Verfahren gegen Hıdır Yildirim – 6. Verhandlungstag

11.10.2017, Kammergericht Berlin

Anwesend: 2. Strafsenat mit drei Richter*innen (R1, R2, R3), Generalstaatsanwalt (GStA), 2 Verteidiger (V1, V2)), Hıdır Yildirim (HY), 1 Dolmetscher, 4 Justizbeamt*innen, 9 Prozessbeobachter*innen

[…]

Der vorsitzende Richter (R1) bezieht sich zunächst auf eine Aussagegenehmigung der ersten geladenen Zeugin, Frau Ehle (E,?). Es gebe 3 Vermerke vom 13.07.2017. Dann wird die Zeugin aufgerufen.

Zeugin Ehle (?, E), 31 Jahre, Kriminalbeamtin LKA Berlin, hat im Ermittlungsverfahren gg. Yildirim in Berlin unterstützt

R1 leitet die Befragung ein. Er führt aus, dass die Zeugin E Amtshilfe geleistet und drei Berichte erstellt habe. Die Befragung solle sich auf den Bericht vom 30.05. beziehen, auf Beschattungen von HY beim kurdischen Verein in der Burgsdorfstraße in Berlin. Die Zeugin führt aus, dass sie vom LKA Magdeburg durch den Kollegen Calvis betraut wurde (siehe IV. Verhandlungstag, 14.09.2017). Sie habe herausfinden sollen ob HY auffällig im kurdischen Verein in Berlin sei, dort habe sie ihn dann auch gesehen. R1 sagt über den Bericht, dass dieser 10-11 Seiten umfasse, Daten, und Umstände des Ereignisses erläutere. Die Zeugin E führt aus, dass am 07.04.2014 nicht nur HY sondern auch weitere Personen vor dem Verein gesehen worden seien. Dies ginge aus Screenshots hervor, welche aus den Aufnahmen einer Videokamera extrahiert wurden, welche den Eingang des kurdischen Vereins in Berlin überwachte. Unter anderem seien darauf der Gebietsverantwortliche Zeki Eroglu (ZE), der hohe Funktionär Mehmet Demir (MD), Cem Aydin (CA), Yildiz Aktaş (YA), Okta (?) [Name nicht verständlich] zu sehen gewesen sein. Die Bilder seien in Augenschein genommen worden und es ginge daraus hervor, dass HY und YA den Verein betraten und wieder verließen.

R1 fragt nach einem Ereignis in Bremen, woraufhin E das Datum 02.11.2013 nennt. An diesem Tag sollte dort ein Treffen stattfinden woraufhin eine Kamera aufgestellt worden sei. Es seien aus dem gesamten Bundesgebiet angereist. Sie habe hierzu einen kurzen und einen umfassenden Bericht geschrieben. Aus Berlin habe sie zwei Personen wieder erkannt, Hr. Aral (A, ?) und Hr. Göckebaken (G, ?)[Namen nicht verständlich], insgesamt seien 118 Personen heraus gefiltert worden. R1 fragt nach weiteren Namen, worauf E erwidert, dass Personen mit höhere gestelltem Rang dabei gewesen sein, deren Namen sie aber nicht wisse. R1 nennt den Namen MD, das ginge aus E‘s Bericht hervor. V fragt nach Geburtsdatum und Deckname von MD. R1 antwortet 01.01.1965 in der Türkei und fragt weiter ob auch ZE bei dem Treffen in Bremen gewesen sei. E bestätigt dies. R1 fragt nach der Identifizierung von HY. E erläutert, dass sie ihn bei der ersten Sichtung der Bilder nicht erkannt habe, erst bei der zweiten.

