe in Meppen zwei pakistanische Geschädigte vernommen. Diese hätten berichtet, dass sie in eine Umkleide gebracht, dort nacheinander rausgeholt, geschlagen und wieder in die Umkleide gebracht worden seien. Alle drei Geschädigten hätten geschildert, dass sie von Mitarbeitern der Sicherheitsfirma misshandelt worden und den kleinen Raum nicht hätten verlassen können. Die Geschädigten hätten EB. berichtet, dass am nächsten Morgen zwei Sicherheitskräfte gekommen seien, um sie in einen größeren Raum zu bringen. B. bestätigt, dass D. eingesetzt gewesen sei, die Geschädigten in den größeren Raum bringen. Sein Kollege M habe die Schlüssel geholt, während der Angeklagte D. draußen rauchte. N. hätte D. zugewunken, weil „die Flüchtlinge Stress hatten“. D. und N. hätten die Schläge und Misshandlungen bestritten. D. und N. hätten B. ihre Ansicht – dass die drei Geflüchteten sich untereinander geschlagen hätten- im Voraus der Gerichtsverhandlung geschildert. Beide hätten EB. keine klare Antwort geben können, wie sie zu dieser Annahme kamen.
[Anmerkung: Angeklagter N. guckt wütend auf den Zeugen B.]
Nach einer durchgeführten Wahllichtbildvorlage bei den Geschädigten, seien die folgenden Personen festgestellt worden: Geschädigter 1 habe den Angeklagten N. für den Schlag auf die Nase identifiziert.
Geschädigter 2 habe den Angeklagten D. identifiziert. Geschädigter 3 habe den Angeklagten N. erkannt.
Die Bildvorlagen werden von StA, ZH., L. und B. in Augenschein genommen.
EB kommt auf die Vorwürfe an die Geschädigten vor der Misshandlung zu sprechen. Laut EB. soll sich ein 14-Jähriger mit den drei Geschädigten vorher betrunken haben. Dabei sei der Vorwurf aufgekommen, die drei pakistanischen Geflüchteten hätten das Handy des 14-Jährigen geklaut und ihn sexuell belästigt. Um weitere Gefahren durch die drei pakistanischen Geflüchteten abzuwenden, hätten sich die Sicherheitskräfte dazu entschieden, die drei Geschädigten in ein Nebengebäude der Unterkunft zu bringen.
Die Verhandlung wird zur Mittagspause von 11:50 Uhr bis 12:50 Uhr pausiert.
Fragen/Antworten:
L fragt, warum EB. nicht Herrn Bu. als Dolmetscher genommen habe. EB. antwortet, dass Bu. durch die Nähe zu den Geschädigten nicht neutral genug gewesen sei.
L fragt, warum EB. nicht die Geschädigten zusammen befragt habe. EB. antwortet, die Geschädigten hätten aus ihrem eigenen Erleben ohne Fremdeinflüsse berichten sollen.
Für EB. habe festgestanden, dass die Straftatbestände Körperverletzung, Freiheitsentzug und Misshandlung in Frage kämen. Er sei der Ansicht, dass der Firmeninhaber des Sicherheitsdienstes ein Interesse an der Aufklärung des Vorfalls habe. Der Angeklagte D. sei geringfügig bei der Sicherheitsfirma beschäftigt.
Die dem EB. vorliegende Täterbeschreibung habe gelautet: Männlich, 30-36 Jahre, kräftiges Aussehen, Securitas-Kleidung, südländisches Aussehen. EB. merkt an, dass ein Geschädigter vom südost-europäischen Aussehen der Täter sprach. Diese vagen Täterbeschreibungen hätten EB. nicht viel genutzt, weswegen er die sequentielle Lichtbildvorlage durchführte.
L bittet um eine Erklärung seinerseits: Er meint auf dem Flur eine Diskussion mitbekommen zu haben, unter welchen Umständen Zeugen gemeinsam vernommen werden dürften. Für L. stehe fest, dass die Beamten durch die Meldung von Herrn Bu. schon Anhaltspunkte gehabt hätten, die eine gemeinsame Zeugenvernehmung nicht nötig gemacht hätte. Ebenso erwähnt L. den voreingenommenen Dolmetscher und plädiert für die Wahl von professionellen Dolmetschern.
L liest den Bericht zur Wahllichtbildvorlage und zweifelt an der adäquaten Durchführung durch EB.
Der Zeuge EB. wird entlassen.
- Zeuge O. (Ehrenamtlicher Helfer, PoC)
Der Zeuge O. wird in den Saal gerufen.
O berichtet, dass er einen Anruf von Bu. bekommen habe. In der Notunterkunft seien Geflüchtete zusammengeschlagen und eingesperrt worden. Buth seien Bilder von einem Geflüchteten mit angeschwollenem Gesicht gezeigt worden. Daraufhin habe O. bei einem Flüchtlingshelfer der Stadt angerufen, dieser habe sich nicht zuständig gefühlt. O. und Bu. seien gemeinsam zur Polizei gegangen und anschließend mit den Beamten H. und P. zur Unterkunft. In der Unterkunft seien sie von Sicherheitskräften zu der Halle begleitet worden, in der sich die drei Geschädigten aufhielten. Das sei kein schöner Anblick gewesen. O. merkt an, dass Bu. Pakistanisch [Urdu, wahrscheinlich] spreche. O. habe Verletzungen unterschiedlichen Grades festgestellt: Dickes Auge, aufgeplatzte Lippen und krumme Nase.