Es werden die aufgenommenen Bilder vom 02.11.2013 in Bremen gesichtet. E führt dabei aus, dass A ein Berliner sei, welcher regelmäßig in den Verein ginge und früher hochrangig gewesen sei. G sei ebenfalls Berliner. Im Falle der Identifizierung von HY habe E einen Kollegen aus der Branche hinzu geholt, welcher bereits 20 Jahre Erfahrung hätte und bestätigte, dass dies HY sei. R1 fragt, woher E die Namen der Personen wisse. E sagt, dass die Namen zum einen aus polizeilichen Daten hervor gingen, aus ED-Daten oder Ausländerlisten. Zum anderen kämen die Informationen von erfahrenen, eingearbeiteten Kollegen. Außerdem habe sie selbst teilweise Veranstaltungen beigewohnt, wo man sich ja zumindest einseitig kennen lerne. R1 fragt nach Treffpunkten in Bremen und Berlin. E sagt, dass sie den Birati eV in Bremen nicht persönlich kenne aber dass dies anscheinend ein Treffpunkt der PKK-Terroristen sei. Bei dem Treffen am 02.11.2013 seien viele dort anwesend gewesen. Wahrscheinlich habe es sich um ein wichtiges Treffen gehandelt. In Berlin sei der Verein in der Burgsdorfstraße eine wichtige Anlaufstelle für Terroristen.

V fragt, wann E HY das erste mal bewusst über den Weg gelaufen sei und wann sie den Namen das erste mal gehört habe. E antwortet, dass sie den Namen HY das erste mal bei seiner Festnahme gehört habe. Dann habe sie ihn auf den Bilderaufnahmen am 30.05. gesehen. V fragt wie die erste Identifizierung durch sie geschah. E sagt, dass sie die Personalien vom Kollegen Calvis bekommen habe, dann habe sie die Lichtbilder mit polizeilichen Systemen abgeglichen. Dies habe sie mit mehreren Personen anhand mehrerer Bilder gemacht, was sie aber nicht zur Akte genommen hat. V fragt nach der Anzahl der Bilder von HY. E nennt 3 Bilder, 2 ED-Aufnahmen von 2011 und 1 der Ausländerzentrale von 2004. V weisst daraufhin, dass die Aussagen im Publikum sehr schwer verständlich seien und bittet E darum lauter zu sprechen.

V fragt nach den Ein- und Ausgängen des Vereins in Berlin. E sagt es gebe einen Eingang und einen Fluchtausgang. Der Ausgang führe in neben gelegenes Hotel. V fragt ob eine oder mehrere Kameras angebracht worden seien, was E mit einer Kamera beantwortet. V fragt nach dem genauen Vorgang der Auswertung der Aufnahmen des Vereins in Berlin. E führt aus, dass aus den Video-Dateien von 2014 Screenshots angefertigt worden seien, diese sei sie durchgegangen, habe sich nicht das Video selbst angeschaut. V fragt nach dem Vorgang der Identifizierung beim Birati-Treffen. E sagt, dass es ein E-Postsystem gäbe worüber die Anfrage gesteuert worden sei. Bilder seien nicht mitgeschickt worden, dies beruhe auf Vertrauen. V fragt ob nachvollziehbar sei wer zu welchem Bild die identifizierende Person war. E sagt ja, denn die E-Postnachrichten seien gespeichert. V fragt nach anderen kulturellen Aktivitäten, welche im Birati eV stattfänden, ob es auch welche ohne PKK-Bezug gäbe, was E nicht beantworten kann. V hakt nach wer genau das Video ausgewertet und die Screenshots gemacht habe.E antwortet, dass dies durch ihre Dienststelle geschehen sei. Sie hätten sich alle gemeinsam hin gesetzt und das gemacht, die Arbeit sei nicht von einer Person zu bewerkstelligen. Unter anderem seien Kollegin Lange und Kollege Kücuk dabei gewesen. V fragt weiter ob von jedem Tag Screenshots angefertigt worden seien, was E bestätigt. Es seien immer Screenshots gemacht worden wenn jemand den Verein betrat, der beschuldigt sei. Sonst sei das Video gelöscht worden. Die Videos seien immer gespeichert worden, später angeschaut und ausgewertet worden. V fragt, wie viele Personen den Verein nutzen würden. E kann das nicht beantworten, schätzt aber dass es viele seien, nicht nur kurdischer und türkischer, auch deutscher Herkunft. V fragt weiter wie lange die Kamera installiert gewesen sei. E antwortet dass dies solange ging wie der Beschluss von Herrn Aydin es vorsah. Normalerweise seien es 3 Monate, manchmal würde auch verlängert. In diesem Fall sei es länger gewesen, E wisse aber nicht den genauen Zeitraum. V fragt wann die Kamera abgenommen wurde, vor oder nach der Festnahme von Aydin. E sagt, dass sie dazu keine Aussagegenehmigung hätte. R1 bittet sich auf den Fall von HY zu beziehen. V fragt ob aus Videos und Screenshots hervorginge, dass HY auch zu anderem Zeitpunkt in Bremer Verein gewesen sei, was E nicht weiss. V fragt weiter ob E selbst schon einmal in Bremen gewesen sei, was E verneint. V fragt ob Vergleichsbilder genommen worden seien. E antwortet, dass ihr diese Möglichkeit nicht offen stehe, sie habe HY identifiziert und das wurde durch Kollege Kücuk bestätigt. V möchte wissen woher Kollege Kücuk das wisse. E erwidert, dass dieser eine große Personenkenntnis habe, er sei selber Türke. Aber woher genau er das wisse sei E nicht bekannt. V fragt wer die Kamera angebracht habe, was E nicht weiss. V beharrt darauf, dass die Kamera durch ihren Auftrag angebracht worden sei. E bestätigt und sagt, dass sie den Auftrag an Kollege Becker gegeben habe. Sie habe eine Rückmeldung in Form der Bilder erhalten. Die Bilder waren in Bremen aufgearbeitet worden. V fragt ab die Bilder auch bearbeitet worden seien, was E angibt nicht zu wissen. V erhebt Widerspruch gegen Überwachung aufgrund fehlender Nachvollziehbarkeit. R sagt, dass der Widerspruch bis zum 18.10. […] V führt aus, dass anhand des Beispiels Birati eV klar geworden sei, dass nicht nachvollziehbar ist worauf sich die Identifizierung von Personen bezieht. Es sei angegeben worden wer anwesend gewesen soll, jedoch nicht nachvollziehbar ob dies aus Befragungen oder Akten geschlussfolgert worden sei.

Die Befragung der Zeugin E endet und sie verlässt den Saal. Es wird eine weitere Zeugin herein gerufen.

Zeugin Liebhold (?, L), 51 Jahre, Kriminalbeamtin LKA Berlin, hat im Ermittlungsverfahren gg. Yildirim in Berlin unterstützt

R1 beginnt mit der Befragung von L und sagt, dass ihr Beitrag nur ein Bericht gewesen sei. L sagt, dass sie mit dem Auftrag aufgrund einer SMS betraut wurde. Laut dieser sollte HY in den Verein in Berlin kommen. Sie habe nachschauen sollen ob dem so sei. Aufgrund eines anderen Verfahrens . Sei eine Kamera vor Ort installiert gewesen. Sie habe daraufhin Bilder zum 02.03.2014 rausgesucht. R1 fragt nach wo die Bilder aufgenommenen worden seien. L nennt den Eingang des Vereins Navdem in der Burgsdorfstraße in Berlin. R1 bittet noch einmal auf die SMS einzugehen. L erläutert, dass in einer SMS HY aufgefordert worden sei in den Verein zu kommen. Daraufhin sei sie tätig geworden. Der Auftrag sei von der Generalstaatsanwaltschaft gekommen. R1 fragt ob es lediglich ein oder mehrere Fotos gegeben habe. L sagt, dass sie eins ausgewählt habe. Darauf seien HY und MD erkennbar. Weitere Personen seien geschwärzt weil nicht relevant. Das Foto sei am Eingang aufgenommen worden. Die Identifizierung habe sie eines Vergleichs der Bilder mit ED-Bilden aus Polizeisystemen durchgeführt. R1 fragt nach Details zu den ED-Bildern. L sagt, dass die von HY von 2015 seien, von MD wisse sie es nicht.