Von den zu dem Zeitpunkt anwesenden Sicherheitskräften sei O. erzählt worden, dass die drei Geflüchteten sich betrunken hätten, einem Jungen das Handy stehlen wollten und diesen begrabscht hätten. Daraufhin sollten sich die drei selbst so zugerichtet haben. Laut O. waren die Geschädigten nur begrenzt eingesperrt. Sie konnten sich außerhalb der Raumtür bewegen. Der Raum sei nicht abgeschlossen gewesen.
Fragen/Antworten: Auf Nachfrage von L. antwortet O., dass er die drei Geschädigten nicht kannten und auch vorher keinen Kontakt zu diesen gehabt habe. Der Kontakt in die Unterkunft sei über eine andere Person gelaufen. Diese andere Person habe Kontakt zu den drei Pakistanis. Nach O.s Ansicht waren alle drei verletzt.
StA, O. und L. sehen sich Fotos der Verletzungen an. O. sagt, die Verletzungen auf den Bildern sähen nicht so stark aus, wie er sie in Erinnerung hat.
Der Zeuge O. wird entlassen.
- Der Zeuge Bu. (Ehrenamtlicher Helfer, PoC)
Der Zeuge Bu. wird in den Saal gerufen.
R fragt Bu., ob das wirklich sein richtiger Name ist. Im Saal ist Gelächter. [Keine Angaben zur Person notiert.] Bu. erzählt, dass er einmal einen Geflüchteten aus der Unterkunft in der Moschee getroffen habe. Diesem Geflüchteten habe Bu. seine Nummer gegeben, falls er mal Hilfe brauche. Eben jener habe dann Bu. angerufen und berichtet, dass drei pakistanische Geflüchtete vom Sicherheitsdienst geschlagen worden seien. Der Geflüchtete sei in die Unterkunft und habe Fotos von den Verletzungen der Geschädigten gemacht. Bu. hat die Bilder gesehen und etwas machen wollen. Er erzählt, dass er mit O., den Beamten H. und P. in die Unterkunft gefahren sei und sich dort die Situation der drei pakistanischen Geflüchteten vergegenwärtigt habe. Bu. habe seinen Freund O. dazu geholt, weil O.s Schwester eine Beamtin sei und er sich dachte, dass O. Erfahrungen habe. Der Haupteingang zu dem Unterbringung der Geschädigten sei ein Tor gewese. Dieses sei verschlossen gewesen. Das Nebengebäude mit der Umkleide sei auf dem Fußballplatz des Gymnasiums Georgianum. Bu. kenne von den Geschädigten nur einen. Diesen habe er mal bei dem Freitagsgebet getroffen. Bu. erzählt, dass er für die Vernehmung gedolmetscht habe. Er habe mit den Geschädigten auf Punjabi gesprochen. Auf die Frage nach den Verletzungen der Geschädigten verweist Buth auf die Polizeibilder. Er erinnere sich, dass einer die Nase gebrochen und einer ein blaues Auge habe.
Fragen/Antworten:
Auf die Frage von L., wann Bu. zuletzt Kontakt mit den Geschädigten gehabt habe, erwidert Bu.: „Zuletzt am 07.02.2017, bei der Verhandlung im Gericht“. Bu. erklärt, dass er zuvor noch nie Kontakt zu den Geschädigten gehabt habe. Er besitze keine Telefonnummer von den drei pakistanischen Geflüchteten. Die Kommunikation sei über die Mittelsperson gelaufen, welche er in der Moschee angesprochen habe.
Der Zeuge Bu. wird entlassen.
- Zeuge S. (Bewohner der Unterkunft, PoC)
Zeuge S. wird in den Saal gerufen.
S kommt mit einem Übersetzer.
S habe mitbekommen, dass drei pakistanische Geflüchtete in der Unterkunft Probleme mit einem Afghanen hätten. Es ginge um ein Handydiebstahl. Die Sicherheitsleute hätten die drei Pakistanis beschuldigt, aber bei allen dort untergebrachten Geflüchteten Durchsuchungen durchgeführt. Die Polizei habe bei den Durchsuchungen geholfen. Nachdem die Polizei gefahren sei, hätten die Sicherheitsbeamten zu den drei Geschädigten gesagt: „Packt eure Sachen, ihr werdet jetzt wegfahren!“. S. habe sich öfters gefragt, wo die drei nun sind. S. erzählt, dass er und seine Freunde zwei Tage nach dem Verschwinden der Geschädigten am Fußballplatz, neben der Unterkunft, entlanggingen. In dem Moment hätten ihm vom Gelände des Fußballplatzes zwei der Geschädigten zugewunken. S. sei daraufhin zu dem Tor des Geländes gegangen und habe mit den Geschädigten gesprochen. Das Tor sei abgeschlossen gewesen. Die Geschädigten hätten erzählt, dass sie von den Sicherheitsmenschen geschlagen worden seien. Einer hätte eine gebrochene Nase gehabt und um Hilfe gebeten. S. hätte dem Geschädigten gesagt, dass er den Herrn Bu. vom Freitagsgebet um Hilfe bitten werde. Daraufhin habe S. sich mit Herrn Bu. getroffen und ihm das Ereignis erzählt. Herr Bu. habe S. erst nicht geglaubt, er habe zu S. gesagt: „Wir sind in Deutschland, nicht Pakistan.“ und Beweise gefordert. S. sei zurück zu dem Gelände gegangen und habe Bilder von den Geschädigten gemacht. Bu. habe daraufhin die Polizei eingeschaltet. Die Fotos habe S. in der Umkleide der Geschädigten gemacht. S. habe Verletzungen an der Nase, dem Gesicht, dem Körper und am Hinterkopf festgestellt.
[14:05 Uhr: Aus zeitlichen Gründen musste ich die Verhandlung verlassen.]