Die Bilder werden in Augeschein genommen. L sagt, dass MD HY aufgefordert habe in den Verein zu kommen. V fragt ob L bei der Identifizierung mit ihren Kollegen gesprochen habe. L erklärt, dass der Informations-Austaisch auf Polizeidienststellen komplex sei. Sie wisse nicht wie die Kollegen identifiziert hätten, nur wie sie selbst es getan habe, anhand der ED-Bilder. V fragt welches Bundesland die Informationen eingspeist habe. L sagt, dass dies theoretisch nachvollziehbar sei, sie aber nicht wisse. V fragt weiter anhand welcher Merkmale abgeglichen worden sei. L sagt anhand des Bildes und des Geburtsdatums. Letztere Info habe sie von der Staatsanwaltschaft durch eine Sachbearbeitertagung bekommen. Eine solche finde einmal jährlich statt und die Dienststellen können sich hierbei austauschen. V hakt noch ob sich LKA und BKA treffen würden, was L bestätigt. Es handele sich um ein bundesweites Verfahren. V fragt ob bei solchen Tagungen Namen und Geburtsdaten ausgetauscht würde. L gibt an dies nicht zu wissen da sie selbst auf keiner Tagung gewesen sei. Sie habe die Information nur über die Staatsanwaltschaft bekommen indem sie eine Anfrage per Post gestellt habe. Sie wisse aber nicht mehr wann sie diese Anfrage gestellt habe.

V fragt nach der Anzahl der Screenshots vom 02.03.2014. L gibt an, dass es viele gewesen seien, sie die genaue Anzahl aber nicht mehr wisse. V fragt nach der genauen Anfrage da dies nicht aktenkundig sei. L sagt es habe sich um 25-40 Bilder gehandelt. V fragt wann und durch wen diese gelöscht worden seien, was L nicht weiss. Sie sei sich aber sicher, dass eine Löschung erfolgt sei. Gewöhnlich würde das Video auf einer Festplatte gebracht werden, dann erfolge das Speichern von Screenshots, die Festplatte würde zurück gegeben werden. Anschließend würde die Rückmeldung gegeben, dass das Video gelöscht werden könne. V fragt nach welchen Kriterien Screenshots gefertigt würden […] und ob auch der Innenbereich des Vereins überwacht würde. L verneint dies. V fragt weiter wonach Kontaktpersonen ausgewählt würden. L sagt wenn Person neben einer beschuldigten Person den Verein betrete sei sie eine Kontaktperson. V fragt nach Kontaktpersonen von CA, was L nicht in Namen beantworten möchte. V fragt ob HY und MD dazu gehörten, was L bejaht. V fragt nach der Anzahl der Kontaktpersonen von CA, was L angibt nicht zu wissen. V fragt wie die Videoauswertung durchgeführt worden sei, was Maßgaben gewesen seien und wer entschieden habe was relevant gewesen sei. L sagt, dass zum Beispiel Kontaktpersonen bei Demonstrationen interessant seien, dann würden Sachbearbeiter befragt wie beispielsweise Frau Lange. V fragt ob L eine Liste von Kontaktpersonen gehabt habe. L meint, dass es da etwas gegeben habe. V fragt wie viele Personen auf den 25-40 Aufnahmen vom 02.03.2014 gewesen seien. L nennt die Zahl 50-55 Leute.

Die Befragung der Zeugin L endet und sie verlässt den Saal. R1 gibt an, dass keine Zeug*innen mehr verhört würden. Es würde nun nur noch Anträge verlesen werden.

1) Verlesung der Verteidigung zu Aussagen vom Zeugen Becker

Inhalt grob: keine Differenzierung zwischen kurdisch und PKK-nah sein was sich mit Annahme des türkischen Staates deckt.

2) Verlesung der Verteidigung zu TKÜ gegen HY

Inhalt grob: Antrag Beweisverwerfung da Identifizierung nicht nachvollziehbar und kein Tatverdacht vorhanden

3) […]